Читать книгу Gedemütigt Gequält Geschlagen - Die verzweifelte Suche nach meinem inneren Ich - Wolfram Alois Bader - Страница 9
4. Zu meiner Mutter
ОглавлениеMeine Mutter wurde von allen, die sie kannten, d. h. Eltern, Geschwistern und Dorfbewohnen „die wilde Schwarze“ genannt. Die Bezeichnung kam zum einen daher, weil sie wohl schon in der Kindheit und Jugend ein unbezähmbares wildes Wesen hatte und keiner Auseinandersetzung, weder mit den Eltern und Geschwistern, noch mit vermeintlich stärkeren Jungen aus dem Dorf, aus dem Weg ging, zum anderen, weil sie pechschwarze Haare und zigeunerartig braune Haut hatte. Auch ich kenne meine Mutter nur mit zügellosem, sehr emotionalem Wesen und den äußeren Attributen der schwarzen kurzen Haare und der braunen Haut. Sie legte sich Zeit ihres Lebens mit jedem an, der „ihr in die Quere“ kam. Mit meinem späteren Stiefvater focht sie einen 32-jährigen Krieg aus, den ich später noch ausführlich beschreiben werde und in den ich allzu oft als eigentlich Unbeteiligter unschuldig hineingezogen wurde.
Laut meiner Tante Katharina war meine Mutter als junge Frau in einen gewissen Bernrieder verschossen, der aber nichts von ihr wollte. Muss wohl ein kluger Mann gewesen sein. Nachdem dieser ihre Zuneigung nicht erwiderte, schmiss sie sich laut meiner Tante meinem späteren Vater an den Hals und ich kam relativ bald zur Welt.
Ich konnte ihr mein ganzes Leben nichts recht machen. Lob gab es nie, Zärtlichkeiten wie Umarmungen oder mal ein Küsschen – Fehlanzeige. Sie hatte mir gegenüber, aber auch gegenüber dem Leben im Allgemeinen, eine unstillbare Erwartungshaltung. Unzählige Male habe ich von ihr den Spruch gehört „Ich bin maßlos enttäuscht von dir!“ oder „Ich bin maßlos enttäuscht von X!“.
Sie hat bis ins Erwachsenenalter meine Sachen durchstöbert, Briefe, Aufzeichnungen, Einkaufsbelege, nur um die totale Kontrolle über mich zu haben; wie früher bei den Stasis. Einen schönen Gruß an die Selbstbestimmtheit und an die Unantastbarkeit der menschlichen Würde! Wie sollte ich mich denn so je frei entwickeln? Die Antwort lautet: Das hat überhaupt nicht funktioniert und auch heute leide ich oftmals noch sehr darunter, obwohl ich heutzutage von niemandem Ähnliches oder Gleiches wie von meiner Mutter zu befürchten habe.
Hier noch ein Beispiel ihrer ungezügelten Wutausbrüche: Mein Stiefvater hatte eine Sekretärin, die junge Frau Meier. Frau Meier heiratete und bekam einen Sohn. Sie und ihr Mann waren darauf angewiesen, in die Arbeit zu gehen und so ergab es sich irgendwie, dass der Meier-Junge für eine Zeit von 6 bis 8 Wochen gegen Entgelt untertags bei meiner Mutter war. Der arme Kerl, er war gerade mal ein halbes Jahr alt wurde nicht anders behandelt wie ich. Am Morgen, wenn Frau Meier den Jungen brachte, brüllte er wie am Spieß; kein Wunder bei der Behandlung durch meine Mutter. Eines Morgens saß er weinend im Wohnzimmer, als Frau Meier sich verabschiedete. Als sie gegangen war, ging meine Mutter in das Wohnzimmer, versetzte dem weinenden Kind einen Tritt mit dem Fuß, so dass der sich eine Schorfwunde an der Stirn zuzog, weil er mit dem Kopf gegen den Wohnzimmerschrank schlug. Ich war damals ca. 8 oder 9 Jahre alt. In mir stiegen sowohl Wut als auch Angst hoch wegen des miesen Verhaltens meiner Mutter. Zu sagen traute ich mir natürlich nichts. Was hätte das auch für einen Sinn gehabt? Sie hätte mir sicherlich gedroht oder mir auch noch eine runter gehauen. Am Abend, als Frau Meier ihren Sohn wieder abholte, meinte meine Mutter, er habe sich halt beim Spielen am Wohnzimmerschrank gestoßen. Hat man da noch Worte? Ich muss mich ja nicht für die Taten meiner Mutter oder irgendjemand Anderen schämen, aber ist diese Frau nicht einfach nur ein mieses Schwein? Ich meine ja!
Heute wünsche ich mir, dass diese alte, verbitterte, böse und hinterfotzige Hexe tot wäre. Der Grund hierfür ist nicht, dass es mich mit Genugtuung erfüllen würde, sondern weil aus meinem Hinterkopf endgültig eine latent vorhandene objektive oder subjektive Gefahr weg wäre. Dann könnte sie mir endgültig nichts Böses mehr anhaben. Ihr traue ich bis zum letzten Atemzug zu, mich fertig zu machen, wenn sich ihr nur der kleinste Ansatzpunkt bieten würde.