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3.1 Vorbemerkung Anekdote zum Einstieg
ОглавлениеIn einem wissenschaftlichen Symposion entbrannte heftiger Streit, ob Instrumente der Risikoeinschätzung in der Bewährungshilfe entwickelt werden sollten oder nicht. Es wurden alle möglichen Argumente hin und her gewendet. Am Ende zeigte sich, dass die Auseinandersetzung um die Methodenwahl ihre Hauptursache darin hat, dass weder eine Klarheit über den Auftrag und die Zielsetzung noch über das Menschenbild bestand. Es war fast befreiend zu erleben, dass alle Teilnehmenden ›recht‹ hatten, weil sie getreu ihrer (nicht diskutierten) Grundverständnisse von Sozialer Arbeit in der Justiz bestimmte methodische Konsequenzen gezogen haben.
Beginnen wir mit einer Feststellung zur Auftragsklärung in der Sozialen Arbeit:
»Im Prozess der Auftragsklärung geht es darum, sozial die unterschiedlichen Erwartungen und Zielvorstellungen von anwesenden und nicht anwesenden Personen und Organisationen einzubeziehen und zu prüfen, welche Brücken sich zwischen unterschiedlichen Interessen bauen lassen« (Hosemann & Geiling 2013, 152).
Was Hosemann und Geiling über die Grundlage des Beratungsprozesses schreiben, gilt in gleicher Weise auf der konzeptionellen Ebene. Auf die Notwendigkeit von vorliegenden Konzepten als Strukturbedingung für die professionelle Fachlichkeit wurde an anderer Stelle ausführlicher hingewiesen (Klug 2003a). So ist es vor der Entwicklung methodischen Vorgehens unverzichtbar, Auftrag und Ziele klar zu beschreiben. Dies gilt in ganz besonderer Weise für die in der Justiz vorherrschenden Zwangskontexte. Eine Auseinandersetzung der Fachkräfte mit den Bedingungen ihres Arbeitsplatzes, Klarheit über die Ziele des eigenen Arbeitgebers und die damit verbundenen Rahmenbedingungen sind nicht nur unverzichtbar in der Methodenentwicklung, sie sind – dies kann nicht oft genug betont werden – das ›A und O’ der reflexiven Auseinandersetzung mit den Klient*innen in der Justizsozialarbeit (vgl. dazu sehr ausführlich und instruktiv Zobrist & Kähler 2017, 53ff.). Es ist nun mal ein gravierender Unterschied, ob eine Doppelrolle im Sinne von Hilfe und Kontrolle vorliegt (wie beispielsweise in der Bewährungshilfe), oder ob es diese nicht gibt (wie in der Freien Straffälligenhilfe). Im ersten Fall sind Motivationsmethoden ganz oben auf der Skala des zu entwickelnden Methodensets, im zweiten Fall sind Motivationsmethoden sicher nicht verkehrt, aber auch nicht alles entscheidend. Wenn man also nicht in einen methodischen Nihilismus (»Es hilft eh nichts!«) oder in einen entsprechenden Relativismus verfallen will (»Es ist jedem überlassen, was er machen will.«), ist vor der Konzept- und Methodenentwicklung ein genauer Blick auf die Rahmenbedingungen nötig.
Ein weiteres kommt hinzu. Im Bild der Öffentlichkeit wird es immer wichtiger, darzulegen, was die Aufgabe Sozialer Arbeit in einem bestimmten Arbeitsfeld ist. Der Berufsverband der US-amerikanischen Bewährungshilfe (Appa) bringt die Frage der Zielklarheit auf den Punkt:
»In recent years there has been a significant transformation in the forces demanding change in community corrections. […] Together they represent a demand for governmental organizations that can clearly articulate their mission in life, identify the goals they intend to achieve, and define the methods required to produce effective and measurable results. Government organizations, including community corrections, can no longer lay claim to shrinking public resources by simply claiming success; they must be able to demonstrate that they add value to the commonweal in a fashion desired by its citizenry« (Appa 2009, zit. in Klug & Schaitl 2012, 21).