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Das Wort zum Sonntag

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Glauben heißt nicht wissen - wissen heißt nicht glauben?

Wenn du glaubst, du glaubst nicht, dann glaubst du nur, du glaubst nicht, könnte man in Anlehnung an einen Gassenhauer aus den 70er Jahren sagen. Denn wer von sich sagen kann, er glaube, der hat es leicht, er weiß ja, wo er steht. Wer aber von sich sagt, er glaube nicht, müßte dies erst noch etwas näher präzisieren: glaubt er wirklich an rein gar nichts, oder nur an etwas anderes als jenes Höhere Wesen, das ewige Liebe verspricht?

Womöglich ist dieser erste Typus Ungläubiger ein bekennender Nihilist rational-naturwissenschaftlicher Prägung, der den Kosmos als zufällige Abfolge von Naturgesetzen ansieht, denen er dann und wann den Stempel seines freien Willens aufdrücken darf. Und das nennt er ganz selbstverständlich Wissen, nicht etwa, weil er den mathematischen Gott-ist-tot-Beweis bereits geführt hätte, sondern weil sein Meinungsbildungsprozeß auf einer ihm irgendwann als denknotwendig deklarierten Empirik beruht, die genau besehen allerdings nur einen verschwindend kleinen Teil der Realität mit mehr oder weniger großer Genauigkeit widerspiegelt, wobei es ihn selbstverständlich überhaupt nicht stört, die daraus fließenden Axiome mit schöner Regelmäßigkeit den jeweils neuesten Theorien folgend wieder verändern zu müssen. Denn tatsächlich wissen kann er es natürlich nicht, ob er letztendlich recht hat mit seinen Ansichten zur Wirklichkeit, er glaubt es halt, und fühlt sich somit wenigstens besser als der bloß Glaubende, oder zumindest glaubt er, er fühle sich besser, denn auch dies ist wohl eher subjektiv als objektiv Teil seines Weltbildes.

Der zweite Typus hat sich ebenfalls offiziell eine atheistische Weltanschauung zurecht gelegt, glaubt aber in Wahrheit an vielerlei Dinge, nur ohne sich dessen recht bewußt zu sein, ein Pseudo-Nihilist sozusagen. So kann er z.B. an die Wirkung der eigenen Kraft und Leistung glauben, an die des Geldes, seiner Familie, seiner gesellschaftlichen Position, und diesen Faktoren eine gehörige Portion Macht über sein Schicksal zuschreiben, keine Allmacht vielleicht, aber immerhin genug, um sich auf sie zu verlassen, sich nach ihnen zu richten, sie als höhere Realität anzuerkennen, die ihm besondere Rechte verleiht und das irdische Glück verspricht. Er wird diesem Leitbild hingebungsvoll huldigen, um es herum einen Kultus aufbauen, mit Statussymbolen und Riten, mit wenigen Gleichgesinnten und vielen Ausgegrenzten, ein moderner Baalskult. Er weiß ja, daß es funktioniert, zumindest glaubt er das, denn wie kurzfristig seine Gleichungen Wahrheit besitzen, merkt er erst, wenn sein System urplötzlich zusammenbricht.

Fazit: Glauben besitzen sie alle, Wissen zuvörderst die, die Gewißheit haben. Und die hat man nur im Glauben.

Der Cyber-Mönch

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