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Kapitel 3

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Als wir etwa eine Viertelstunde später den khakigrünen Jeep Wrangler unserer Mutter erreichten, waren wir völlig außer Atem. Mit zitternden Händen kramte ich den Schlüssel aus meiner Manteltasche und brauchte mehrere Anläufe, bis ich damit die Tür des Wagens öffnete. Danach packte Phoebe den Korb mit den giftigen Kräutern in den Kofferraum, kam zu mir herüber und nahm mir die Autoschlüssel ab.

„Lass mich fahren, dir geht’s nicht gut.“

Ich nickte, eilte auf die andere Seite des Autos und stieg ein. Dann schaltete ich endlich die Taschenlampe aus. So, das war ein langer und beschwerlicher Weg gewesen.

„Vampire“, murmelte ich ungläubig, als Phoebe auch eingestiegen war.

„Hm?“ Sie drehte sich zu mir um und zog die Augenbrauen hoch, während sie ihren Sicherheitsgurt anlegte. „Was ist los?“

„Seit wann gibt es Vampire? Hast du davon gewusst? Warum hat uns Mutter nie über sie aufgeklärt?“

„Also…“ Sie senkte schuldbewusst den Blick. „Samuel hat mir früher häufig Geschichten über sie erzählt. Ich habe sie ihm natürlich nicht geglaubt, doch irgendwie schien er wirklich viel über sie zu wissen.“

„Samuel?“, fragte ich überrascht. „Aber der spricht doch heutzutage gar nicht mehr mit uns.“

Mit meinem Bruder Samuel hatte ich nur wenig zu tun. Er war ein Einzelgänger, immer stets darauf bedacht, nicht zu viel von sich zu geben. Nur Savannah schien einen guten Umgang mit ihm zu pflegen, doch im Großen und Ganzen benutzte sie ihn meistens, damit er ihr irgendwelche Gefallen erwies. Noch heute Morgen hatte sie ihn herumkommandiert, um die Gästezimmer für die Brandons herzurichten.

„Weißt du, Samuel ist ein total netter Kerl“, erklärte Phoebe. „Auch wenn er vielleicht in letzter Zeit kaum noch etwas mit uns unternimmt, heißt das nicht, dass er sich nicht immer und überall um uns sorgt. Und vor vielen Jahren, als du noch klein warst und noch nicht mal sprechen oder laufen konntest, spielte er immer mit mir, erzählte mir Gruselgeschichten, woraufhin ich solche Angst bekam, dass ich ihn nachts regelmäßig darum bat, unter meinem Bett und in den Schränken nach Monstern, Vampiren oder sogar Hexen zu sehen. Er hat zwar meistens gelacht, doch er hat es getan, obwohl auch er nur wenig älter war als ich. Verstehst du, er schien irgendetwas über diese Welt zu wissen, also dass da noch mehr existiert als Kräuter und alte Hexensprüche.“

„Aber woher wusste er das denn? Warum hat uns Mutter nie etwas davon erzählt? Oder weiß sie es etwa selbst nicht so genau?“

Phoebe zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Doch ich kann dir versichern, dass sie nach unserer heutigen Begegnung mit den Vampiren regelrecht ausflippen wird.“

„Wir müssen ihr davon erzählen, oder?“

„Natürlich! Sonst würden wir uns ja selbst in Gefahr bringen! Sie muss auf alle Fälle wissen, dass da draußen gerade noch mehr vor sich geht, als wir bisher erwartet haben, insbesondere in Anbetracht des nächsten Hexensabbats, du weißt schon.“

„Okay“, nickte ich. „Und außerdem haben wir auch noch die perfekte Ausrede gefunden, weshalb wir uns so sehr verspätet haben. Vampire! Sie wird wirklich durchdrehen.“

Phoebe lachte. „Ja, dann lass uns mal losfahren und sie erschrecken.“

Sie drehte den Zündschlüssel, woraufhin der Motor mit einem lauten Heulen ansprang.

„Auf geht’s“, sagte sie grinsend, und steuerte den Wagen auf die leere Straße.

Wir fuhren eine Weile durch die Dunkelheit, schalteten das Radio ein, lauschten der Musik von Simon & Garfunkel, und wechselten nur wenige Worte miteinander.

Trotz der aufwühlenden Ereignisse vom Abend konnten wir uns langsam entspannen. Wir hatten alles überstanden. Den verschlungenen Weg durch den Wald, das Treffen auf die Blutsauger, und letztendlich auch den Rückweg zum Wagen. Alles war relativ gut verlaufen. Nur ich hatte ein paar Schrammen abbekommen, die ich doch im Hinblick auf die anderen Ereignisse bevorzugte. Besser nur eine Wunde am Knie und wenig Blut verloren, als eine Wunde an der Halsschlagader und leergesaugt.

Gerade als ich diesen Gedanken hatte, schrie Phoebe laut und entsetzt auf, wendete den Wagen mit einem Mal – wobei mein Kopf gegen das Seitenfenster prallte – und ließ ihn gegen einen angrenzenden Zaun rasen, hinter dem sich eine Pferdewiese erstreckte. Dann trat sie mehrmals auf die Bremse, bis der Wagen endlich anhielt.

„Was zur Hölle?“, schrie ich und hielt meinen schmerzenden Kopf fest, während Phoebes Gesicht neben mir leichenblass angelaufen war. „Was ist passiert?“

Phoebe wies mit bebenden Händen auf die Straße, die sie auf so abrupte Weise verlassen hatte. Ich kniff die Augen zusammen, um in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Erst dann fielen auch mir die beiden Gestalten auf, die dort bewegungslos auf dem Boden lagen.

„Da liegen ja zwei Menschen!“, stieß ich entsetzt hervor und wollte gerade meine Tür aufstoßen, um hinzulaufen, als Phoebes Hand mich grob zurückzog.

„Vielleicht ist das eine Falle“, zischte sie. „Die Vampire wollen uns offenbar doch noch töten.“

Ich überlegte kurz. Jack hatte nicht den Anschein gemacht, als würde er mich anlügen. Doch was wusste ich schon? Vielleicht hatte er mich irgendwie manipuliert, sodass ich ihm plötzlich vertraute, obwohl ich gesehen hatte, wie er die beiden Frauen auf gnadenlose Weise gejagt und angegriffen hatte. „Aber wir können sie doch nicht dort liegen lassen?“, flüsterte ich.

Phoebe verzog gequält ihr Gesicht. „Du hast ja recht. Aber ich glaube diesen Blutsaugern einfach nicht. Vielleicht hast du es nicht gemerkt, doch ich habe gesehen, wie der erste Vampir, der mit dir gesprochen hat, immer wieder Blicke zurückgeworfen hat, als er zurück auf der Lichtung war. Und er wirkte nicht gerade erfreut. Er hat es auf dich abgesehen, glaub mir.“

Dann also Aiden. Wieder dachte ich darüber nach, wie er sich in meiner Gegenwart verhalten hatte. Er hatte mehrmals gesagt, dass er von meinem Blut trinken wollte. Vielleicht war nur er uns gefolgt, um uns nun eine Falle zu stellen. Verdammt, was sollten wir bloß tun?

„Du bleibst hier sitzen“, murmelte ich.

Ich hatte meine Entscheidung getroffen. Mein Herz begann lautstark zu schlagen, als ich die Autotür aufstieß.

„Nein, Quinn!“ Phoebes Blick war flehend.

Doch ich schüttelte den Kopf. „Ich kann die Leute dort nicht einfach zurücklassen. Dann wären wir doch nicht besser als die Vampire, oder? Und wenn er uns unbedingt angreifen will, kann er das auch, wenn wir bereits zu Hause sind. Wir haben uns längst in Gefahr gebracht, nun kennen sie uns. Wir haben keine andere Wahl.“

Ich sprang auf die Wiese, schaltete meine Taschenlampe an, und lief mit schnellen Schritten zurück auf die Straße.

Dort lagen sie. Zwei Frauen, vielleicht um die dreißig Jahre alt, blond und brünett, mit blutverschmierter Kleidung und mehreren Bisswunden an ihrem Körper. Der blonden Frau hatte jemand das weiße Top aufgerissen, sodass ihr weißer Büstenhalter zu sehen war. Auch auf ihrem Unterbauch konnte ich wild verteilte Verletzungen erkennen. Beide Frauen waren bewusstlos. Ich konnte sehen, wie sich ihre Brust langsam hob und senkte. Also waren sie nicht tot, stellte ich beruhigt fest. Sie lagen nebeneinander aufgereiht, als hätte jemand sie sorgfältig auf die eiskalte Straße gebettet. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn Phoebe sie nicht rechtzeitig gesehen hätte.

Ich hörte Schritte hinter meinem Rücken. Mein Atem ging schneller. So, nun war es soweit. Ich musste mich verteidigen.

„Quinn?“

Erleichtert nahm ich Phoebes Stimme wahr. Meine Schwester tauchte neben mir auf und legte mir ihre Hand auf die Schulter. Als auch sie das Ausmaß der Gewalt erkannte, mit der die armen Frauen behandelt worden waren, schloss sie entsetzt die Augen und wandte gleichzeitig das Gesicht ab.

„Diese Mistkerle“, wisperte sie.

„Wir müssen die Frauen hier wegschaffen“, sagte ich und beugte mich hinunter, um der blonden Frau unter die Achseln zu greifen. „Kannst du ihre Beine nehmen?“

Phoebe nickte und eilte auf die andere Seite der Frau. Gemeinsam schleppten wir sie zum Wagen und setzten sie auf den Beifahrersitz, da die Tür dort noch weit offen stand. Dann öffnete ich die Tür der hinteren Reihe, während Phoebe zurück zur anderen Frau lief. Ich folgte ihr und half ihr dabei, auch die zweite Frau hochzuheben.

Als wir zurück im Wagen saßen – Phoebe wieder vorne am Steuer und ich hinten neben der bewusstlosen Frau – konnten wir unser Glück kaum fassen.

„Es ist nichts passiert“, wisperte Phoebe fassungslos. „Warum haben sie uns nicht angegriffen?“

„Ich weiß nicht.“ Ich überlegte, was diese Aktion bedeuten konnte. Die Frauen lebten. Jack hatte sein Versprechen – falls man es überhaupt als Versprechen bezeichnen konnte – gehalten. Vielleicht wollte er mir damit beweisen, dass er nicht gelogen hatte? Oder sollten wir den Frauen einfach helfen, weil wir Hexen waren? Vielleicht dachten die Vampire ja, dass wir die Frauen mit ein paar Sprüchen wieder gesund pflegen konnten?

Phoebe startete den Motor und fuhr rückwärts auf die Straße. „Tja, das mit dem Zaun tut mir echt leid. Vielleicht kann ich Samuel ja bitten, ihn morgen früh zu reparieren?“

„Wenn Savannah ihm die Erlaubnis erteilt, wird er das vielleicht sogar tun“, murmelte ich, und warf einen Blick auf die Frau, die neben mir saß. „Hoffentlich wird sie das alles wieder vergessen können. Das muss eine schreckliche Erfahrung gewesen sein.“

Phoebe nickte vorne und trat aufs Gas, damit wir die Frauen noch schneller in Sicherheit bringen konnten.

Unser Reihenhaus stand eingepfercht zwischen drei anderen Häusern, die alle dieselbe zinnrote Farbe besaßen. Als Phoebe den Wagen auf dem Parkplatz vor dem Haus anhielt, lugte ich aus dem Fenster und sah Rauchschwaden aus dem Schornstein emporsteigen.

Die Gäste waren also schon da.

Ich schnappte nach Luft, warf Phoebe einen besorgten Blick zu, und fragte: „Was sollen wir nun mit den Frauen machen?“

„Wir lassen sie erst hier, gehen rein und erklären alles, in Ordnung?“ Phoebe sah ebenfalls zum Haus hinüber. „Dann mach dich mal gefasst, Schwesterherz.“

Ich nickte und stieß die Tür auf. Ein kalter Wind wehte mir entgegen und ließ mich frösteln. Währenddessen schloss Phoebe die Türen des Jeeps ab, steckte die Autoschlüssel ein und betrat den Bürgersteig. Hier war der Nebel noch nicht angekommen. Die Nacht war frisch und klar. Im Schein der Straßenlaternen blickten wir uns ein letztes Mal beklommen an, bevor Phoebe das Eisentor, das zum Vorgarten führte, behutsam aufstieß.

Danach folgte ich ihr über den schmalen Kiesweg bis zur Eingangstreppe, wartete ab, bis sie hinaufgegangen war, und wünschte mir, dass ich wieder zurücklaufen könnte. Im Moment waren mir selbst die Vampire lieber als meine Mutter, die zu Hause sicherlich wutschnaubend auf uns wartete.

„Können wir nicht umkehren?“, flüsterte ich Phoebe zu.

Sie lächelte mich schwach an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich glaube, es ist zu spät.“

Und da hatte sie recht.

Im nächsten Moment schwang die Eingangstür auf und Savannah trat heraus. „Verdammt, wo habt ihr gesteckt? Mutter hat mir fast den Hals umgedreht!“, fauchte sie, und fuhr sich mit ihrer rechten Hand durch die langen lichtblonden Locken, die so aussahen, als hätte Savannah die letzten Stunden nur noch damit verbracht, sich die Haare zu raufen. Ihre Wangen waren rotangelaufen, und ihre Augen blickten uns glasig und funkelnd zugleich an. Hatte sie etwa geweint?

Sogleich wurde sie grob zur Seite geschoben und vor uns stand unsere große, schlanke Mutter, Cate Donovan, die uns kalt musterte. „Wo zur Hölle habt ihr gesteckt?“, wisperte sie langsam und betonte dabei jedes Wort einzeln.

Phoebe senkte reumütig den Blick, woraufhin ich mit einem unsicheren Lächeln erklärte: „Wir sind angegriffen worden. Von Vampiren.“ Das war zwar ein bisschen geflunkert, doch immer noch besser als alles andere.

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