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Epilog

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Dubai, Freitag, 6. Oktober, 17.30 Uhr

Der Blick aus der 154. Etage war atemberaubend. Man hatte nicht mehr das Gefühl in einem Hochhaus zu sein, die Perspektive entsprach eher der Sicht aus einem Flugzeug. Hier im obersten und teuersten Stockwerk der nutzbaren Etagen des Burj Khalifa befand sich das exklusive Büro der Unternehmensberatung Falcon Feather Consulting, doch Publikumsverkehr gab es hier keinen. Auch Beschäftigte suchte man vergebens auf den rund sechshundert Quadratmetern edelster Tagungs- und Besprechungsräume.

Die Räumlichkeiten waren luxuriös ausgestattet in einer Kombination aus traditionellen arabischen Teppichen und Accessoires und modernem Designermobiliar. Originalgemälde alter Meister hingen an den Wänden und teure Schmuckstücke zierten Sideboards und Vitrinen. Alles, was hier goldfarben glitzerte, waren nicht etwa vergoldete Antiquitätenkopien oder gar billige Touristensouvenirs, es waren massivgoldene Skulpturen und Schätze aus alter Zeit, reich verziert mit funkelnden Edelsteinen.

Dies alles gehörte keinem Geringeren als dem Emir von Dubai höchstpersönlich, dem gütigen und diplomatischen, aber auch mit harter Hand regierenden Oberhaupt des kleinen und mächtigen Emirats am Persischen Golf. Sein Vater hatte bereits nach dem spektakulären Bau des weltgrößten Gebäudes die oberste Büroetage über Drittfirmen erstanden, um dort anonym geschäftliche Treffen zu arrangieren, weit ab von seinen Amtsräumen im Diwan und den Privaträumen seines Palastes.

Die beiden Männer, die am Fenster über das Lichtermeer Dubais blickten, hatten in diesem Moment aber wenig Sinn für diesen Reichtum oder auch das unvergleichliche Panorama. Sie trafen sich hier in diesen geheimen Räumlichkeiten des Emirs, um wichtige Angelegenheiten zu besprechen. Dinge, die die Geschichte der Familie und des reichen Emirats betrafen, die vergangene sowie zukünftige Geschichte.

„Raschid bin Hamdan, mein geliebter Neffe!“, sprach der Scheich mit ruhiger, großmütiger Stimme und zeigte mit einer majestätischen Geste auf das Lichtermeer in der Dämmerung unter ihnen. „Alles, was du hier erblickst, hat unsere Familie ermöglicht oder sogar selbst erschaffen. Kein Familienbund weltweit hat Ähnliches erreicht wie unsere Vorfahren und wir als jetzige Herrscher.“

„Ich weiß, Onkel, Verehrungswürdigster!“ Raschid beugte sich leicht vor und folgte demütig dem Fingerzeig seines Onkels. Trotz der familiären Nähe zu ihm und der Tatsache, dass der Emir ihn wie einen eigenen Sohn behandelte, fehlte es ihm nicht an Respekt.

„Schon vor dem Ölboom und dem Reichtum, den er nach der Gründung der Vereinigten Arabischen Emirate in unser Land schwemmte, waren unsere Familien trotz verhältnismäßiger Armut privilegiert“, fuhr der Emir fort und legte väterlich den Arm um Raschids Schultern. „Viele Schätze gehörten schon unseren Vätern, als sie noch Stammesfürsten waren und in der Wüste in Zelten lebten. Du kennst die Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden und die die Öffentlichkeit nicht immer kennen muss.“

„Ja, Onkel, Verehrungswürdigster! Ich weiß um den Reichtum unserer Väter und deren Väter. Ich selbst profitiere ja auch davon.“

„Ja, das tust du und das ist auch gut so. Nie soll es unserer Familie an irgendetwas mangeln. Trotzdem bist du ein fleißiger und cleverer Junge, hast dein Studium erfolgreich absolviert und arbeitest im Ministerium deines Vaters. Das Außenministerium ist ein guter Ort, um internationale Erfahrungen in der Diplomatie zu sammeln, besonders für einen so talentierten jungen Mann wie dich.“ Jetzt klopfte der Scheich seinem Neffen auf die Schulter.

„Du beschämst mich mit deinem Lob, Onkel!“

„Nein! Das tue ich nicht! Du hast dir inzwischen einen Namen gemacht und mein Bruder, in seiner Funktion als Minister und ich sind sehr zufrieden mit deiner Arbeit. Du verfügst über viele Talente. Wie viele Sprachen sprichst du?“

„Neben den verschiedenen arabischen Dialekten und englisch noch weitere fünf. Mit chinesisch habe ich aber so meine Schwierigkeiten.“

„Ich glaube“, lachte der Emir laut auf, „mit chinesisch haben sogar die meisten Chinesen ihre Schwierigkeiten. Es heißt, es gibt nur wenige Chinesen, die tatsächlich alle Schriftzeichen beherrschen. Stimmt das?“

„Ich weiß nicht. Aber ich weiß, dass viele nur einen Bruchteil ihrer eigenen Sprache kennen. Ist das nicht traurig?“

„Ja, das ist es!“ Der Emir hob eine Augenbraue und wurde plötzlich ernst. „Ich habe dich aber nicht hier her gebeten, um mit dir deine berufliche Karriere zu besprechen. Die hast du, so glaube ich, ganz gut selbst im Griff. Du erfüllst mich und unsere Familie mit Stolz. Und das ist auch der Grund, warum du hier bist.“

Der junge Emirati schaute seinen Onkel mit fragendem Blick an. Dieser drehte sich zu ihm, ergriff mit beiden Händen seine Schultern und sah ihm tief und eindringlich in die Augen.

„Raschid, ich habe Dringendes mit dir zu besprechen.“ Mit diesen Worten verdunkelte sich der Blick des Scheichs immer mehr. „Eine ursprünglich familiäre Angelegenheit, die aber auch ein internationales Problem darstellen könnte. Und ich brauche deine Hilfe. Du verfügst über die notwendigen Fähigkeiten und ich vertraue dir. Deshalb will ich diese heikle Sache in deine Hände geben.“

Raschid schien nicht wirklich begeistert, offenbar ahnte er bereits, dass es sich um eine riskante und delikate Angelegenheit handelte. „Und du glaubst, dass ich wirklich der Richtige dafür bin, verehrungswürdigster Onkel? Gibt es nicht erfahrenere Männer dafür?“

„Du bist der Einzige, der über die notwendige Kombination aus Loyalität, Sprachkenntnissen und anderen Fähigkeiten verfügt, die du dir nicht zuletzt in der Sondereinheit zur Terrorbekämpfung angeeignet hast. Du hast eine besondere Ausbildung genossen und kennst die verstrickten Wege der Diplomatie. Aber eben auch die Wege daran vorbei. Und du hast das Wichtigste: mein grenzenloses Vertrauen.“

Jetzt erst ließ der Emir die Schultern seines Neffen los. Sein Blick bohrte sich aber noch tiefer in die schwarzen Augen des jungen Mannes. „Ich will und kann dich nicht zwingen, Raschid. Ich bitte dich als mein Vertrauter und Mitglied unserer Familie. Und im Namen aller friedliebenden Völker dieser Erde!“

Raschid wurde bei den letzten Worten richtig mulmig zumute. Wie konnte er, ein kleiner Beamter des Außenministeriums, der gerade mal Mitte Zwanzig war, solch eine international wichtige Aufgabe übernehmen, die zudem noch offenbar mit der Familienehre zu tun hatte? Mitglied der Herrscherfamilie hin oder her, über seine Kenntnisse verfügten Hunderte andere auch, die mit Sicherheit mehr Erfahrung aufzubieten hatten. Aber er wusste, er konnte auf keinen Fall die Bitte seines Onkels ablehnen. Sie war nichts anderes als ein nett verpackter Befehl. Natürlich konnte er ihn nicht zwingen, aber hatte Raschid eine Wahl? Also nickte er vorsichtig und erwiderte den festen Blick des Emirs.

„Setz dich“, sagte dieser und führte Raschid zu dem mit Goldfäden bestickten Sofa. „Ich werde dir bei einem Glas Tee die Einzelheiten erläutern. Ich denke, ich brauche nicht zu erwähnen, dass unser Gespräch hier absolut vertraulich ist. Niemand, selbst unter Anwendung von Folter, darf von dem, was ich dir nun erzähle, jemals Kenntnis erlangen!“

Raschid schluckte bei dem letzten Satz, bestätigte er doch seine Befürchtungen, dass sich der Auftrag als gefährlich erweisen würde. Er setzte sich aber ergeben auf das Sofa und rieb seine feuchten Hände an seiner Kandura. In der Aufregung hatte er ganz vergessen, dass das Recht, sich als erster zu setzen auch hier unter vier Augen allein dem Emir gebührte.

„Wir werden gleich noch einen weiteren Mann hinzubitten, der uns mit neuesten Informationen versorgt“, begann der Emir geheimnisvoll, ungeachtet des Fauxpas‘ Raschids. „Er braucht aber nicht die Vorgeschichte zu hören, die ich dir zunächst erzählen möchte. Vor langer Zeit – ich hatte es eben schon erwähnt – verfügten unsere Väter schon über bescheidenen Reichtum. Nicht unbedingt Bargeld und gefüllte Konten, wohl aber über Gold und Edelsteine aus altem Familienbesitz. Aber, wie das eben nun mal so ist, gibt es auch immer Neider. Kriminelle, die das Eigentum anderer nicht respektieren. Und so sind, trotz der für die verschiedenen Zeitalter höchstmöglichen Sicherheitsmaßnahmen, immer wieder Überfälle verübt, Schätze gestohlen und geraubt worden. Menschen haben für die Vereitelung dieser Verbrechen ihr Leben riskiert und teilweise verloren, häufig wurden auch die Diebe ausfindig gemacht und ihrer gerechten Strafe zugeführt. Heute verfügen wir über Technologien und Möglichkeiten, solche Überfälle zu verhindern oder aufzuklären, in der Vergangenheit war dies leider nicht in diesem Maße möglich. Unterm Strich waren die meisten Verluste durch solche Verbrechen verkraftbar, dennoch ist jeder Angriff auf das Eigentum immer wieder wie ein Dolchstoß in die Magengrube.“

Der Emir machte eine kurze Pause und nahm einen Schluck Tee. Raschid griff auch nach seinem Glas. Er fragte sich immer mehr, worauf dieses Gespräch hinauslief. War etwa jemand in den Palast eingebrochen? War etwas Wertvolles gestohlen worden?

„Die meisten der gestohlenen Schätze“, fuhr der Scheich fort, „tauchen nicht wieder auf. Sie gelangen auf dunklen Wegen zu privaten Sammlern, die dann einmal die Woche einen Tresor aufschließen, um sich heimlich an ihrem teilweise unrechtmäßig angeeigneten Reichtum zu erfreuen.“

Plötzlich hob der Emir den Finger und seine Stimme wurde lauter.

„Nun aber ist tatsächlich eine Spur aufgetaucht, die offenbar zu einem unserer wertvollsten Familienschätze zu führen scheint. Edelsteine, die vor fast hundert Jahren bei einem Raubüberfall erbeutet wurden. Ein uns wohl gesonnener Informant hat sich gemeldet und davon berichtet. Allah sei gepriesen!“

Raschids Neugier verdrängte seine Bedenken und er rückte unbewusst etwas näher zu seinem Onkel heran, näher als es ihm seine Stellung erlaubte.

„Aber woher kannst du wissen“, fragte der junge Araber, „dass es genau diese Steine aus unserem Familienbesitz sind? Nach so vielen Jahren. Sind sie besonders groß oder anderweitig unverwechselbar?“

„In der Tat, Raschid, das sind sie. Nicht groß, auch eher unscheinbar, für einen Laien auch nicht wirklich attraktiv. Es ist mehr die Fähigkeit, die sie besitzen, die sie einzigartig machen.“

Raschids Augen wurden größer.

„Ja“, betonte sein Onkel, dem das aufflackernde Interesse seines Neffen nicht entgangen war. „Diese Steine sind etwas Besonderes. Es heißt, sie haben magische Kräfte, man kann mit ihnen einen Blick in die Vergangenheit werfen.“

„Du willst mir sagen, irgendwelche Legenden unserer Großväter behaupten, diese Steine erlauben einen Blick zurück?“ Raschids Begeisterung war von einem auf den anderen Moment verschwunden. „Entschuldige, Onkel, Verehrungswürdigster. Bei allem Respekt, aber glaubst du diesen Geschichten etwa?“

Der Emir nickte gütig und lächelte.

„Ich habe die Geschichten unserer Väter gehört und keinen Dirham darauf gegeben, glaub mir. Aber andere, intelligente und in unserer Zeit lebende Männer scheinen es zu glauben. Und mehr noch, es scheint jetzt sogar Beweise zu geben. Unser Informant sitzt in einem französischen Gefängnis und hat zufällig von den magischen Steinen gehört. Heimlich hat er einige Gespräche mitgehört und sich an uns gewandt. Wir haben ihm finanzielle Hilfe und die Unterstützung für eine vorzeitige Haftentlassung angeboten und er hat uns konkretere Hinweise geliefert. Der ehemalige französische Geheimdienstchef, sowie ein führendes Mitglied der russischen Mafia wissen offenbar um die Macht der Steine, wo sie sich befinden und wollen sie in Besitz nehmen. Das müssen wir aus zwei Gründen verhindern. Erstens gehören sie unserer Familie und sollten in unseren Besitz zurückkehren. Zweitens dürfen sie auf keinen Fall einer Verbrecherorganisation in die Hände fallen. Stell dir nur vor, was sie damit anrichten könnten, wenn die Legenden wirklich wahr sind. Sie würden eine Macht darstellen, die, bei Allah, nicht missbraucht werden darf.“

„Und was soll jetzt meine Aufgabe dabei sein, verehrungswürdigster Onkel?“ Raschid hatte immer noch Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser unglaublichen Geschichte und die Vorstellung mit der Mafia zu tun haben zu können, behagte ihm gar nicht. „Wenn es darum geht, die Steine zu stehlen, bin ich bestimmt der Falsche. Und wenn die Geschichten wahr sind, werden wir sie auch nicht für einen akzeptablen Preis zurückkaufen können.“

„Ich sehe, du denkst schon weiter und beschäftigst dich bereits mit einer Lösung. Und genau darum sollst auch du dich der Sache annehmen, die Steine in den Besitz unserer Familie zurückzuholen. Koste es, was es wolle. Ich vertraue dir, weil ich glaube, dass du nicht schwach wirst, wie es vielleicht ein anderer werden könnte, wenn er erst einmal die Steine und deren Macht in Händen hält.“

Raschid schloss die Augen, als wollte er sich die Sache noch überlegen. In Wahrheit war die Entscheidung aber längst gefallen. Sein Onkel hatte sie getroffen und nun musste Raschid irgendwie versuchen, diese Aufgabe zu meistern. Als ob das so einfach wäre. Vor seinem geistigen Auge sah er sich bereits in den Händen der russischen Mafia, die bekannterweise nicht gerade zimperlich mit ihren Widersachern umgeht. Vielleicht aber hatte er ja die Chance, die Steine zu finden, bevor es die Russen taten. Er musste nur schnell handeln.

Die Tastentöne des Mobiltelefons seines Onkels rissen ihn aus seinen Gedanken.

„Kommen sie hoch, Achmed“, sprach der Emir in das Handy und rief damit den angekündigten Besucher herbei.

Nur wenige Minuten später klopfte es an der Türe zu den Büroräumen, an der es keine Klingel gab. Seine Hoheit, der Scheich öffnete persönlich seinem Gast die Türe und führte ihn zu dem Raum, in dem Raschid immer noch gedankenverloren auf dem Sofa saß und seine nächsten Schritte überdachte.

„As-salaam alaykum!“, begrüßte der Neuankömmling Raschid, der ihm schon einmal im Ministerium begegnet war, aber nicht wusste, welches Amt er bekleidete.

„Wa-alaykum as-salaam!“ antwortete Raschid und reichte dem Mann die Hand.

Der Emir stellte die beiden Männer gegenseitig vor, wodurch Raschid erfuhr, dass sein Gegenüber ein leitender Mitarbeiter des Geheimdienstes der arabischen Emirate war. Das Staatsoberhaupt setzte sich und gebot seinen beiden Gästen, es ihm gleich zu tun.

„Bitte, Achmed“, forderte er den hoheitlichen Spion auf, „erzählen sie uns, was sie in Erfahrung bringen konnten und ob wir genug wissen, um handeln zu können!“

„Jawohl, eure Hoheit“, begann der kleine rundliche Emirati, der trotz des angenehmen Raumklimas unter seiner Kufiya schwitzte. Sein Blick schweifte unsicher in Richtung Raschid und dann zum Emir zurück, als wollte er sich vergewissern, dass er frei sprechen konnte. Das entspannte Zurücklehnen und ein kurzes Nicken seines Herrschers gab ihm die Sicherheit seinen Bericht zu beginnen.

„Also, unser Informant im Pariser Stadtgefängnis hat zufällig ein paar Gesprächsfetzen bezüglich irgendwelcher arabischer Edelsteine aufgeschnappt und intensiver hingehört. Mit dieser Information wandte er sich über Mittelsmänner an seine saudische Heimat. Er selbst sitzt wegen Mordes ein und erwartet seine Auslieferung. Mit den Informationen wollte er sich wohl bei den Saudis einschmeicheln. Die haben ihn aber abblitzen ließen. Also kam er zu uns, um einen Deal zu vereinbaren. Wir haben die Situation überprüft und kamen – mit Ihrem Einverständnis, eure Hoheit - zu dem Schluss, dass wir ihm unsere Hilfe zusichern, wenn er uns weitere Informationen beschafft. Diese hat er mit der entsprechenden technischen Ausstattung, die wir ihm im Gefängnis zur Verfügung gestellt haben, geliefert. Dafür haben wir auch einen der Wachleute bestochen. Es hat sich inzwischen ein klareres Bild ergeben, wobei die Gespräche zwischen den beiden beteiligten Insassen gut abgeschottet werden. Aufgeflogen ist er aber bislang nicht. Wir hoffen somit auf weitere Details.“

„Wissen wir denn, wo die Steine sind oder wer sie hat?“, unterbrach Raschid ungeduldig den Bericht.

Achmed blickt ihn missmutig an.

„Der Franzose weiß das wohl, hat es aber noch nicht ausgeplaudert, oder unser Mann hat es nicht mitbekommen. Wir wissen nur, dass sie sich wohl in Deutschland in Privatbesitz befinden. Wir glauben aber, dass die Russen sich ebenfalls sofort auf die Suche machen, sobald sie von dem Aufenthalt wissen. Und dies scheint noch nicht geschehen zu sein.“

„Wissen wir das sicher? Und haben wir irgendeine Beschreibung der Steine?“

„Nein. Sie sind aber scheinbar in einer Armbanduhr eingebaut.“

„Na toll!“ Raschid suchte verzweifelt nach einem Anhaltspunkt. Irgendwo musste er doch anfangen können. „Kommen wir denn nicht irgendwie an den Franzosen ran, er kann doch alle Informationen liefern, die wir brauchen?“

„Keine Chance!“ Achmed fühlte sich sichtlich unwohl bei jeder Frage nach wichtigen Informationen, die er liefern müsste, aber nicht konnte und schwitzte immer mehr. Sein Blick wechselte nervös zwischen Raschid und seinem Onkel hin und her. „Selbst seine eigenen Leute, der französische Geheimdienst hatte ihn lange in der Mangel, aber nichts erfahren.“

Raschid schüttelte verständnislos den Kopf. „Vielleicht haben die einfach nicht die richtigen Fragen gestellt, weil sie gar nichts von den Steinen wissen.“

Achmed wandte sich wieder dem Emir zu, der sich ruhig zurückgelehnt hatte und zufrieden den engagierten Fragen seines Neffen folgte.

„Der russische Mafioso“, versuchte sich der kleine Mann zu rechtfertigen, „mit dem sich der Franzose über die Steine austauscht, hat ihn irgendwie in seiner Gewalt. Ich weiß nicht wie, aber er schafft es wohl ihm alle Geheimnisse zu entlocken. Wenn wir etwas erfahren, dann nur über das Abhören dieser Gespräche.“

„Raschid!“, warf jetzt der Emir ungeduldig ein, der sich auch neuere Nachrichten erhofft hatte. „Vielleicht solltest du tatsächlich zunächst nach Paris fliegen und schauen, was du vor Ort erfahren kannst. Kontaktiere doch unseren Freund aus dem Gefängnis und eventuell kannst du ja auch mal dem Franzosen einen Besuch abstatten.“

Dann wandte er sich an den immer mehr transpirierenden Geheimdienstmitarbeiter. „Achmed, wenn sie keine weiteren Informationen mehr für uns haben, danke ich ihnen soweit. Sobald sie Neues erfahren, geben sie uns unverzüglich Bescheid.“

Damit stand er auf, was das Ende des Treffens bedeutete und die beiden anderen Männer erhoben sich ebenfalls. Der Emir gab allerdings seinem Neffen zu verstehen, noch zu warten und geleitete Achmed zur Tür. Mit ernster Miene kam er zurück in den Besprechungsraum.

„Weißt du jetzt, warum ich dich ausgewählt habe!“, fragte er stirnrunzelnd. „Es geht einfach nicht weiter, wir drehen uns im Kreis. Jemand muss vor Ort die Fäden in die Hand nehmen und die Steine zurückbringen. Du nimmst den nächsten Flieger nach Paris und veranlasst alles Nötige.“

„In Ordnung, Onkel, Verehrungswürdigster!“ antwortete Raschid und machte eine leichte Verbeugung. „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun.“

An der Türe umarmte der Scheich seinen Neffen und tätschelte ihm väterlich die Wangen. Dann reichte er ihm noch eine Tasche.

„Hier drin hast du die nötigen Informationen und Adressen von unseren Kontakten in Europa. Außerdem dein Flugticket, etwas Bargeld, eine unlimitierte Kreditkarte und ein Mobiltelefon, das du ausschließlich nutzen solltest. Und natürlich einen falschen Pass, du kannst ja nicht als Mitglied der hoheitlichen Familie reisen. Alles Weitere bekommst du bei deiner Ankunft vor Ort. Ich wünsche dir und uns allen viel Erfolg. Komm wohlbehalten zurück und enttäusche mich nicht. Allah schütze dich!“

Der Emir legte erneut seine herrschaftliche Hand auf die Schulter seines Neffen, als wollte er die symbolische Last, die er Raschid soeben aufgebürdet hatte, nochmals verstärken. Mit der anderen Hand griff er unter seine Kandura und zog ein goldenes Amulett hervor. Es hatte die Form eines Schlangenkopfes und war reich besetzt mit Edelsteinen. Der Emir hing dem jungen Mann das Schmuckstück um den Hals und zeigte auf die verarbeiteten Edelsteine.

Dann sagte er mit tiefer Stimme: „Nimm das als Zeichen meines Vertrauens, es ist von unschätzbarem Wert. Es wird dich zu den Steinen führen, das hier sind die letzten Kristalle aus dem ursprünglichen Schatz.“

„Ich glaube nicht, dass ich die mit mir herumtragen sollte, Onkel. Verstehe mich richtig, aber nie könnte ich mir verzeihen, wenn sie in meiner Obhut zu Schaden kämen.“ Die Möglichkeit eines Verlustes wagte Raschid in diesem Moment erst gar nicht auszusprechen.

„So wie die Sterne jede Nacht zusammen finden, um das immer gleiche Bild an den Nachthimmel zu zaubern, so wie der Falke immer wieder aus der Freiheit zu seinem Herrn zurückkehrt, so findet alles zusammen, was zusammen gehört. Lass dich darauf ein und die Steine werden dich leiten. Nun geh!“

Damit wurde Raschid auf den Flur entlassen und die Türe hinter ihm fiel schwer ins Schloss.

Diese gemütliche Welt in der vertrauten Heimat musste er also verlassen, um hinaus in eine andere zu treten. Eine ihm unbekannte Welt, die mit Risiken und Gefahren auf ihn wartete und in der er nur auf seinen scharfen Verstand angewiesen war. Geleitet von Allah und seltsamen Kristallen, die als Vermögen um seinen Hals hingen.

Raschid hatte die Erwartungen seines Onkels und Emirs zu erfüllen und sie lagen schwerer auf seinen Schultern als alles bisher da gewesene.

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