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Kriminalprävention
ОглавлениеDie Vorbeugung künftiger Straftaten findet sich in den sogenannten Straftheorien wieder. Hierbei kann zunächst zwischen absoluten Straftheorien (vergangenheitsorientiert, Strafe als Schuldausgleich zum Zweck der Vergeltung, Sühne) und relativen Straftheorien (zukunftsorientiert, Strafe dient dem Zweck, eine Wiederholung der Straftat zu verhindern) differenziert werden. Die relativen Straftheorien können dabei als Präventionstheorien verstanden werden und lassen sich in Individual- bzw. Spezialprävention (Einwirken auf verurteilte Person) und Generalprävention (Einwirken auf Allgemeinheit) unterteilen (Kawamura-Reindl & Schneider 2015, 43ff.).
Bewährungshilfe wird also als spezialpräventive Maßnahme verstanden. An anderer Stelle wird noch einmal deutlich auf die Kontroll- und Überwachungsfunktion abgehoben:
»Erst diese Überwachung ermöglicht es dem Gericht zu beurteilen, ob der Verurteilte die in ihn gesetzte, die Strafaussetzung rechtfertigende Erwartung erfüllt, dass er künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Der Bewährungshilfe kommt damit bei der Durchführung der Maßnahme eine Doppelrolle zu: Sie ist einerseits Hilfe für den Verurteilten und übernimmt die Aufgabe der sozialarbeiterischen Betreuung, und sie ist andererseits Hilfe für das Gericht und überstützt das Gericht bei der Überwachung und Kontrolle« (Meier 2019, 129).
Best bezeichnet die Justizsozialarbeiter*innen als »Helfer des Gerichts« und betont, dass durch die Bestellung durch das Gericht die Bewährungshilfe im weiteren Sinne abgeleitete Staatsgewalt sei (Best 1984, 67). An anderer Stelle wurde schon auf die gemeinsamen europäischen Bewährungshilfegrundsätze hingewiesen, aus denen ebenfalls als das eindeutige Ziel der Straffälligenhilfe die Verhinderung von Rückfällen und damit der Opferschutz hervorgeht (Morgenstern 2012). Dieses gilt in ähnlicher Weise auch für andere Bereiche der Straffälligenhilfe in staatlicher Hand.
Wenn demnach im Bereich der Kontrollfunktion der Auftrag der Rückfallprävention feststeht, stellt sich die Frage, wie dieser durchzuführen ist. Relativ einfach wird einleuchten, dass dieser Auftrag mit Hilfeangeboten alleine nicht zu erreichen sein wird, denn dagegen spricht schon der Zwangskontext, den der Gesetzgeber als nicht verhandelbare Rahmenbedingung der Justizsozialarbeit aufgegeben hat. Aus diesem Konstrukt geht hervor, dass der Auftraggeber selbst davon überzeugt ist, dass das Hilfeangebot auch abgelehnt werden kann und dass für diejenigen, die es ablehnen, noch andere Maßnahmen erfolgen sollten. Wie wir im Laufe unserer Betrachtungen noch sehen werden, sind aber einige Personengruppen (z. B. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen oder Abhängigkeitserkrankungen) häufig zu Beginn einer spezialpräventiven Maßnahme nicht in der Lage, das begangene Unrecht als von ihnen zu verantwortendes einzuordnen. Sie brauchen dazu unterstützende Maßnahmen in Form von deliktorientierten Analysen und Motivationsarbeit.
Ein weiteres Argument spricht gegen eine reine Angebotsorientierung im Sinne eines ›einfachen‹ Hilfemandats: Es ist keineswegs so, dass mit einer äußerlich stabilisierten Lebenslage (z. B. Arbeit und Wohnung) automatisch das Rückfallrisiko sinkt. Dagegen spricht die Empirie, die beispielsweise Haas und Killias (2001) vorgelegt haben. Sie untersuchten die Lebenslage von Vergewaltigern. Ihr verblüffendes Ergebnis: Trotz ihrer schweren Devianz sind viele Vergewaltiger nach äußeren Maßstäben sozial integriert.
• 70 % haben eine feste Arbeitsstelle.
• 67 % haben eine Berufslehre oder eine höhere Ausbildung abgeschlossen.
• 60 % haben schon einmal eine feste Freundin gehabt.
• 40 % sind Mitglied in einem Verein.
Ihr Fazit: Wir »müssen davon ausgehen, dass es eine große Gruppe von Vergewaltigern gibt, welchen es gelingt, sich äußerlich anzupassen« (Haas & Killias 2001, 214).
Wenn man also die Rückfallgefahr allein an diesen äußeren Gegebenheiten festmachen würde, könnte man mögliche Rückfallgefahren nicht erkennen und – was für den oben genannten Auftrag fatal wäre – man würde nicht daran arbeiten. Wer das »doppelte Mandat« also ernst nimmt, kann bei aller Notwendigkeit und Unverzichtbarkeit des Hilfeauftrages nicht darüber hinwegsehen, dass mit Hilfe und Stabilisierung von Lebenslagen alleine in vielen Fällen noch kein ausreichender Beitrag zur Rückfallprävention geleistet wird. Oder noch genauer: Man wird nicht umhinkommen, genau hinzusehen, wo in jedem einzelnen Fall die rückfallrelevanten Faktoren zu suchen sind.