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Epilog

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Berlin, Sonntag, 8. Oktober, 18.00 Uhr

Die Straßen waren voll mit Besuchern aus aller Welt und Bürgern der Hauptstadt. Wie jedes Jahr war der Andrang groß, alle wollten Berlins Monumente im bunten Licht erstrahlen sehen. Das Wetter spielte mit, es war trocken und nicht zu kalt, die Menschen waren in Feierlaune.

Laetitia und Brian hatten sich für die Bahn entschieden, heute einen Parkplatz zu finden war so gut wie aussichtslos. Aber auch der Zug füllte sich immer mehr, je weiter er sich der Innenstadt näherte. Die Menschen standen eng zusammen.

Eine schwitzende dicke Frau hatte ihren Arm nach oben gestreckt, um sich festzuhalten, genau vor Brians Gesicht. Der sah Laetitia an, rümpfte die Nase und rollte mit den Augen. Seine Frau musste grinsen und drehte sich dezent zur Seite.

Gut, dass sie Mr. Jones zuhause gelassen hatten. Zwar liebte er es seltsamerweise beim Feuerwerk zuzuschauen, aber Menschenmengen, die sich einen Dreck darum kehrten, was zwischen ihren Füßen herumlief, waren eine Tortur für den Hund.

Sie erreichten den Treffpunkt am Osthafen pünktlich, aber von Alex und David war noch nichts zu sehen. Es dämmerte bereits und sie stellten sich gut sichtbar neben die Litfaßsäule und blickten sich um.

„David ist doch sonst immer pünktlich“, wunderte sich Laetitia.

„Aber jetzt“, lachte Brian, „ist eine Frau an seiner Seite, die die Uhrzeiten bestimmt. Vergiss das nicht! Und Frauen brauchen nun mal ihre Zeit, bis sie vorzeigefähig sind. Wer wüsste das besser als du!“

Brian wusste, dass dieses Thema seine Frau auf die Palme brachte und stichelte deshalb umso lieber. Andererseits wusste er auch, dass sie ihn gut genug kannte, um es ihm nicht übel zu nehmen.

„Wer hat denn heute eine Viertelstunde vor dem Spiegel verbracht, bis auch das letzte Haar gestylt war und perfekt lag?“, gab Laetitia zurück. „Wollte sich da nicht jemand besonders zurechtmachen, um einer jungen hübschen Frau zu imponieren?“

„Wie kommst du darauf?“, erwiderte Brian mit Unschuldsmiene. „Ich möchte nur neben meiner schönen Gattin nicht aussehen wie ein Penner.“ Er drückte seiner Frau einen Kuss auf die Stirn.

Laetitia lächelte und blickte an ihrem Mann vorbei. „Da kommen sie ja“, sagte sie und winkte in Richtung des jungen Paares, das sich eng umschlungen näherte.

„Tut mir leid!“, entschuldigte sich David und umarmte seine Eltern. „Wir sind ein bisschen spät dran. Alex hat ein wenig länger gebraucht.“

Die beiden Männer wechselten einen vielsagenden Blick.

„Ist doch nicht schlimm“, intervenierte Laetitia sofort, die das Thema nicht weiter vertiefen wollte.

„Ja, ich bin dran schuld“, erklärte Alex. „Ich musste noch dringend telefonieren, das hat etwas länger gedauert und wir haben die U-Bahn verpasst.“

Auch Alex umarmte Laetitia und Brian, aber irgendwie erschien sie etwas abwesend und nicht ganz so herzlich wie am Vortag. Sorgenfalten zogen sich über ihr hübsches Gesicht und ihr ansteckendes Lächeln, mit dem sie die beiden am Vortag so unbeschwert für sich gewonnen hatte, wirkte heute etwas gequält.

„Also, wo führst du uns hin?“, fragte Laetitia.

„Es ist gleich hier um die Ecke, mit Blick übers Wasser.“

Alex zeigte nach rechts und die drei anderen folgten ihr zu der kleinen, urig ausschauenden Cocktailbar namens „Hahnenschwanz“. Auf dem Schild war hinter dem Namen ein solcher abgebildet und es stand noch einmal Cocktail darunter.

„Origineller Name!“, betonte Brian mit ironischem Unterton. „Ich glaube, selbst ein Deutscher mit guten Englischkenntnissen kommt da nicht drauf, dass das eine Übersetzung ist.“

„Jetzt hab ich’s auch“, gab Laetitia zu. „klingt wirklich ein wenig seltsam im Deutschen. Aber es soll ja auch schmecken und es scheint gemütlich zu sein.“

Sie setzten sich an einen kleinen Tisch am Fenster, auf der Terrasse war es den Damen zu frisch.

„Also, was kannst du uns empfehlen, Alex?“ fragte Brian in bester Laune und rieb sich erwartungsvoll die Hände.

Alex empfahl den Cocktail nach Art des Hauses. Sie berichtete, dass sie schon öfter mit ihrer Freundin hier gewesen sei und so einige Kreationen probiert habe, aber der Haus-Cocktail sei mit Abstand das beste Getränk. Die anderen Drei folgten Alex’ Ratschlag und so bestellte sie viermal den Cocktail mit dem zweideutigen Namen „Special Cock“.

„Ich habe Alex erzählt, dass du Schweizerin bist“, begann David die Unterhaltung nach einem Moment des Schweigens. „Sie liebt die Schweiz!“

„Ja!“, bestätigte die junge Frau etwas abwesend und steckte ihr Mobiltelefon, in das sie gerade vertieft gewesen war, schnell wieder in die Tasche. „Ich fahre fast jedes Jahr zum Skifahren dorthin. Die Schweizer sind so freundlich und weltoffen.“

„Ja, das stimmt, ich bin Schweizerin, aber in Paris geboren. Wir sind ohnehin eine multikulturelle Familie. Brian ist Amerikaner und David Deutsch-Amerikaner.“

„Und wir essen am liebsten chinesisch!“, fügte Brian verschmitzt hinzu. „Und was hast du zu bieten? Vielleicht italienisches Blut?“

„In der Tat habe ich russische Wurzeln“, antwortete Alex zögerlich. „Meine Eltern sind aber schon in Deutschland aufgewachsen und ich bin eine echte Berlinerin.“

„Das lassen wir gerade noch gelten“, lachte Brian und blickte erwartungsvoll die grünhaarige Kellnerin an, die ihr Tablett mit vier kunstvoll dekorierten Gläsern auf den Tisch stellte und dabei die mehrfach beringten Lippen zu einem Lächeln auseinanderzog. Als sie wieder gegangen war, sagte er leise in die Runde: „Schade eigentlich, die könnte auch nett aussehen mit einer normalen Haarfarbe und einem Kilo weniger Metall im Gesicht.“

„Dad, jetzt sei mal ein wenig toleranter“, ermahnte ihn David. „Du hörst dich ja an wie ein alter Spießer.“

„Jetzt sag nicht, dass sie deinem Geschmack entspricht, mein toleranter Sohn. Ich bin jedenfalls froh, dass wir Alex hier am Tisch sitzen haben und nicht so eine bunte Splittergranate.“

Brian spürte plötzlich den Ellbogen seiner Frau in den Rippen und zuckte zusammen.

Laetitia warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und ergriff ihr Glas. „Auf unser junges Paar und einen schönen Abend!“

Alle erhoben die Gläser mit einem dreifarbig abgesetzten Inhalt und stießen an. Das grelle Getränk schmeckte wirklich gut, wobei man allerdings mit Sicherheit schon nach einem einzigen Glas das Auto stehen lassen musste.

David erzählte von seinem neuen Programm, das er für eine Werbeagentur geschrieben hatte und seine Eltern lauschten begeistert seinen euphorischen Detailschilderungen. Alex beteiligte sich wenig an der Unterhaltung und zog immer wieder ihr Handy aus der Tasche, um auf das Display zu blicken. Ihr sorgenvolles Gesicht verriet dabei, dass sie entweder eine unangenehme Nachricht erwartete oder sogar schon bekommen hatte.

„Alles okay?“, fragte Laetitia, der das Verhalten der jungen Frau nicht entgangen war.

Alex blickte sie erschrocken an. „Ja, ja. Alles in Ordnung. Entschuldigung.“ Dann lächelte sie verlegen und steckte das Telefon wieder weg.

„Wir sollten aber auch jetzt los!“, sagte sie dann plötzlich. „Sonst sehen wir nicht mehr so viel vom Lichterfest.“

Sie tranken aus und machten sich auf den Weg zur Innenstadt. Inmitten der anderen staunenden Festbesucher genossen die Vier das bunte Treiben auf den verschiedenen Plätzen und folgten dann der Menschentraube zum Abschlussfeuerwerk.

Laetitia beobachtete an diesem Abend aber nicht nur das Farbenspektakel an den Monumenten und am Himmel, sondern auch Alex‘ anhaltendes und nervöses Betrachten ihres Handys.

Gegen zweiundzwanzig Uhr wurde Alex immer unruhiger und erhielt eine weitere Nachricht auf ihr Telefon.

„Tut mir leid, Leute“, sagte sie versucht beiläufig. „Ich muss jetzt los, muss morgen früh raus. Und heute Abend noch bei Lara vorbei. Zwecks Alibi, ihr wisst schon!“ Sie lächelte künstlich.

„Schade“, betonte Laetitia bewusst deutlich. „Wir wollen doch gerade zum Feuerwerk.“

Auch David sah seine Freundin überrascht und verständnislos an. „Hattest du nicht gesagt, du hast morgen keine Vorlesungen?“

„Ja, stimmt“, gab Alex zu, ihre Stimme klang unsicher, fast ein wenig ängstlich. „Aber ich habe meinem Vater versprochen, ihm im Büro zu helfen. Da muss ich früh hin. Du weißt, David, wie schwer ich morgens aus dem Bett komme.“

„Na, du musst es wissen“, antwortete David enttäuscht. „Ich ruf dich morgen früh an!“

Alex drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, winkte seinen Eltern nur kurz zum Abschied und lief davon.

Brian schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. „Was ist denn mit der heute los? Wenn sie nicht genauso aussähe wie gestern, hätte ich gesagt, es wäre jemand anderes gewesen. Irgendwie seltsam!“

„Wahrscheinlich hat sie Stress zuhause“, suchte David nach einer Begründung. „Das kommt öfter mal vor!“

Laetitia nickte ihrem Stiefsohn verständnisvoll zu, ihr Gefühl sagte aber, dass irgendetwas nicht stimmte. Deuten konnte sie das allerdings noch nicht. Aber auch wenn David nicht ihr leiblicher Sohn und längst erwachsen war, ihr mütterlicher Beschützerinstinkt war geweckt.

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