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10 Ghostfishing
ОглавлениеUnabhängig voneinander hatten Pörschke und Haverkamp die gleiche Idee. Es lag auf der Hand, die Unschlüssigkeit der Polizei auszunutzen und selber tätig zu werden. Ein Abpumpen der Teiche hätte katastrophale Folgen für Fauna und Flora gehabt. Die pensionierten Senioren der beiden Vereine trafen sich in der Nacht zu Dienstag an ihren Teichen. Auch für die nächste Nacht war eine solche Aktion geplant. Dort wurde dann bis in die Morgenstunden nach Karpfen gefischt. Man wollte Fey Amber vor vollendete Tatsachen stellen. Der Entschluss fiel nicht vom Himmel, es hatte eine heiße Debatte gegeben. Bei den Halternern sorgte Michalzek mit einer passionierten Rede über Ehre und Vereinstreue für den Durchbruch. Haverkamp hatte zwar die Idee gehabt, aber Michalzek heimste den Applaus ein. In Dülmen musste Mani Kempinski eine Schlappe vor versammelter Mannschaft hinnehmen. Er hatte sich für den Gehorsam gegenüber der Polizei ausgesprochen und wurde wegen seiner arschkriecherischen Haltung von Pörschke niedergemacht. Der plötzliche Patriotismus in beiden Vereinen kam aber auch daher, dass man sich brüstete, in einem Mordfall Indizien mit dem Angelhaken ans Tageslicht befördert zu haben. Jeder stachelte den anderen an und alle waren sich einig, dass sie lediglich der Gerechtigkeit ein wenig unter die Arme griffen. Mani Kempinski wurde zum Ketzer gestempelt und unter der Hand als Memme bezeichnet. Er sah sich an den Rand gedrängt und kündigte an, Pörschke unter vier Augen zur Rede stellen zu wollen.
Am frühen Dienstagmorgen erhielt Fey Amber zunächst einen Anruf von Pörschke, der die ganze Nacht hindurch seine Köder gebadet hatte. Seine Stimme brodelte, denn er war Kettenraucher und seine Bronchien nahmen ihm übel, dass er nicht geschlafen hatte. Pörschke triumphierte.
„Hier wartet eine Überraschung auf Sie. Heute und gestern wurden 67 Karpfen von uns gefangen. Nur zwei davon trugen eine Markierung: ein Ohrring und ein Fingerring. Sind wohl doch nicht so viele Beweisstücke in unserem Gewässer unterwegs. Vielleicht hilft Ihnen der Ring weiter, darin befindet sich eine Gravur.“
Fey wollte aufbrausen, sah aber sofort ein, dass es im Nachhinein keinen Sinn machte, mit rechtlichen Schritten gegen das eigenmächtige Verhalten der Männer vorzugehen. Sie würden es Zivilcourage nennen und von der Bevölkerung bewundert werden. Feys Chef Carstensen war in Sachen Öffentlichkeit ein Duckmäuser, posierte gern als erfolgreicher Dezernatsleiter vor der Kamera. In dieser frühen Phase musste sie Kritik an ihren Entscheidungen vermeiden. Es gab immer noch keine ausreichenden Beweise für einen Mord. Sie ließ Pörschke wissen, dass jemand die Beweisstücke abholen werde und das Angelverbot aufgehoben sei. Fey dachte sofort daran, dass die Halterner genauso wie die Dülmener gehandelt haben würden. Sie rief dort beim Angelverein an und verlangte nach Haverkamp. Als fühlte er sich ertappt, versuchte er mit Ausflüchten die Sache zu verharmlosen. Fey fand, dass er übertrieben nervös klang. Sein Wortfluss stockte, als hätte er Luftnot und seine Erklärungen schwankten ins Unsachliche.
„Sagen Sie mir doch einfach, dass Sie gegen die Auflage der Polizei verstoßen haben“, fuhr Fey ihn an. Sie hörte, wie Haverkamp tief durchatmete.
„Wissen Sie, wir wollten nur helfen. Ein paar Freiwillige haben sich geopfert und waren erfolgreich. Es wurde ein Karpfen mit einem schwarzen Nylonband gefangen. Man könnte sagen, ein Trauerflor. Vielleicht möchten Sie ja doch, dass wir weitermachen.“
„Machen Sie, und kein Wort an die Presse! Sollte ich aus der Zeitung erfahren, dass die mehr wissen als ich, ist der Teufel los. Ich schicke eine Streife vorbei. Halten Sie das Nylonband bereit.“
Haverkamps Stimme hatte sich gefestigt.
„Wir stehen geschlossen hinter Ihnen.“
„Das stell ich mir jetzt besser nicht vor“, entglitt es ihr.