Читать книгу Tartufo mortale - Wolfgang Zdral - Страница 4
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ОглавлениеEs war von Trüffeln die Rede gewesen, von Rotwein, von Ausflügen in den Wald, von viel frischer Luft und ausgiebigen Mittagspausen. Von Urlaub eben. Zwar hatte ich im Laufe meines Lebens kaum Ferien gehabt, zumindest keine richtigen. Aber ich war guter Dinge, meine kulinarischen Fähigkeiten ausweiten zu können auf hemmungsloses Genießen, eigentlich die ideale Freizeitbeschäftigung. Sich von Lust und Laune durch den Tag treiben zu lassen, nur auf den Magen zu hören, war doch der Inbegriff von Urlaub, oder nicht?
Ich hatte Eleonoras Versprechen geglaubt, ohne groß darüber nachzudenken, denn in diesen Dingen vertraute ich ihr blind. Meistens jedenfalls. Nach Abwechslung hatte es geklungen, raus aus dem Alltag, eine neue Gegend kennen lernen. Auch gegen ein wenig Kultur im Urlaub ist nichts einzuwenden, alte Kirchen besichtigen, Historisches schnuppern, etwas in der Art. Soll die Gehirnzellen anregen. Heißt es.
Und nun das. Ich stand neben Eleonora und blickte hinab in das schwarze Loch hinter der Tür. Eine Steintreppe führte nach unten, verlor sich in der Dunkelheit. Von unten zog ein feuchter Luftzug herauf, als hätte jemand gerade einen Kühlschrank geöffnet. Da sollte ich hinuntersteigen. Wo ich doch Finsternis ungefähr genauso liebe wie Spinat zum Frühstück.
»Mach schon, keine Angst. Ich gehe voran.« Meine Begleiterin schaltete ihre Taschenlampe ein. »Wir sehen uns nur ein wenig um. Vielleicht finden wir da unten etwas zur Geschichte dieses Gemäuers.«
Vielleicht. Vielleicht auch nicht. So genau wollte ich das im Moment gar nicht wissen. Mir war die Sonne hier im Klostergarten viel lieber, die Verlockung der duftenden Rosen, die Würze von Thymian und Rosmarin. Aber Eleonora war vom Forscherehrgeiz gepackt. Ohne sich nach mir umzusehen, ging sie die Treppe hinunter. Unerhört. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr hinterherzumarschieren und darauf zu achten, den Lichtkegel nicht aus den Augen zu verlieren. Denn solch ein Urlaubsfreund war ich nun auch wieder nicht, dass ich der Erholung wegen in Kauf nahm, als Feigling dazustehen. Einen Angsthasen konnte man mich nun wirklich nicht nennen.
Die Kanten der Stufen waren stellenweise abgeschlagen, weißer Schimmelpelz kleidete die Wände, Staub und Schutt ließen das Treppenhaus wie den Zugang zu einer vergessenen Baustelle wirken. Dem Fäulnisgeruch nach zu urteilen waren diese Gemäuer seit langer Zeit von niemandem mehr betreten worden. Die Treppe lief in einen rechteckigen Raum aus, der von Säulen und Kreuzgewölben seine Struktur erhielt. Der Strahl der Taschenlampe erfasste die Reste einer Truhe, deren Einzelteile schon längst den Kampf gegen die Feuchtigkeit verloren hatten und nun am Boden dem Ende entgegenmoderten. Die Wände waren einst mit Bildern bemalt gewesen, die Farbreste bildeten nun ein Sprengsel von Flächen, das, unregelmäßig gezackt, mal blass, mal intensiv leuchtend, Formen und Gestalten geisterhaft schimmern ließ. Das Gesicht eines Engels leuchtete auf, überwölbt von blauen Flecken des Himmels, Figuren – wahrscheinlich Heilige – gruppierten sich um etwas, das die Jahrhunderte längst weggewaschen hatten. Fantasiewesen mit Schwanz – wohl Symbole für den Teufel – bleckten ihre Zähne, krallten sich an einem Körper fest, den sie offenbar nach unten in die ewige Verdammnis zerren wollten.
»Renaissancezeit würde ich sagen, 15. Jahrhundert.« Eleonora strich über die Gemäldereste. »Sieht ganz danach aus, als stünden wir in der Krypta einer ehemaligen Kirche. Der Keller ist geblieben, das Gebäude über der Erde wurde dagegen abgerissen und später neu gebaut.«
Ich grunzte zustimmend, in der Hoffnung, einem von Eleonoras gelehrten Vorträgen entgehen zu können. Denn danach war mir im Augenblick überhaupt nicht. Mich beschlich nämlich langsam das Gefühl, dass wir beide hier unten nicht allein waren. Ich glaubte, ein Geräusch aus der Ecke zu hören, ein Kratzen, doch Eleonora schien es nicht zu bemerken. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein. Der Mief, das trübe Licht, der Hall unserer Schritte – all das zerrte ein wenig an meinen Nerven. Nur jetzt nichts anmerken lassen! Doch da war es wieder, das Geräusch. Jetzt viel näher. Selbst meine Freundin horchte auf und hielt den Atem an. Eine Art Quieken, ein Wimmern, kaum hörbar, wie von einem Kind. Sie riss die Taschenlampe herum und leuchtete in die Richtung des Geräusches. Das Licht traf nur eine Säule. Oder bewegte sich etwas dort hinten im Schatten?
»Hallo, ist da jemand?« Eleonoras Stimme zitterte leicht. »Wenn hier jemand ist, dann treten Sie hervor und verstecken sich nicht länger!«
Einige Sekunden blieb es totenstill. Dann wieder das Krabbeln. Kakerlaken? Auf einmal roch ich es: das scharfe Odeur von Ratten. Hier wimmelte es von diesen Viechern. Einer dieser Nager erschien im Lichtkreis der Taschenlampe, sah uns frech an und gab einen hohen Ton von sich, als wollte er uns begrüßen.
»Gott sei Dank, nur Ratten.« Eleonora beruhigte sich. »Du hättest sie verscheuchen sollen, mein Porcellino.«
Jetzt erntete ich auch noch Vorwürfe. Das war die Höhe. Schließlich bin ich, Leonardo, kein Kammerjäger. Sondern ein Schwein. Und zwar mitnichten ein gewöhnliches. Nicht nur weil ein weißer Ring meine Brust schmückt – der Stolz einer Kreuzung aus Wildschwein und Cinta Cinese –, sondern auch, weil mir eine besondere Verantwortung übertragen ist: Ich blicke zurück auf eine nicht gerade unrühmliche Laufbahn als Trüffelschwein im Piemont, dem Mekka der Trüffelsammler, wie sich mittlerweile herumgesprochen haben dürfte. Mit meinem ausgeprägten Geruchssinn und meinem Spürsinn stehe ich ganz in der Tradition unserer Familie, deren Ahnentafel bis in die Steinzeit zurückreicht – ja, ganz richtig, die Steinzeit. Ich bin stolz auf meinen Stammbaum, zu Recht, wie ich finde. Vor allem, wenn ich sehe, wie wenig eigene Historie die Menschen voraussetzen, um mit stolzgeschwellter Brust ein Wappen ans Haus zu nageln und ihre Familie »traditionsreich« zu nennen. Meine Vorfahren haben die Geschichte der Schweinerasse entscheidend mitgeprägt und – mit Verlaub gesagt – auch die der menschlichen Spezies. Es ist mehr als betrüblich, dass den Menschen dieses Bewusstsein um die Verdienste meiner Familie im Laufe der Geschichte verloren gegangen ist. Wer – so frage ich erzürnt – erinnert sich beispielsweise noch an meinen Urgroßvater Basilius, der Luther bei einem Gewitter in einem Stall Obdach bot und ihm dort die Augen öffnete für die Reform des Christentums?
Nun, Gott sei Dank gab es noch einige wenige Menschenexemplare, die um den Wert eines guten Trüffelschweins wussten. Und Eleonora Gobetti gehörte dazu. Sie war meine Padrona, sie war meine Freundin, meine Partnerin. Aufmunternd strich sie mir über den Rücken. »Komm, sehen wir uns weiter um!«
Ich nickte zustimmend, schließlich sollte sie nicht merken, dass mir der Sinn nicht nach düsteren Kellergewölben stand, meine Abenteurerehre stand immerhin auf dem Spiel. Die Verständigung mit der Padrona funktionierte eigentlich ganz gut, wenn man bedachte, dass Menschen die Schweinesprache nicht verstehen. Ein Jammer eigentlich, denn was könnten wir ihnen nicht alles beibringen! Ich mochte gar nicht daran denken, wo die Welt heute stehen würde, befände sie sich in Schweinehand. Immerhin schien Eleonora mein Grunzen und Scharren sowie meine Stupser und Hinweise mit dem Rüssel meist richtig zu deuten und ließ sich von mir führen, verstand die Zusammenhänge, auf die ich sie aufmerksam machen wollte. Zumindest in den überwiegenden Fällen, und das war mehr, als man von den meisten Menschen erwarten konnte.
Ich folgte ihr in einen zweiten Raum und streifte im Gehen ihre Jeans. Sofort reizte ihr Duft meinen Rüssel. Sie roch so gut wie sonst kein menschliches Wesen, eine Offenbarung wunderbarster Aromen. An eine Sau kam sie natürlich nicht heran, jedenfalls nicht an eine von Cleopatras Klasse. Unter Eleonoras Pullover zeichnete sich der schlanke Körper ab, das schwarze Haar fiel glatt auf ihre Schultern. Ihre Haut schimmerte, die schmale Nase und die Lachgrübchen ließen ihr Gesicht frisch und jung erscheinen.
Der Raum, den wir betreten hatten, war kleiner als der erste und quadratisch angelegt. An der Wand lehnten Gartengeräte, mehrere Spaten und Harken, Blecheimer und ein durchfeuchteter Karton mit Kerzenresten.
»Das passt gut«, sagte Eleonora. »Machen wir uns mehr Licht.« Sie verteilte einige Wachsstummel im Raum, holte Streichhölzer aus ihrer Tasche und zündete die Dochte an. Das Flackern der Flammen beleuchtete die Umgebung und warf unsere Schatten gespenstisch verzerrt an die Wand, was gemildert wurde durch den Duft der brennenden Kerzen, der einen Hauch von Weihnachten herbeizauberte. Ein Kreuzgewölbe ruhte auf zwei Pfeilern, der Boden lag unter Staub und Schmutz begraben; unter Jutesäcken, deren Fäule meine Geschmackspapillen beizte, lugte eine zerbrochene Steinfigur hervor. Arme und Kopf fehlten. Die Padrona kniete nieder und untersuchte die Stücke. »Die Figur einer Dame. Mindestens zwei Meter hoch. Der Tracht nach zu urteilen eine Ordensfrau, vielleicht eine Äbtissin.« Sie hob den Teil eines Fußes auf und drehte ihn hin und her. »Scheint in einer Kirche gestanden zu haben. Warum man sie wohl in den Keller gebracht hat, anstatt sie zu restaurieren? Schade drum.« Eleonora versuchte noch ein ganzes Weilchen, die Einzelteile zu rekonstruieren und in die richtige Reihe zu bringen, bis eine Marmortafel an der Wand ihre Aufmerksamkeit erregte.
»Was haben wir denn da?« Sie stand auf und betastete den Stein, als wollte sie allein mit ihren Fingerkuppen die Wörter entziffern.
Ich hatte Verständnis für ihren Eifer und ihre Hartnäckigkeit. Ich selbst war nicht anders, hatte mich erst einmal der schnüfflerische Ehrgeiz gepackt. Doch mir war leider mehr nach Sonne und frischer Luft zumute. Kellerräume lösten Beklemmungen in mir aus, sie drückten mir die Kehle zu und trieben mir Schweiß auf die Stirn. Was gab’s hier schon zu riechen? Verfall, Feuchtigkeit und Tod. Und außerdem war die Krypta eindeutig Eleonoras Baustelle, ich hatte hier nichts verloren, sondern hätte besser daran getan, meinen Bauch von der Sonne wärmen zu lassen.
»Der Inschrift nach zu urteilen das Grab eines Abts.« Eleonora hielt die Taschenlampe hoch. »Gestorben im Alter von 49 Jahren. Anno domini 1312.« Sie fuhr die Kanten des Marmors entlang. »Sieht mehr aus wie eine letzte Ruhestätte als eine Gedenktafel. Was meinst du, Porcellino, ob man dahinter noch einen Sarkophag finden würde?«
Ich legte meinen geballten Widerspruch in mein Grunzen, doch ohne Erfolg – Eleonora kam zu mir herüber und tätschelte meinen Rücken. »Spannend, nicht? Nur noch die andere Seite inspizieren, dann haben wir es geschafft.«
Wir fanden das Gestell eines Sackkarrens, vom Rost zernagt, mehrere Rollen Hanfseil und Bretter, achtlos auf einen Haufen geworfen. Die Wand schmutzig weiß, keine Spur von Malereien oder Marmorplatten. Eleonora schob mit dem Schuh einige Bretter beiseite. »Schau mal an, hier sieht der Boden ganz anders aus.« Sie leuchtete auf die Stelle. Tatsächlich lugte unter dem Holz eine Steinplatte hervor, viel größer als die anderen Pflastersteine im Raum, eher in der Größe eines Tisches. Auch konnte man noch Buchstaben erahnen, die in die Oberfläche geritzt waren. Gemeinsam schoben wir die Bretter zur Seite, bis der blanke Stein vor uns dalag. An einer Seite schmiegte sich ein Bronzering in eine Aussparung am Boden.
»Wahrscheinlich eine Grabplatte.« Eleonora zog an dem Ring. Nichts tat sich. Der Mörtel um die Platte war an mehreren Stellen herausgebrochen, als hätte sich bereits früher jemand daran versucht. Ich merkte, wie das Jagdfieber meiner Partnerin zu einem lodernden Feuer heranwuchs. »Das sieht aus wie ein Grabdeckel. Alt. Sehr alt.« Sie zerrte nochmals an dem Ring. Vergeblich. »Ich will wissen, was da zu finden ist. Sehen wir doch einfach nach.« Sie holte eine Gartenharke und begann, den Mörtel rund um die Steinplatte herauszukratzen. Der Klang der Metallspitze auf dem Stein hallte in den Raum wider. Immer wieder rüttelte Eleonora an dem Ring. Ohne Ergebnis. Auch als die Fugen vollkommen von dem Dichtmaterial befreit waren, ließ sich die Platte nicht einen Zentimeter bewegen.
»Wir brauchen einen Hebel.« Die Padrona sah mich an. »Und du musst mithelfen.« Sie nahm das Seil vom Boden, fädelte das Ende durch den Ring, verknotete es und warf mir den Rest zu. »Das ist deine Aufgabe.« Mit einem Spaten versuchte sie, unter der Platte anzusetzen. Endlich fand sie eine Stelle. »Wir versuchen es gleichzeitig.«
Diensteifrig nahm ich das Seil ins Maul, obwohl der Mörtelstaub meinen Rüssel empfindlich reizte, und stemmte mich mit meinem gesamten Körpergewicht dagegen, das beträchtlich ist. Eleonora war nicht mehr zu bremsen, und je schneller wir einen Blick unter die Grabplatte werfen konnten, desto schneller würde ich das Sonnenlicht wiedersehen.
»Und los!« Eleonora drückte den Schaft des Spatens nach unten, ich zog mit aller Kraft an dem Seil. Doch es war wie verhext, die Steinplatte tat uns nicht den Gefallen, sich zu bewegen.
»Nicht aufgeben, noch mal.« Die Padrona setzte ihr Werkzeug tiefer an. Ich tat einen Atemzug und hängte mich nochmals rein, ein Ochse unterm Joch.
»Der Deckel hebt sich!« Eleonoras Stimme vibrierte vor Begeisterung und Anstrengung. Tatsächlich gelang es uns, den Stein hochzuheben und zur Seite zu schieben. Darunter erwartete uns eine noch schwärzere Finsternis, und mir liefen Schauer den Rücken hinunter. Glücklicherweise war Eleonora beschäftigt genug, um nicht zu merken, wie sich meine Borsten aufstellten. Erst der Strahl der Taschenlampe zeigte uns das Ergebnis: Es war eine in Stein gehauene Grube, etwa einen Meter tief und zwei Meter fünfzig lang. Darin stand ein Sarg. Ein Bleisarg, ungewöhnlich breit, die Oberfläche glatt, lediglich verziert mit einem Kreuz und einer Blumengravur, einer Rose vielleicht.
»Madonna mia!« Eleonora schlug unwillkürlich ein Kreuz. »Tatsächlich ein Grab. Vergessen über die Jahrhunderte. Komm, wir werfen einen Blick hinein, und dann lassen wir dem Toten wieder seine Ruhe, wer immer darin liegen mag. Historisch aufschlussreich ist dieser Fund auf jeden Fall.«
Den Sarg öffnen? Unwillkürlich kamen mir Vampirfilme in den Sinn. Gleich würde sich der Deckel von selbst auftun, und ein Mann im schwarzen Anzug mit Zähnen ganz ähnlich unseren Hauern würde sich aus den Seidenkissen erheben, um uns das Blut auszusaugen. Eine Schweinelegende besagt, dass der aus einem alten Tapir-Geschlecht stammende Vead Taper, von den Menschen fälschlich mit Tepes übersetzt, auf seinen riesigen Ländereien einen verzweifelten Krieg gegen die Menschen geführt habe, indem er sie auf Pfählen habe aufspießen lassen – wie die Menschen es im Übrigen mit Schweinen seit Jahrhunderten tun, um sie barbarischerweise zu braten und aufzufressen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ihm ausgerechnet die türkischen Eroberer in die Klauen gefallen sind, die doch kein Schweinefleisch essen. Wer weiß, welch glückliche Wendung die Geschichte des Abendlandes genommen hätte ...
Eleonora war bereits in die Grube gestiegen und versuchte, den Sargdeckel hochzuheben. Ein Knirschen. Er bewegte sich. Zentimeter für Zentimeter schob die Padrona den oberen Sargteil zur Seite, bis er mit einem Krachen zu Boden fiel. Eine Staubwolke stieg auf, und wir mussten warten, bis die Sicht wieder frei war. Meine Borsten ragten noch immer in die Luft, als müssten sie strammstehen – diesmal allerdings weniger aus Furcht, sondern vielmehr wegen des bizarren Anblicks, der sich uns bot: In dem Sarg lagen zwei Skelette. Der Anordnung der Knochen nach zu urteilen, waren die Köpfe einst einander zugewandt gewesen, die Körper wie in inniger Umarmung gedreht. Der Kleinere der Schädel sah für mich aus wie der einer Frau oder eines Kindes. Die Augenhöhlen starrten aus dem Sarg empor, als wollte uns die Tote wegen unseres Eindringens Vorwürfe machen. Der Eindruck mochte aber auch meiner Fantasie zuzuschreiben sein. Eleonora leuchtete die Gestalt ab. Zwischen den Rippenknochen steckte ein metallenes Kreuz. Eine Grabbeigabe zur Beerdigung? Oder hatte jemand den Schaft gewaltsam in den Körper gerammt? Wie lange mochte das alles her sein?
Als das Licht das zweite Skelett streifte, fuhr ich zusammen. Das Gerippe, der Schädel, die Knochen – ich konnte nicht glauben, was ich sah, und doch war es vollkommen unmissverständlich, was hier vor mir lag. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich blickte zu Eleonora hinüber, die zwischen Überraschung und Furcht zu schwanken schien. Auch sie war von dem Fund überrascht, konnte sich jedoch offensichtlich keinerlei Reim darauf machen. Wie denn auch. Nur Schweine kannten solche Skelette, und dieses Skelett rührte an einem wunden Punkt in meiner Ahnengeschichte. Lucrezia. Kein Zweifel, hier stimmte etwas nicht. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht. Und mir schwante, dass ich meinen Urlaub nicht mit Sonnenbaden verbringen würde.