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PFLANZENDEVAS – DEVIS KINDER

Wir wollen uns nun den Pflanzendevas, den Söhnen und Töchtern der grossen Vegetationsgöttin, zuwenden. Auf keinen Fall dürfen wir sie uns als winzige Blütenelfen oder neckische Waldfeen vorstellen; sie sind wahrlich göttliche Wesen von kosmischem Ausmass. Es ist durchaus angebracht, sie als Devas (Sanskrit «die Leuchtenden, die Strahleden») zu bezeichnen, denn sie wirken von den Sternen und Planeten auf die Erde herab. Die Blumen auf den Wiesen und Feldern, die Bäume und Sträucher sind lediglich ihre «Schatten», ihre «mit Stoff gefüllten Abbilder», ihr «kondensierter Atem», ihre «auf Erden verwirklichten Gedanken». Manche Seher, wie der weisshaarige Bergbauer Arthur Hermes, beschreiben die Devas als unsichtbare makrokosmische Riesen, von denen nur die «Haare» (die physische Vegetation) sichtbar sind. (Storl 1990: 82) Wenn der Bauer seine Wiese mäht – behauptet Arthur Hermes –, dann ist das wie das Haareschneiden. Es tut den Pflanzengeistern nicht weh. Sie freuen sich eher über die Aufmerksamkeit.

Imagination als Schlüssel

Solche Aussagen sind selbstverständlich nur als poetische Annäherungen zu verstehen. Aber wo wären wir ohne solche bildhaften, bunten Vorstellungen? Uns bliebe nur die äussere, materielle Erscheinung. Diese könnten wir zwar messen und analysieren – was sicherlich auch interessant ist –, aber das eigentliche der Pflanzenwelt würden wir verfehlen. Wir könnten wie der auf Tatbestände bedachte Positivist nur von einem intelligenzlosen, durch natürliche Auslese zufällig entstandenen protoplasmischen Gebilde reden, und damit hätte es sich. Sicherlich finden in diesen protoplasmischen Gebilden höchst komplizierte, kybernetisch vernetzte energetische und biochemische Vorgänge statt, auch sind sie zu diversen Reizreaktionen fähig, aber ein positivistischer Wissenschaftler würde sich weigern, ihnen Bewusstsein oder gar Selbstbewusstsein zuzusprechen. Seine Experimente scheinen diese Annahmen zu bestätigen. Und dennoch steht er in dieser Ansicht allein. Die Überlieferungen aller Kulturen mit Ausnahme der gegenwärtigen berichten von fühlenden Seelen und einem erkennenden Geist, der sich «hinter» oder «in» der Pflanzenerscheinung offenbart.

Ein Indianer, der Heilkräuter sammeln will, nimmt zuerst Kontakt mit dem «Häuptling» der jeweiligen Pflanzenart auf. Er raucht mit ihm Tabak und fragt ihn um Erlaubnis. Die Pflanze einfach zu nehmen, käme einer Vergewaltigung oder einem Diebstahl gleich und würde zu nichts Gutem führen. Dieser «Häuptling» ist für den Indianer die eigentliche Pflanze.

Wir werden sehen, dass es in anderen Traditionen ähnlich ist. Der wahre Pflanzenkundige verkehrt mit dem Geist der Pflanze. Dieser Geist kann als Drache, als schöne Jungfrau, als Waldweib, Kobold, Kind, alter Mann, als Tier oder was auch immer in der Vision erscheinen. Die Erscheinung sagt etwas über das Wesen des Deva aus, ist aber zugleich aus den inneren Bildern, die der Kräutersammler in sich trägt, gebildet. An sich hat der Deva als geistiges Wesen keine eigene Gestalt. Er borgt sich seine Erscheinung aus den kulturell vorgegebenen Vorstellungen und persönlichen Erinnerungen des Kräutersammlers. Der Deva wühlt sozusagen in der Rumpelkammer des menschlichen Unterbewusstseins und kleidet sich in der passenden Form, die der Pflanzenschamane erkennen und mit der er leicht umgehen kann.

Hat der Mensch Angst oder schleppt er ein schlechtes Gewissen mit sich herum, dann spiegelt sich das ebenfalls in der Erscheinung des Deva – falls es überhaupt zu einem Kontakt kommt. Die mittelalterlichen Kirchenmänner zum Beispiel sahen in der Tollkirsche oder im Bilsenkraut ein Giftgewächs, das von wahrhaften schwarzen Teufeln mit Hörnern und Fledermausflügeln umflattert wird. Auch Elisabeth Claire Prophet, die Gründerin einer sogenannten «Kirche des Wassermannzeitalters» (Summit Lighthouse, Church Universal and Triumphant), macht hinter den äusseren Pflanzenerscheinungen eine spirituelle Dimension aus. Die Geistwesen der domestizierten Pflanzen erscheinen ihr als gute Engel. Der Hanf/Cannabisdeva jedoch sei eine «parasitische Entität», die das Individuum mit Gaukeleien verführe, ihm das innere Licht raube und den Zugang zum höheren Selbst blockiere. Nur die Beschwörung des «Ich bin» und die Aufrufung des mit blauflammendem Schwert bewappneten Elohim Astrea kann von der Besessenheit durch diesen dämonischen Deva befreien. (Prophet 1986: 89) Wie anders dagegen der himalayische Wanderasket, dem der Geist derselben Pflanze in der hehren Gestalt der Göttin Ganga oder gar als Shiva selber, in seiner friedlichen Manifestation, erscheint.

Wie sich der Deva offenbart, hängt also ganz von unserer eigenen geistig-seelischen Verfassung ab. Wir werden sehen, wie wichtig ein gutes, reines Bewusstsein für traditionelle Kräutersammler und Pflanzenkundige seit jeher war. Je selbstloser und transparenter das Bewusstsein wird, desto treffender, reiner und feiner werden auch die Imaginationen. Ein Deva kann dann umso leichter seine segensreiche Botschaft übermitteln.7

Kommunikation mit der Pflanze, das Erkennen ihrer verborgenen Heilkräfte oder ihres Potentials als Nahrungspflanze, geschieht nicht durch äusserliches Experimentieren, sondern vor allem durch innerliche Zwiesprache. Die bildhaften Vorstellungen, die Zauberworte und Rituale sind Vokabular und Grammatik dieser Zwiesprache. Aus diesem Grund sind die grossen Pflanzenkenner – wie Goethe etwa – zugleich Meister der Imagination. Kräuterfrauen und Wurzelseppen sind meistens in der einheimischen Folklore, der Sagenwelt und dem Brauchtum tief verwurzelt. Die Kräuterfrau Maria Treben, die sich als Zeichen ihrer Verbundenheit mit der Tradition gerne in Trachtendirndl kleidet, arbeitet mir der Imagination der Gottesmutter, die ihr die Inspirationen zukommen lässt. (Storl 1986: 18) Der britische Arzt und Entdecker der Blütenessenzen, Dr. Edward Bach, zog seine Inspirationen aus den altkeltischen Überlieferungen seiner walisischen Vorfahren. (Scheffer/Storl 1994) Je tiefer er in die Ideenwelt der Meddygion Myddfai, der traditionellen Kräuterheiler und Nachfahren der Druiden, eindrang, umso klarer erkannte er die Heilkräfte bestimmter Blumen. Pflanzen sind eben nicht nur zufällig belebte Gegenstände, in ihnen offenbaren sich geistige Wesenheiten. Sie haben Geschichte und können Geschichten erzählen!

Geniale Künstler und Chemiker

Der Deva, der eine botanische Art «überstrahlt», hat sein eigenes «Schwingungsspektrum», sein eigenes «morphogenetisches Feld», durch das er sich in der geeigneten ökologischen Nische manifestieren kann. Das In-Erscheinung-Treten der einzelnen Pflänzchen könnte mit dem plötzlichen Erscheinen von Eisblumen am Fenster verglichen werden oder mit dem Wachsen ganzer Gärtchen zarter Kristallgebilde in einer übersättigten Lösung. Ein anderes Bild, das wir zu Hilfe nehmen könnten, ist das der Chladni-Figuren, jener harmonischen organischen Muster, die entstehen, wenn man eine Resonanzplatte mit feinem Sand bestreut und dann über die Saiten einer daran befestigten Geige streicht. Jede Schwingung erzeugt ihre eigene Klangfigur. Wie ein virtuoser Geiger also setzt der Deva ätherische Schwingungen in Bewegung, die dann in den zahllosen Einzelexemplaren eine Art materielle Form annehmen. Wir dürfen also die Einzelpflanze nicht mit dem Deva, dem schöpferischen Urbild der Art, verwechseln.

Betrachtet man die schöne Geometrie, die Vielfalt der Blatt- und Blütenformen, die Düfte, Farben und das Wirkungsspektrum der Pflanzen, dann muss man sich eingestehen: Pflanzendevas sind höchst kreativ! Als «geniale Ingenieure der Natur» bezeichnet sie Felix Paturi. (Paturi 1974) Mit künstlerischem Formsinn und erstaunlicher Präzision sind die Blätter am Stengel, die Schuppen an den Zapfen der Nadelbäume, die Samen in den Scheiben der Korbblütler oder das Stachelpolster der Kakteen angebracht. Die Anordnung nähert sich dem Goldenen Schnitt (dem Verhältnis 0,618054 :1), was auf uns ästhetisch höchst befriedigend und harmonisch wirkt.8

Die Devas bauen sich ihre Leiber aus den Elementen der physischen Materie auf. Die Pflanzenstofflichkeit spiegelt aber nicht einfach die Zusammensetzung des Bodens wider, wo Sauerstoff, Silizium und Aluminium – in dieser Reihenfolge – am häufigsten Vorkommen. Sie absorbieren also nicht auf eine passive Art und Weise, sondern selektieren genau die Elemente, die sie brauchen. Im Grunde genommen weben sie ihr Kleid aus Sonnenlicht, Luft (CO2) und Wasser. Nur zwei bis fünf Prozent des Pflanzenleibes bestehen aus den vom Boden aufgenommenen Mineralien (P, K, Ca, Si und Spurenelemente). Zudem liegt der Verdacht nahe, dass die Pflanzen zur alchemistischen Mutation einiger Elemente fähig sind. Das wenigstens lassen die Untersuchungen französischer Forscher vermuten. (Tompkins/Bird 1978: 149) Im Labor für organische Chemie der Ecole Polytechnique in Paris wurden in Tausenden von Versuchsreihen elementare Transmutationen innerhalb pflanzlicher Organismen festgestellt. Der Forscher Louis Kervran warnt aber vor voreiligen Verallgemeinerungen, denn die Transmutationen sind an ganz bestimmte enzymatische und physiologische Vorbedingungen gebunden. Eine Pflanzenart kann eine Transmutation vollbringen, die bei einer anderen Art unmöglich ist. Jede Art und jede Familie weist schon auf der Ebene der Moleküle, mit der sie umgeht, die sie akkumuliert oder an ihre Umwelt weitergibt, recht individualistische Züge auf.

Jedem Deva fällt eine andere Aufgabe in der Gesamtökologie zu. Wenn wir an die Gaia-Hypothese denken und uns vergegenwärtigen, dass die Erde ständig darauf hinarbeitet, in einem homöopathischen Gleichgewicht zu bleiben, dann lässt sich die Aufgabe der Pflanzen mit jener der Drüsen oder anderer Organe im Körper vergleichen. Leguminosen – aus denen unter anderem die lebenswichtigen Eiweisse aufgebaut werden – sind zum Beispiel darauf spezialisiert, den Boden mit Stickstoff zu bereichern. Die Brennessel hilft, den Eisenstoffwechsel des Bodens zu regulieren. Tabakpflanzen sammeln, auch auf kaliarmen Böden, viel Kali an. Der Buchweizen, der auf sauren, sandigen Böden gedeiht, aus denen der Kalk ausgewaschen ist, versorgt den Boden mit Kalzium. Bilsenkraut und Stechapfel reichern Phosphorsäure an. Der Fingerhut sammelt Mangan. Die Kreuzblütler sind auf Schwefel spezialisiert, was ihnen wiederum hilft, in wässrig-kalten Klimazonen ein üppiges Wachstum zu entfalten. (Pfeiffer 1977: 182)

Aber nicht nur das. Pflanzen sind auch Meister der Synthese. Kein anderer versteht sich darauf, derart feine ätherische Öle zu synthetisieren wie der Deva der Lippenblütler (Minzfamilie). In der Herstellung von gummiartigem Milchsaft (Latex) sind die Wolfsmilchgewächse die Meister; ihnen verdanken wir Gummistiefel, Kondome und Autoreifen. Der Malvendeva versteht sich auf Schleimstoffe ebenso wie auf feste Fasern; ihm verdanken wir Jute und Baumwolle. Der Nachtschattendeva wartet mit einer breiten Palette giftiger und bewusstseinsverändernder Alkaloide auf. Der Rosendeva schenkt uns das herrlichste Obst – Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren usw. – ‚ ist aber zugleich auch Meister in der Herstellung adstringierender Gerbsäuren. Und wer kann schon die Enziane an Bitterstoffproduktion überbieten? Der grosse Enzian enthält die bitterste überhaupt bekannt gewordene Verbindung: Ein Gramm genügt, um 58000 Liter Wasser bitter zu machen. (Holzner 1985: 128)

Jean-Marie Pelt, ein durchaus sachlich nüchterner Professor der Botanik, schreibt dazu: «Die Pflanzen besitzen, wenn man so will, einen ‹Familiengeist›, danach spezialisiert sich jede Familie auf ihre eigene Chemie, ebenso wie sie ihre eigene Blütenform entwickelt.» (Pelt 1983: 151)

Ausserirdische Invasoren

Einst war der Erdplanet eine Wasser- und Staubwüste, eingehüllt von einer lebensfeindlichen Atmosphäre aus Ammoniak, Methan, Kohlendioxid und giftigen Vulkandämpfen. So gut wie kein Sauerstoff war in der Luft vorhanden. «Wüst und leer» war es, aber dann, irgendwann vor mehr als drei Milliarden Jahren, im Präkambrium, erschienen die ersten Lebenskeime. Von woher kamen sie? Waren es Ausserirdische, die sich vornahmen, den leblosen Sonnentrabanten zu kolonisieren? Oder waren sie schon potentiell in der Erdmaterie vorhanden? Waren sie das zufällige Resultat der Reaktionen kosmischer Einstrahlungen mit flüchtigen Molekularverbindungen? Die Experten streiten sich. Oder waren es gar Engelwesen, schöpferische Intelligenzen, jene mit der Sonne, dem Mond und den Sternen verbundenen «leuchtenden Devawesenheiten», die sich des Urstoffs bemächtigten, um sich Schritt für Schritt physische Leiber zu schaffen? Die Mythen und Sagen der Völker geben der letzten Möglichkeit den Vorzug.


Ginkgo

Kaum war die Erdoberfläche abgekühlt und der Wasserdampf zu Urmeeren kondensiert, begannen die Devas mit den Zellen als Lebensträger zu experimentieren. Die dem Wasser innewohnende Tendenz zur Tropfenform gab wohl das Muster für die Zellen ab, ebenso wie die inhärenten Kraftlinien – wie man sie in den Eisblumen ausmachen kann – später die Muster für die ersten primitiven Wedel und Blätter vorgaben.

Die ersten Lebenskeime (Prokaryoten) besassen keine Zellkerne und wahrscheinlich noch kein Chlorophyll. Bald aber bauten die Devas das Lebensgrün in ihre Schöpfung ein. In den oberen Schichten des Meeres schwebend, saugten tagsüber riesige Schwärme einzelliger Planktone die Energie der Sonne auf. Diese Lichtenergie ermöglichte es ihnen, den Sauerstoff aus dem Wasser zu lösen. Durch die Atmung der Urpflanzen wurde über eine nahezu unendliche Zeitspanne hinweg soviel von dem lebenstragenden Gas freigesetzt, dass sich die ursprüngliche, reduzierende Uratmosphäre in eine sauerstoffhaltige, oxidierende Lufthülle umwandelte – der Himmel wurde blau!9

Tagsüber schwebten die Planktone, dem Licht hingegeben; nachts dagegen wurden sie aktiver und vermehrten sich durch Zellteilung. In ihrer Nachtaktivität bewegten sie sich mit den zuckenden Schlägen kleiner Geiseln durchs Wasser. Oft kam es dabei vor, dass zwei aufeinanderstossende Planktone miteinander verschmolzen – so erfanden sie etwas, was die meisten Menschen noch heute fasziniert: die Sexualität. Eizelle und Sperma, die im Miniaturmeer des menschlichen Schosses ihr Erbgut kombinieren, verhalten sich noch immer so.

Wahrscheinlich unter Einwirkung mutagener kosmischer Einstrahlung teilte sich das eine Leben in seine pflanzliche und seine tierische Daseinsform. Die einen, die grünen Einzeller, blieben dem Tag und dem Licht zugewandt. Die anderen, die aktiveren, wandten sich eher dem nächtlichen Modus zu. Sie verzichteten auf Chlorophyll, behielten ihre Mobilität und mutierten allmählich zu Tieren. Nicht vom Sonnenlicht, sondern von Abfällen und den abgestorbenen Leibern ihrer grünen Vettern ernähren sie sich. Man könnte fragen, ob die tierischen Organismen nicht einen Sonderzustand der Vegetation darstellen. Haben die Devas die Tiere «erfunden», um den überschüssigen Sauerstoff – den «Abfall» der Photosynthese – zu entsorgen? Indem die Tiere die pflanzliche Materie verdauen (oxidieren), binden sie Sauerstoff an Kohlenstoff. Aus diesem Recycling entsteht die Kohlensäure, aus der die Pflanzen erneut ihre Substanz aufbauen. Auch bei der Wiederverwertung und Zirkulation des Stickstoffs in der Form von Kot und Urin helfen die tierischen Organismen den Pflanzen. Wir sehen, die beiden Hälften des Lebens, die Pflanzen und die Tiere, ergänzen einander. Im Laufe der Evolution halten beide Schritt miteinander.

Im frühen Paläozoikum vor rund 600 Millionen Jahren erblühten ganze Wälder von roten und braunen Algen unter dem Meeresspiegel. Diese wiederum boten Nahrung und Schutz für ganze Heere von Trilobiten, Armfüsslern, Würmern, Mollusken und anderen Weichtieren. Bald kamen die ersten Fische dazu.

An Ufern und Gestaden, wo die tosende Meeresbrandung eine Gefahr für die Meeresvegetation darstellt, bildeten einige Grünalgenarten – die Vorfahren der Landpflanzen – Haftorgane, mit denen sie sich an den Felsen festklammern konnten. Diese spezialisierten, durch rapide Zellteilung charakterisierten Gewebe waren die Vorläufer der Wurzeln. Da diese Grünalgen wegen Ebbe und Flut über längere Zeitspannen der Luft ausgesetzt waren, mussten sie wiederum besondere Gewebe zum Schutz gegen das Austrocknen entwickeln. So wurden die Pflanzen allmählich immer differenzierter.

Bald wagten sich die ersten moos- und lebermoosartigen Gewächse, primitive Schachtelhalme und Bärlapppflänzchen, an Land. Pilzmyzelien, die sich mit den Haftwurzeln der Pionierpflanzen verquickten und ihnen Spurenelemente, Wuchsstoffe (Auxine) und wenn nötig Wasser zukommen liessen, halfen ihnen beim Überlebenskampf. Als Gegenleistung gaben die grünen Pflanzen etwas von dem in der Photosynthese gewonnenen Zucker an die Pilze ab.10 Mit diesen Pionierpflanzen besiedelten auch die Vorfahren der Kerbtiere – riesige schabenähnliche Käfer, Skorpione, Libellen – die litoralen Niederungen und Sümpfe. Auch unsere genetischen Vorfahren zogen, in der Gestalt primitiver Lurche, mit an Land.


Vor rund 280 Millionen Jahren experimentierten die Devas mit einem neuen Wasserleitsystem (Leitbündeln) und echten Samen. Diese Erneuerungen erlaubten es den windbestäubten Nacktsamern (Gymnospermae) – Ginkgos, Mammutbäume, Zedern und andere Koniferen –, die trockenen Kontinente zu besiedeln und zu begrünen. Diese Nacktsamer gaben auch das Futter für die Riesenechsen ab, die Dinosaurier, die mit ihnen die inneren Erdteile besiedelten.

Die ersten echten Blütenpflanzen erschienen erst in der Kreidezeit, vor knapp 100 Millionen Jahren. Sie besassen, wie die Seerose oder die Magnolie noch heute, viele fleischige Blütenblätter und eine Unzahl von Staub- und Fruchtblättern. Die wichtigste Erneuerung bestand darin, dass es diesen primitiven Blütenpflanzen gelang, sich die Insekten als Gehilfen bei der Befruchtung dienstbar zu machen. Zuerst lockten sie die Käfer mit Aasgerüchen oder mit verschwenderischen Mengen schmackhafter Pollenkörner. Die unbeholfenen, groben Krabbler machten sich über die üppigen Blüten her, frassen und sudelten, brachten aber schliesslich doch, wie erwünscht, den Blütenstaub auf die Narben. Einige Blütenpflanzenarten, wie die Aronstabgewächse, versuchten es mit Zwang. Mit betörenden Düften lockten sie die Insekten in den Kelch und kerkerten sie dort solange ein, bis die Befruchtung erfolgt war. Erst viel später entdeckten geniale Devas, dass es auch ohne Zwang oder Gestank geht. Süssen Nektar, schöne Farben und angenehme Düfte boten sie nun den fortgeschritteneren der Insektenarten, den Bienen und Schmetterlingen, an. Als die ersten echten Blütenpflanzen erschienen, waren unsere Vorfahren noch kleine, den Spitzmäusen ähnliche Insektivoren.

7 Nicht nur der Geist der Pflanze, auch vieles andere, was wir zu kennen glauben, ist nur der Imagination zugänglich. Sogar der eigene Leib entzieht sich in vielen Aspekten den unmittelbaren Sinnen. Sezierungen und Durchleuchtungen geben uns zwar ein genaues Bild von den inneren Organen, trotzdem schmerzt der Körper oft an einer anderen Stelle, als an der, wo sich das erkrankte Organ befindet. Der innere Mikrokosmos ist und bleibt ebenso wie der Makrokosmos ein Mysterium. Man braucht die Hilfe der Imagination, um mit ihm umzugehen. Die Bilder, die sich die verschiedenen Kulturen vom Körper machen, sind ebenso vielfältig wie diejenigen, die sie sich von den Pflanzengeistern machen.

Chinesische Ärzte arbeiten, zum Beispiel, mit unsichtbaren Chi-Energien, die bestimmten Meridianen folgen. Die Doktoren des Mittelalters imaginierten den Körper als einen Kosmos aus Planeten (Organe) und Tierkreiszonen (Körperregionen). Die Inder erklärten das Funktionieren des Leibes mit imaginären Chakren, Kanälen für «Sonnen- und Mondatem» und inneren meteorologischen Zuständen (Kapha = Feuchtigkeit, Vata = Wind, Pitta = Hitze). Die Ägypter sahen den Körper, in Analogie zum Niltal, als eine Art Flusslandschaft mit Kanälen, die saubergehalten werden mussten.

Unsere keltisch-germanischen Vorfahren stellten sich Krankheiten als «saugende Würmer» vor. In jedem Fall wurden die Patienten nicht nur physikalisch (durch invasive Techniken oder durch somatische Einwirkung der Arzneien) behandelt, sondern es wurde vor allem mit Hilfe der Einbildungskraft gearbeitet. Um körperliche Veränderungen herbeizuführen, bedarf es vor allem Veränderungen der Vorstellungen und Einstellungen.

Wie aber steht es mit unserer wissenschaftlich-objektiven Medizin? Werden da auch Imaginationen nutzbar gemacht? Selbstverständlich! Lange bediente man sich des Bildes einer Maschine: der Körper als Verbrennungsmaschine voller Hebel, Pumpen und Schaltungen; das Herz als tickende Uhr; Verdauung und Stoffwechsel als ein chemisches Labor. Heutzutage liefert der Computer das Modell des Leibes. Er ist ein Bio-Computer, der chemische, energetische, genetische und Umwelt-Daten verarbeitet.

8 Die sichtbaren Pflanzengebilde sind die Spuren, welche «übersinnliche» Pflanzenwesen bei ihrem wirbelnden Tanz durch die Materie hinterlassen. Ebenso wie sich die Tierspuren im Schnee je nach Art unterscheiden, so unterscheiden sich die geometrischen Formen der Blüten, die spiraligen Anordnungen der Knospen am Zweig und die gesamte Ausgestaltung der Pflanze von Art zu Art. Die möglichen Blattanordnungen folgen einem eindeutigen mathematischen Gesetz, welches der Renaissance-Gelehrte Fibonacci als eine Reihe von Brüchen wiedergab: 1/2, 1/3, 2/5, 3/8, 5/13, 8/21, 13/34 usw.

Der erste Bruch beschreibt die gegenständlichen Blätter: Man geht halb um den Stengel, um den nächsten Blattansatz zu finden. Die zweite Möglichkeit finden wir bei den Sauergräsern: Bei einer Drittelwindung stösst man auf den nächsten Blattansatz. Bei den Rosengewächsen ist das Verhältnis 2:5 (man muss den Stengel zweimal umrunden, um beim fünften Blatt wieder auf derselben Senkrechten zu sein wie am Ausgangspunkt). Bei den Kreuzblütlern ergibt sich ein Verhältnis von 3:8, bei den Korbblütlern und Rachenblütlern von 5:13. Bei den Nadelhölzern lässt sich eine Schuppenanordnung von 8:21 ausmachen. Nur bei ganz primitiven Pflanzen, wie den fossilen Laubmoosen und Lebermoosen, werden noch höhere Brüche angetroffen.

Die meisten Wissenschaftler glauben, solche Anordnungen seien zufällig und von irgendwelchen äusseren Faktoren unabhängig. Nun ist es aber besonders interessant, dass die Planetenbahnen (von der Erde aus betrachtet) denselben mathematischen Gesetzen folgen. Vom geozentrischen Blickpunkt aus bewegen sie sich in Schleifen um die Sonnenbahn (Ekliptik), ganz so wie die Folge der Blattansätze um den Stengel. Die jeweilige Umlaufbahn eines Planeten lässt sich ohne weiteres mit der Spiralbewegung der jeweiligen Pflanzenfamilie vergleichen. Auf diese Weise ist es möglich, verschiedene Pflanzengattungen verschiedenen Planeten zuzuordnen. Unverhofft stösst man wieder auf die verspotteten «planetarischen Signaturen» der mittelalterlichen Gelehrten.

9 Die Pflanzen, insbesondere die Wälder als Lungen des Erdorganismus, sind noch immer dabei, diese lebenstragende Lufthülle zu erhalten und zu schützen. Sie filtern – wenn auch mit zunehmender Schwierigkeit – unsere giftigen Abgase, Verbrennungsrückstände und Ausdünstungen und binden diese in Form anderer molekularer Verbindungen wieder in den Lebenskreislauf ein. Klimaforscher vermuten, dass die Pflanzen angesichts der sechs Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die jährlich durch die Schornsteine und Auspuffe gejagt werden, zunehmend aktiver werden. Die Verteilung radioaktiver Kohlenstoffisotope, die bei Atombombenversuchen in die Atmosphäre geschleudert wurden, deuten darauf hin, dass die Pflanzen noch mehr Kohlenstoff aufnehmen, als es am Anfang des Jahrhunderts der Fall war. So helfen sie, die drohende Klimakatastrophe (Treibhauseffekt) zu bremsen. («Der Spiegel», 14.9.92)

10 Die symbiotische Verbindung, Pilz/grüne Pflanze, ist bis heute in den Flechten erhalten geblieben. Dieses Doppelwesen besiedelt wie einst die ersten Landpflanzen unwirtliche kahle Felsen.

Pflanzendevas

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