Читать книгу Worauf die Affen warten - Krimi - Yasmina Khadra - Страница 6

1.

Оглавление

Der Morgen ist prachtvoll und sich selbst genug, der Nachtigall gleich, die ihr Lied in einer Welt tauber Ohren anstimmt. Ein algerischer Morgen mit einer Dezembersonne, die kalt und funkelnd vom Firmament blitzt wie ein Juwel, unerreichbar für verquere Träume, verfehlte Gebete und die zerrupften Flügel von Ikarus.

Der Himmel ist azurblau, transparent.

Kniffe man nur ein wenig die Augen zusammen, man könnte mit etwas Glück einen Blick auf die Götter in ihrer himmlischen Wohnstatt erhaschen, die sich, den Kopf in homerischem Gelächter in den Nacken geworfen, mit bebendem Schmerbauch über den Tanz der Gestirne und das Gestrampel hienieden amüsieren.

Man glaubt es plätschern zu hören, doch da ist weder Quelle noch Bach weit und breit. In der Stille des Waldes von Bainem erscheint alles leicht, lauter und hell. Und alles ist purer Zauber: der feine Dunst, der aus der Schlucht aufsteigt; die Mücken, die im Lichtkegel wirbeln, von Lichtfunken nicht zu unterscheiden; die Tauperlen im Gras; das Rascheln im Unterholz; die zögerliche Flucht eines Wiesels – am liebsten würde man sich kneifen.

Ein Dichter, den die Muse zu küssen verschmäht, müsste sich nur hierher verirren, um auf der Stelle die Liebe neu zu erfinden.

Ein Vagabund, den es an diesen Hort des Friedens verschlüge, wähnte sich im Gelobten Land. Er würde seine Lumpen am Fuß eines Baumstamms ablegen und sieben Steine rings in die Runde werfen, damit jede Lichtung ihm zur Heimat würde, jede Grotte zum Gedenkort.

In den Zweigen einer Trauerweide hat sich ein seidenes Laken verfangen. Gleichsam auf Halbmast hängt es herab.

Weiter unten, im Schatten eines Felsens, inmitten von Wildblumentuffs, ruht ein junges Mädchen. Nackt von Kopf bis Fuß. Und von feenhafter Anmut, als wäre sie dem Gemälde eines alten Meisters entstiegen. Sie liegt halb auf der Seite, das Gesicht nach Osten gedreht, einen Arm quer über der Brust. Ihre großen, mit Kajal umrahmten Augen sind geöffnet, ihr Blick unter langen Wimpern gefangen, die ihre Wirkung selten verfehlt haben dürften. Fantastisch geschminkt, im Haar funkelnde Pailletten, die Hände bis zu den Handgelenken mit hennaroten Berbermotiven geschmückt, erweckt sie den Eindruck, eine Tragödie habe sie mitten aus einer Hochzeitsfeier herausgerissen. Mit verrenkten Gliedern liegt sie am Ufer eines ausgetrockneten Flusses, taub für das zaghafte Raunen des Dickichts, achtlos gegenüber der Blindschleiche, die soeben unter ihrer Hüfte durchhuscht.

In dieser Traumkulisse, und während die Welt allmählich zum Bewusstsein ihrer eigenen Widersprüche erwacht, hat Dornröschen sich aus dem Märchen gestohlen. Ihren Glauben an den Prinzen verloren. Kein Kuss könnte sie jetzt noch wecken.

Da liegt sie, die schlafende Schöne.

Faszinierend. Und furchteinflößend.

Wie eine heilige Opfergabe ...

Worauf die Affen warten - Krimi

Подняться наверх