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b) Abgrenzung des wirtschaftlichen Eigentums vom handelsrechtlichen Begriff der wirtschaftlichen Zurechnung

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(1) Der handelsrechtliche Begriff der wirtschaftlichen Zurechnung: Der Kaufmann hat in der Handelsbilanz „seine“ Vermögensgegenstände und „seine“ Schulden zu erfassen (§ 240 Abs. 1, § 242 Abs. 1 HGB). Um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der wirtschaftlichen Lage des Kaufmanns zu vermitteln, darf bei der Entscheidung über die persönliche Zurechnung nicht nur auf zivilrechtliche Kriterien abgestellt werden, vielmehr ist auch der Grundsatz der wirtschaftlichen Zurechnung zu beachten.

Die Auslegung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Zurechnung steht in engem Zusammenhang mit der Definition eines Vermögensgegenstands als selbständig verwertbarer Vermögensvorteil. Die wirtschaftliche Zurechnung zum Vermögen des Kaufmanns ist Teil der selbständigen Verwertbarkeit. Nur Vermögensgegenstände, die – aus wirtschaftlicher Sicht – zum Vermögen des Unternehmens gehören, können einen Beitrag zur Deckung der Schulden leisten.

Da davon ausgegangen werden kann, dass im Regelfall der zivilrechtliche Eigentümer die Verwertungsrechte besitzt, dh den Vermögensgegenstand veräußern oder zur Nutzung überlassen kann, bildet auch in der Handelsbilanz das zivilrechtliche Eigentum den Ausgangspunkt für die persönliche Zurechnung. Eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung ist nur vorzunehmen, wenn der Besitzer wirtschaftlich betrachtet über den Vermögensgegenstand weitgehend unabhängig vom rechtlichen Eigentümer verfügen kann (§ 246 Abs. 1 S. 2 HGB).[1]

Beurteilungsmaßstab für die persönliche Zurechnung bildet die Verteilung der mit einem Vermögensgegenstand verbundenen Chancen und Risiken. Ein Vermögensgegenstand ist dann nicht dem rechtlichen Eigentümer zuzurechnen, wenn einer anderen Person auf Dauer folgende Rechte zustehen:

Verfügungsrecht über Substanz und Ertrag des Gegenstands sowie
Verwertungsrecht, sofern dieses wirtschaftlich von Bedeutung ist.

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(2) Gegenüberstellung der handels- und steuerrechtlichen Kriterien für die persönliche Zurechnung: Sowohl das handelsrechtliche Kriterium der wirtschaftlichen Zurechnung als auch der steuerrechtliche Begriff des wirtschaftlichen Eigentums gehen vom zivilrechtlichen Eigentum aus und treffen die endgültige Entscheidung über die persönliche Zurechnung anhand der tatsächlichen Verhältnisse. Bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse wird jedoch eine andere Blickrichtung gewählt: Während § 39 AO negativ formuliert ist (entscheidend ist, ob der Eigentümer von der Herrschaft über das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausgeschlossen wird), ist handelsrechtlich die positive Machtmöglichkeit entscheidend (geprüft wird, wer über die mit dem Eigentum an einem Vermögensgegenstand üblicherweise verbundenen Vorteile verfügt). Trotz dieses unterschiedlichen Ansatzes führen die beiden Kriterien „wirtschaftliche Zurechnung“ und „wirtschaftliches Eigentum“ weitgehend zum gleichen Ergebnis.[2]

Eine Ausnahme besteht beim unberechtigten bösgläubigen Eigenbesitz:[3] Der Eigenbesitzer betrachtet fremdes Eigentum als ihm gehörig (§ 872 BGB). Er übt die tatsächliche Gewalt über das Wirtschaftsgut aus und schließt den zivilrechtlichen Eigentümer vom Zugriff aus. Der rechtmäßige Eigenbesitzer hat das Recht, den Eigentümer von der Nutzung auszuschließen (zB der Erwerber eines Grundstücks nach Übergang der Nutzen und der Lasten, aber vor Eintragung des Eigentumsübergangs in das Grundbuch). Dem unberechtigten Eigenbesitzer fehlt hingegen ein derartiger Anspruch. Da sowohl dem rechtmäßigen als auch dem unberechtigten Eigenbesitzer Nutzen und Lasten aus dem Wirtschaftsgut zufließen und auch der unberechtigte Eigenbesitzer von Wertsteigerungen und Wertverlusten betroffen ist, wird er als wirtschaftlicher Eigentümer des Wirtschaftsguts angesehen (§ 39 Abs. 2 Nr 1 S. 2 AO). Für die Handelsbilanz ist dagegen eine persönliche Zurechnung zum unberechtigten bösgläubigen Eigenbesitzer aufgrund des Prinzips einer vorsichtigen Vermögensermittlung abzulehnen, da dieser davon auszugehen hat, dass er den Besitz aufgrund seiner fehlenden Berechtigung wieder verliert. Deshalb ist es nicht sicher, ob der Vermögensgegenstand einen Beitrag zur Deckung der Zahlungsverpflichtungen leisten kann.

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(3) Bedeutung der Differenzierung zwischen wirtschaftlichem Eigentum und wirtschaftlicher Zurechnung: Aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips bestimmt sich die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums in der Steuerbilanz nach dem Kriterium der wirtschaftlichen Zurechnung. Die spezielle Gewinnermittlungsvorschrift im Einkommensteuergesetz (§ 5 Abs. 1 S. 1 HS 1 EStG) geht der allgemeinen, für alle Steuerarten geltenden Regelung des wirtschaftlichen Eigentums in § 39 AO vor. Es liegt der Fall 1 des Maßgeblichkeitsprinzips vor.[4]

Dieser rechtlich sehr bedeutsamen Abgrenzung zwischen spezieller Vorschrift (§ 5 Abs. 1 S. 1 HS 1 EStG) und allgemeiner Vorschrift (§ 39 AO) kommt für die persönliche Zurechnung aber nur geringe praktische Bedeutung zu, da die handels- und steuerrechtlichen Kriterien „wirtschaftliche Zurechnung“ und „wirtschaftliches Eigentum“ im Regelfall zum gleichen Ergebnis führen.[5] Der unberechtigte bösgläubige Eigenbesitzer kann als ungewöhnlicher Ausnahmefall vernachlässigt werden. Der konzeptionelle Unterschied beim unberechtigten bösgläubigen Eigenbesitzer beruht auf speziellen steuerlichen Überlegungen (Fall 9: keine Maßgeblichkeit). Einkünfte sind auch dann steuerpflichtig, wenn sie durch rechtswidriges Handeln erzielt werden (§ 40 AO).

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