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3.5 Sozialräumliche Ansätze

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Bisweilen wird das Fehlen sozialräumlicher Ansätze in der Justizsozialarbeit zu Recht angeprangert (z. B. Grosser 2018a). Tatsächlich gehört es im Sinne des ökosozialen Ansatzes ( Kap. 2.2.1) zum Auftrag Sozialer Arbeit, nicht nur das Verhalten von straffällig gewordenen Menschen zu fokussieren, sondern auch die sozialräumlichen Verhältnisse entsprechend zu gestalten.

Ohne hier bereits die ökologischen Kriminalitätstheorien vorwegnehmen zu wollen ( Kap. 4.3), sei an dieser Stelle schon ein kleiner Vorgriff gewagt. In dem weit verbreiteten Werk »Kriminologie« widmet sich Schwind in einem Kapitel Korrelationen zwischen »Wohnumwelt und Kriminalität«. Er thematisiert darin u. a. Themen der Kriminalgeografie, z. B. die Zusammenhänge zwischen Raumstruktur und Kriminalität oder auch zwischen Wohnhausarchitektur und Kriminalität. Er sieht in diesen Phänomenen zwar keine direkten kausalen Beziehungen, wohl aber in der Kumulation von Benachteiligungen, Abbau von sozialer Kontrolle und strukturellen Defiziten (z. B. Hilfemöglichkeiten) Faktoren, die in komplexen Wechselwirkungen zu einer ungünstigen Sozialstruktur führen (z. B. hohe Arbeitslosigkeit in Quartieren mit überdurchschnittlich hoher Kriminalitätsbelastung) und dadurch Kriminalität durchaus begünstigen können. Aus seiner Sicht ist eine kommunale Kriminalprävention – im Sinne einer sozialräumlichen Umgestaltung – durchaus als (neue) gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzusehen (Schwind 2010). Schwind knüpft damit an ältere kriminologische Annahmen an, die unter dem Titel »Defensible Space« (z. B. von Oscar Newman) schon in den 1970er Jahren veröffentlicht wurden und in denen beklagt wird, dass moderne Bauten lebensfeindlich seien und die Bewohner*innen dazu verleiten würden, diese zu zerstören (vgl. Schwind 2010, 328). Ebenso scheint die These der Chicagoer Schule durch, die schon in den 1930er Jahren kriminalitätsfördernde Strukturen in der Wohnumgebung an fehlender informeller Sozialkontrolle festgemacht hat (Oberwittler 2013, 47). Der ebenfalls klassische »Broken-Windows«-Ansatz, der aufzeigt, wie das alltägliche Erleben von Vermüllung und zerbrochenen Fensterscheiben zu einer allmählichen Resignation, abnehmender Sozialkontrolle und in der Folge steigender Kriminalität im öffentlichen Raum führen (Wilson & Kelling 1982), ist ebenfalls ein Beleg dafür, dass der umfassende sozialarbeiterische Ansatz einer Lebens- bzw. Sozialraumgestaltung zukunftsfähig ist. Wenn es also zum Proprium Sozialer Arbeit gehört, auch Verhältnisse zu verändern, dann gehört die sozialräumliche Komponente mit dem Ziel einer Reduktion von Kriminalitätsfurcht und urbaner Ordnung zweifellos zu ihrem Auftrag.

Soziale Arbeit in der Justiz

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