Читать книгу I#mNotAWitch - Yuna Stern - Страница 4

Kapitel 2

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Bevor ich mich von der Stelle rühren konnte, erschien der Vampir in einer unglaublichen Geschwindigkeit vor dem Baum, hinter dem ich mich versteckte. Ich japste nach Luft, warf einen Blick auf Phoebe, die sich nur einige Meter weiter hinter einem Rhododendrenbusch hatte in Sicherheit bringen können, und hoffte bloß, dass der Vampir mich nicht bemerkte.

Doch das war nun natürlich unmöglich. Ich hatte geschnauft, geseufzt, vor Angst einen leisen Schrei ausgestoßen, und wenn der Typ mich wirklich nicht gehört hatte, war er vielleicht doch kein Vampir.

Er ging einige Schritte um den Baum herum, sehr langsam, als würde er mich auf die Probe stellen wollen. Er wollte sehen, ob ich flüchten würde. Den Gefallen wollte ich ihm nicht erweisen.

Mein Herz schlug rasend schnell, als er noch einen Schritt in meine Richtung kam.

„Du bist mutig“, flüsterte er.

Beim Klang seiner Stimme zuckte ich zusammen. Nein, verdammt noch mal, ich wollte nicht mutig sein. Ich wollte einfach nur weglaufen.

„Oder glaubst du etwa, dass ich dich nicht hören kann?“ Ich konnte seinen Spott heraushören. Seine Stimme klang rau, so als hätte er in seinem früheren Leben viel zu viel geraucht. „Nein, ich kann dein warmes Blut riechen, deinen tobenden Herzschlag hören, ich kann so viel, das du dir wahrscheinlich gar nicht vorstellen kannst.“

Noch ein Schritt.

Als erstes sah ich seine schwarzen Lederschuhe, die das Feuer auf der Lichtung rötlich flackern ließ. Dann wanderte mein Blick hinauf. Er trug eine dunkle Jeans und darüber eine schwarze Lederjacke, deren Reißverschluss zugezogen war. Im selben Moment schoss mir die alberne Frage in den Kopf, ob Vampire eigentlich froren. Hätte er nicht einfach im T-Shirt oder Unterhemd vor mir stehen können? Warum war er so warm angezogen?

Dann blickte ich in sein Gesicht. Seine Lippen waren zu einem schiefen Grinsen verzogen, seine Nase war schmal, fast schon zu perfekt, so als wäre sie aus einem alten Gemälde entsprungen, und seine Augen leuchteten in einem tiefen Dunkelblau. Seine kurzen, braunen Haare wirkten ein wenig wuschelig, wie bei einem Hund, der zu lange im Wasser gespielt hatte.

Da ich mir ziemlich dumm dabei vorkam, tatlos auf dem Waldboden herumzuhocken, während er mich einem prüfenden Blick unterzog, richtete ich mich schwerfällig auf. Dabei spürte ich einen stechenden Schmerz in meinem Knie und erinnerte mich wieder an die Wunde, die ich mir vorhin beim Stolpern zugefügt hatte. Tja, da hatte der Vampir wohl seinen Mitternachtssnack gefunden.

Der Typ, der etwa im selben Alter wie meine zwanzigjährige Schwester Savannah sein musste – jedenfalls seines Aussehens nach, vielleicht war er in Wirklichkeit ja um die achttausendzweihundert Jahre alt, das konnte ich ihm leider nicht ansehen – wich vor mir zurück, als er die Wunde entdeckte.

„Also deshalb ist der Geruch deines Blutes so penetrant“, sagte er und runzelte die Stirn. „Aber da ist noch etwas.“ Er begann in der Luft zu schnuppern.

Ich konnte mir ein hysterisches Lachen nur knapp verkneifen. Der Kerl hatte ja wirklich etwas von einem Labrador. Gleichzeitig versuchte ich mich zu beherrschen und keinen Blick auf Phoebe zu werfen, die sich mit Sicherheit auch nicht von der Stelle zu rühren wagte. Konnte er auch ihr Blut riechen?

Doch er überraschte mich mit einer anderen Frage: „Was bist du für ein Wesen?“

Spürte er etwa, dass ich eine Hexe war? Roch mein Blut tatsächlich anders, als das Blut anderer, normaler Menschen?

In der Sekunde bekam ich eine Idee. Er wusste, dass ich irgendwie anders war. Jedoch wusste er nicht, dass ich eine Hexe war, die keine Kräfte mehr besaß. Vielleicht konnte ich ihn ja dadurch hinters Licht führen?

„Ach, du hast es also gemerkt, hm?“, raunte ich und begann doch noch hysterisch zu lachen.

Der Vampir kniff misstrauisch die Augen zusammen. Ich konnte nicht umhin, anzuerkennen, dass er wirklich attraktiv war. Aber das ließ mich nicht vergessen, dass seine Freunde gerade das Blut zweier wehrloser Menschen verspeisten.

„Was habe ich gemerkt?“ Er klang plötzlich defensiv, fast schon zaghaft.

Ich hob meinen Kopf, dankte insgeheim dem Wind, der meine roten Haare auf geradezu magische Weise in der Luft flattern ließ, und hauchte: „Ich bin eine Donovan-Hexe. Wenn du mein Blut trinken solltest, wirst du eines grausamen Todes sterben. Und du dachtest, du wärst unsterblich, ha!“

Mit einem Mal wirkte er tatsächlich unsicher. Seine Mundwinkel zuckten kurz, während er meine Worte herunterzuspielen versuchte: „Das kann gar nicht sein. Es gibt keine Hexen. Nur in irgendwelchen Kindermärchen.“

„Ach, und mein Blut strömt keinen intensiven Geruch aus, der jeden anderen Geruch überdeckt? Das ist das Blut einer Donovan-Hexe!“ Ja, ich übertrieb, aber es machte mir plötzlich unheimlichen Spaß. Und langsam bereute ich es doch, dass ich wirklich kraftlos war. Wäre es nicht schön, wenn ich einen Blitz im Himmel heraufbeschwören könnte, der die Vampire in die Flucht schlagen würde? Ganz nebenbei hätte ich auch die armen Menschen retten können, die gerade als Futter für diese überirdischen Monster dienten. So waren es nur leere Worte. Ich konnte die Vampire nicht wirklich verängstigen, doch ich konnte sie verunsichern.

„Aiden, was ist los?“ Neben dem Typen mit den honigbraunen Haaren, der seine Arme verschränkt hatte und mich verwundert musterte, erschien ein weiterer Vampir, der genauso jung aussah.

„Kannst du sie auch riechen?“, fragte Aiden und wies mit seinem Kopf in meine Richtung.

Der andere Vampir, dessen schwarze Locken bis zu seinem Nacken reichten, warf einen überraschten Blick auf mich. „Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was das für ein Geruch ist.“ Dann kam er einige Schritte auf mich zu und lächelte freundlich. „Sag mal, bist du verletzt?“

Verblüfft über seine nette Art wich ich vor ihm zurück. „Ja“, war alles, was ich herausbekam. Mein Mut war plötzlich wieder verflogen.

„Oh, Jack. Willst du etwa ihr hübsches Beinchen wieder gesund pflegen?“, stöhnte Aiden sarkastisch.

Jack warf seinem Freund einen leicht genervten Blick zu. „Kannst du dich vielleicht verziehen? Du machst dem Mädchen hier Angst.“ Warum kümmerte ihn das? Auch ihre Opfer, die bewegungslos auf der Lichtung lagen und weiter von den anderen Vampiren ausgesaugt wurden, hatten Angst gehabt. Oder würden sie die beiden Menschen dort nicht töten, und wieder freilassen?

„Das ist kein unschuldiges Mädchen“, zischte Aiden. „Das ist eine verfluchte Hexe! Du hast doch gerade selbst gesagt, dass du sie schon von Weitem gerochen hast!“

„Eine Hexe?“ Jack runzelte die Stirn und trat dann noch etwas näher auf mich zu. Wenn er seine Hand ausgestreckt hätte, hätte er meine Schulter berühren können. „Stimmt das?“

Ich nickte zaghaft.

„Ja, und sie ist angeblich so mächtig, dass ihr Blut uns umbringen kann!“, warf Aiden spöttisch ein. „Wo ist dein Selbstvertrauen geblieben, kleine Hexe?“ Auch er erschien nur wenige Schritte von mir entfernt.

Bevor er noch weitergehen konnte, streckte Jack seinen Arm aus und versperrte Aiden den Weg. „Lass sie in Frieden.“

„Was? Ich bin hungrig. Nur wenige Schlucke, dann kannst du sie haben.“

„Sie ist eine Hexe. Wenn du sie anfasst, verwandelt sie dich wahrscheinlich in eine Spinne“, warnte Jack seinen Freund. „Das willst du doch nicht.“

„Ach, und was willst du dann von ihr? Hast dich gerade an den beiden Weibern sattgetrunken und klebst nun an der kleinen Hexe. Lass mich doch auch mal. Sie verströmt so einen würzigen, scharfen Geruch. Ich will ihr Blut nur ausprobieren.“

„Nein.“ Jacks Stimme klang so endgültig, dass Aidens Blick sich verfinsterte. „Ich möchte mit ihr sprechen. Interessiert es dich denn nicht, was es für andere übersinnliche Wesen auf der Erde gibt?“

„Also willst du sie kennenlernen.“ Auf Aidens Gesicht bildete sich ein bösartiges Grinsen. „Na dann, viel Spaß kleine Hexe. Der Vampir hat ein Auge auf dich geworfen. Hoffentlich interessiert dich seine herzzerreißende Lebensgeschichte.“

Während ich nur kurz mit den Augen blinzelte, löste er sich in Luft auf, und erschien einige Meter entfernt auf der Lichtung bei den anderen Vampiren, um sich nun ebenfalls über die armen Menschen herzumachen.

„Tut mir leid“, flüsterte Jack und betrachtete mich plötzlich auf eine völlig andere Art und Weise. War das etwa Sanftheit, das dort in seinen dunklen Augen flackerte? „Aiden kann manchmal etwas schroff sein. Er ist in Wirklichkeit nicht so.“

Zum ersten Mal traute ich mich, die Frage zu stellen, die mir auf dem Herzen lag. „Was ist mit den Menschen dort auf der Wiese? Werden sie sterben?“

Erneut erklang ein verstörendes Keuchen auf der Lichtung. Eine der Frauen war aufgewacht. Das musste sich für sie wie ein Albtraum anfühlen, der nicht aufhören wollte.

Jacks Gesicht wirkte mit einem Mal verschlossen. „Nein“, murmelte er. „Sie werden nicht sterben. Doch wir müssen uns schließlich auch irgendwie ernähren. Und wir bringen sie ja nicht um. Jedenfalls tue ich das nicht.“

Und dennoch war es schrecklich.

Er schien die Abneigung in meinem Blick zu sehen, denn er zuckte hilflos mit den Schultern. „Menschen ernähren sich von Tierfleisch. Wir ernähren uns von Menschenblut. Ich erkenne da keinen allzu großen Unterschied.“

Da ich noch nicht wusste, ob ich auch Teil seiner Ernährung werden sollte, wollte ich nicht einfach zustimmen. Außerdem verspürte ich eine tiefe Anteilnahme für diese Frauen, die dort auf so respektlose und brutale Weise als Mahlzeit dienten.

„Wie heißt du?“, fragte er plötzlich.

Sollte ich ihm meinen richtigen Namen verraten? Oder hatte der unverkennbare Geruch meines Blutes mich bereits so sehr verraten, dass er mich sowieso überall aufspüren konnte? Ich nahm mir vor, diesem seltsamen Vampir eine Chance zu geben. „Quinn“, flüsterte ich.

„Quinn“, wiederholte er leise. „Der Name passt zu dir.“ Dann hielt er mir seine Hand hin. „Ich heiße Jack.“

Ich starrte seine Hand dermaßen verängstigt an, dass er sie mit einem belustigten Lächeln wieder zurückzog. „Ich sollte mich nicht wundern, dass du nach der Aktion da vorne solch eine Angst vor mir hast.“ Hm, die Angst hätte ich wahrscheinlich auch, wenn ich die Aktion nicht mitbeobachtet hätte. Doch ich hielt einfach die Klappe und starrte ihn weiterhin stumm an.

„Du bist also eine Hexe? Hast du irgendwelche Kräfte? Oder brauchst du einen Zauberstab, um deine Kräfte anwenden zu können?“

Mit seiner letzten Frage entlockte er mir ein leises Lachen. Ich antwortete wesentlich entspannter: „Nein, nein. Die Kräfte sind ein Teil von mir. Das wäre ja ganz schön armselig, wenn ich andauernd mit einem Stab herumfuchteln müsste.“ Na ja, es war auch ganz schön armselig, dass ich gar keine Kräfte mehr besaß und trotzdem noch wie eine Hexe roch, doch das behielt ich lieber für mich.

„Was hast du hier im Wald gemacht?“

Ich warf einen Blick auf den Korb mit den Kräutern, der noch immer hinter dem Baum stand, als wäre nichts passiert. Dankbar dafür, dass Phoebe ihn nicht mitgenommen, sondern einfach stehen gelassen hatte, wies ich mit meiner Hand auf den Korb. „Ich war Kräuter sammeln.“

Im ersten Moment schien Jack mir nicht zu glauben, doch dann bemerkte er den Korb aus Weide ebenfalls. „Du warst tatsächlich Kräuter sammeln? Und wofür?“

Ich hob abwehrend meine Hände. „Eine Hexe verrät ihre Geheimnisse nicht.“ Insbesondere dann nicht, wenn sie die Kräuterlektüren, die ihr ihre Mutter aufgebrummt hat, nicht gelesen hat. Sonst hätte ich ihm vielleicht eine bessere Ausrede liefern können.

Er begann zu lachen. Dabei erkannte ich, dass auch Vampire Lachfältchen um die Augen herum haben konnten. Das war irgendwie beruhigend, auch wenn ich nicht wirklich erklären konnte, aus welchem Grunde ich dieses Gefühl hatte.

Von dem neuen Vertrauen, das ich zu ihm gefasst hatte, beflügelt, fragte ich plötzlich: „Lässt du mich nun gehen?“

Jack zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Ja, natürlich. Tut mir leid, wenn Aiden dir so viel Angst und Ärger bereitet hat. Ich werde dafür sorgen, dass die anderen dich in Ruhe gehen lassen.“

„Danke.“

„Und zauberst du dich nun nach Hause?“ Er wirkte ernsthaft neugierig.

„Nein.“ Ich lächelte. „Ich bin mit meinem Wagen hier.“ Und mit meiner Schwester, die sich noch immer hinter den Büschen versteckt.

„Dann wünsche ich dir – oder sollte ich besser euch sagen – eine gute Heimfahrt!“ Er nickte in Phoebes Richtung.

„Wie? Dann wusstest du die ganze Zeit…?“ Erstaunt starrte ich ihn an. Er hatte nichts gesagt. Warum?

Er zuckte mit den Achseln, grinste leicht, und spazierte anschließend mit gemächlichen Schritten zurück zu den anderen Vampiren. Ich sah ihm noch eine Weile hinterher, bis Phoebe wieder neben mir auftauchte.

„Ach, du höllische Gans! Das war ja mal aufregend!“ Phoebes Stimme klang vor Nervosität noch höher als sonst. Sie blickte mich fast schon ehrfürchtig an. „Du hattest ja gar keine Angst?!“

„Natürlich hatte ich Angst“, raunte ich. „Komm, lass uns lieber verschwinden, bevor sie wieder auftauchen.“

Sie nickte hektisch, schnappte sich in Windeseile den Korb und nahm meine Hand, damit wir uns auf den entgegengesetzten Weg machten. Als sie ihr Handy aus ihrer Jackentasche herausnahm, um es anzuschalten, fiel die Taschenlampe plötzlich heraus und landete auf der Erde. Ihr Licht flackerte, dann normalisierte es sich. Die Batterien schienen wieder zu funktionieren.

„Meinst du, das waren unsere Kräfte?“, wisperte Phoebe und lachte leise.

„Vielleicht“, lächelte ich, und hob die Lampe vom Boden auf. Vorsichtig entfernten wir uns von der Lichtung und hofften bloß, dass die Vampire sich nicht plötzlich anders entscheiden würden.

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