Читать книгу I#mNotAWitch - Yuna Stern - Страница 8
Kapitel 6
ОглавлениеIch schloss schnell das Fenster, bevor ich zur Tür lief und meiner ungeduldigen Mutter öffnete. Sie schritt hocherhobenen Hauptes herein und sah sich misstrauisch im Zimmer um. An ihren Fingernägeln klebte vertrocknetes Blut, daher musste sie die Frauen längst behandelt haben. Außerdem roch sie eindringlich nach Alkohol und Kräutern.
Im nächsten Moment erblickte ich Tyler, der mit hochrotem Kopf ebenfalls im Zimmer auftauchte und sich verlegen umschaute.
Als meine Mutter ihn bemerkte, lächelte sie auf ihre ganz eigene Weise. Sie kniff die Augen zusammen, verzog die Lippen leicht und nickte. Doch ich wusste sofort, dass sie ihn nicht leiden konnte. Dieses Lächeln schenkte sie nur den Leuten, die ihr wirklich zuwider waren und nicht ihrer Aufmerksamkeit bedurften.
„Was ist los, Mutter?“, fragte ich und versuchte die Angst in meinem Blick zu verbergen. Jedoch war ich nicht besonders geschickt darin.
Sie spürte sofort, dass etwas vorgefallen war.
„Tyler ist nach unten gekommen und hat mir berichtet, dass du in diesem Zimmer offenbar Selbstgespräche führst. Nicht wahr, Tyler?“ Sie drehte sich zu ihm um und lächelte wieder auf diese eigenartige Weise, bei der ihr Gesicht wie eine Maske wirkte.
Tyler wich meinem wütenden Blick aus und nickte. „Ich war mir nicht sicher… Ich habe mir nur Sorgen gemacht“, hauchte er. Auch er war sich der unantastbaren Autorität meiner Mutter bewusst.
Dies war ein weiterer Grund, weshalb uns viele Leute in Bethel aus dem Weg gingen. Vielleicht wussten die Menschen nicht, dass Cate Donovan eine Hexe war. Aber in ihrem Unterbewusstsein spürten sie es und fürchteten sich vor ihr und ihren Machenschaften.
„Also, Quinn. Was war hier los?“ Die blassgrünen Augen meiner Mutter funkelten prüfend, während sie mich von Kopf bis Fuß musterte.
„Gar nichts“, sagte ich mit fester Stimme. „Wirklich, ich habe nur ein wenig gelesen.“ Ich wies auf das Buch, das aufgeschlagen auf meinem Nachttisch lag.
„Tyler lügt nicht“, erwiderte meine Mutter. „Ich habe selbst, als ich vor deiner Tür stand, eine weitere Stimme gehört. Eine Jungenstimme.“
„Ach, Mutter!“ Ich seufzte übertrieben laut, damit ihr Verdacht sich nicht bestärkte. „Ich kann doch in diesem Zimmer keinen Jungen verstecken! Sieh dich doch mal um! Meinst du, er steckt unter meinem Bett? Oder in der Kommode? Oder unter dem Schreibtisch? Meinetwegen kannst du das ganze Zimmer auf den Kopf stellen und nach einem Geist suchen, aber du wirst niemanden finden. Und so schnell werde ich ihn wohl auch nicht losgeworden sein.“
Meine Mutter blinzelte mich nachdenklich an, ehe sie mich zur Seite schob und mit großen Schritten auf das Fenster zueilte, um die Straße zu überprüfen.
„Und?“, fragte ich. „Ist er noch da?“
„Lass deine Spielchen, Quinn“, flüsterte sie. „Ich habe den Jungen gehört.“ Sie legte ihre Hand auf das Fenster, betrachtete den Griff und zog ihre Hand wieder zurück. Sie hinterließ einen gespenstischen Abdruck auf der beschlagenen Scheibe.
„Hier riecht es nach Rauch“, stellte sie fest.
„Wie bitte?“
Tyler, der mittlerweile neben mir stand, hüpfte von einem Bein aufs andere. Er wirkte sehr ängstlich und ungeduldig. Selbst schuld, dachte ich. Er hatte schließlich mit diesem ganzen Theater angefangen.
Meine Mutter neigte ihren Kopf, roch kurz an den Gardinen und drehte sich anschließend mit einem eingefrorenen Lächeln zu mir um. „Warum riecht es hier nach Rauch, Quinn? Hast du nicht erzählt, dass die Vampire im Wald ein Feuer entzündet hatten?“
„Vampire?!“, keuchte Tyler mit hoher Stimme.
Ich wies auf die Teelichter, die auf meinem Nachttisch standen und flackerten. „Vielleicht ist das der Geruch des Streichholzes, mit dem ich die Kerzen angezündet habe? Oder vielleicht rieche ich selber nach Feuer? Ich war schließlich auch auf der Lichtung.“
„Das hätte ich vorhin mitbekommen“, entgegnete meine Mutter. „Du hast nur nach Erde und Blut gerochen, nicht mehr. Doch hier stinkt es geradezu nach Rauch. Als hätte dich jemand besucht, der auch auf der Lichtung war. Und der solche besonderen Kräfte besitzt, dass er in Windeseile aus deinem Zimmer verschwinden konnte.“
„Jetzt übertreib mal nicht“, zischte ich. „Was willst du damit behaupten?“
„Was ist denn überhaupt los?“, warf Tyler beklommen ein und sah von meiner Mutter zu mir. „Vampire? Blut? Ich verstehe gar nichts mehr!“
Meine Mutter ignorierte ihn. „Du wurdest gerade von einem Vampir besucht! Mitten in meinem Haus!“ Ihre Stimme hob sich mit jedem einzelnen Wort, bis sie zum Schluss regelrecht schrie.
Tyler torkelte zurück aus dem Zimmer, als hätte sie ihn gerade angegriffen. Makayla Brandon war offenbar nicht halb so schlimm wie meine Mutter. Wahrscheinlich behütete sie ihre Kinder so sehr, dass sie sich bei einem einfachen Streit weinend in eine Ecke zurückzogen. Ich verachtete ihn umso mehr. Immerhin hatte er mich in diese Lage gebracht.
„Natürlich wurde ich von einem Vampir besucht!“, schrie ich sarkastisch zurück – obwohl es ja auch die Wahrheit war. „Ich tue ja nichts anderes! Er hat sogar von meinem Blut getrunken! Jetzt liegt sein Fluch auch auf mir!“ Ich warf hilflos meine Arme in die Luft. „Was soll ich denn tun, damit du mir mal glaubst? Oder glaubst du, dass ich jedem Monster einfach die Tür öffne und ihn hereinbitte? Mal ehrlich, was glaubst du, stimmt nicht mit mir?“
Ihre Augen weiteten sich erschrocken. So hatte ich noch nie mit ihr gesprochen. Daraufhin schüttelte sie langsam den Kopf und flüsterte: „So weit hat er dich also schon gebracht, hm? Dass du dich gegen deine eigene Mutter stellst und ihr ins Gesicht lügst? Dabei will ich dich doch nur beschützen!“
Und nun spielte sie die Beschützerkarte aus. Natürlich. Umgehend spürte ich Schuldgefühle in mir aufsteigen, während ich die Röte aus meinem Gesicht zu vertreiben versuchte. Ich fühlte mich schrecklich. Dennoch wusste ich, dass sie diese Worte absichtlich so gewählt hatte, nur um mich zu verunsichern und zu brechen, damit ich ihr die Wahrheit gestand. Doch so einfach ließ ich heute nicht mit mir spielen.
„Ach Mutter, warum glaubst du mir nicht einfach?“
„Weil ich ihn gehört habe! Und weil ich ihn riechen kann!“, rief sie scharf. „Du willst mir doch nicht ehrlich vormachen, dass hier kein Vampir gewesen ist?“
Gut. Ich hatte es versucht. Ich gab auf. Aber ich würde es ihr dennoch nicht eingestehen. Stattdessen zuckte ich mit den Achseln und ließ mich müde auf meiner Bettkante nieder. Sollte sie doch glauben, was sie wollte. Dass ich eine Affäre mit einem Vampir begonnen und ihre Geheimnisse offenbart hatte. Wenn es sie glücklich machte.
Ich wusste, dass sie dieses kurze Gespräch mit Jack nicht gutheißen würde. Nicht umsonst war sie schon vorhin im Wohnzimmer so ausgeflippt. Da hatte ich ihr noch größtenteils die Wahrheit gesagt. Diesmal würde ich ihr nicht diese Genugtuung verschaffen.
„Was wollte er, Quinn?“, fragte sie leise und legte plötzlich ihre Hand auf meine Schulter. „Erzähl mir von ihm.“
Bei ihrer Berührung zuckte ich zusammen. Jetzt spielte sie also die liebevolle Mutter, die mich verstand und liebte. Sie war eine großartige Schauspielerin. Das musste ich ihr lassen.
„Mutter, da ist wirklich nichts dergleichen passiert. Das bildest du dir alles nur ein.“
Sie zog schlagartig ihre Hand zurück, und sah zu Tyler, der halb im Flur stand und uns fassungslos lauschte. „Tyler, Liebes, könntest du mir vielleicht einen Tee von unten bringen? Ich bin wahnsinnig durstig. Und schließ die Tür bitte hinter dir.“
Tyler rührte sich erst nicht von der Stelle. Sobald meine Mutter ihr maskenhaftes Lächeln aufsetzte, fuhr er zusammen und ging rückwärts hinaus, um dann die Tür hinter sich zuzuknallen. Sie hatte ihm einen ganz schönen Schrecken bereitet. Gut so.
Nach seinem Rückzug schoss die Hand meiner Mutter hervor. Ihre Finger krallten sich in meine Haare und zerrten meinen Kopf zurück, sodass ich zu ihr aufschauen musste. Ihr Gesicht war meinem so nahe, dass ich ihren heißen Pfefferminzatem auf meiner Haut spürte.
„Au!“, raunte ich und versuchte mich loszureißen, doch sie hielt mich verdammt fest. Ich konnte mich kein Stückchen bewegen.
„Schau mich an!“, fauchte sie. „Ich bin deine Mutter! Ich habe dich großgezogen!“ Ihre Augen verengten sich. „Wenn du glaubst, dass du mich hinters Licht führen kannst, dann irrst du dich! Du wirst diesen Vampir kennenlernen und mir alles über ihn berichten! Hast du verstanden? Ich will diese Monster ausrotten und dazu brauche ich alle Informationen, die ich sammeln kann! Und wenn du ihr Liebchen sein willst, dann kannst du es meinetwegen auch sein! Doch nur, wenn auch wir als deine Familie einen Vorteil daraus ziehen können!“
Ich traute meinen Ohren nicht. Was sprach sie da für einen Unsinn? Sie war ja wahnsinnig geworden.
„Lass mich los“, bat ich, doch sie gab nicht so einfach nach.
„Ich habe deine Stimme gehört. Ich habe seine Stimme gehört. Ich habe sogar mitbekommen, dass er dir seine Familie vorstellen will. Ist das nicht reizend? Ein Vampir, der sich in eine Hexe verliebt hat. Du wirst ihn davon überzeugen, dass du ihn auch liebst. Dann wirst du alles über ihn und seine abartigen Freunde in Erfahrung bringen, das für unsere Gemeinschaft von Bedeutung ist. Hast du verstanden?“
Sie meinte es tatsächlich ernst. Ich sollte für sie herumspionieren. Sie wollte die Vampire vernichten. Doch aus welchem Grund? Was brachte ihr das? Einen Sinn? Vielleicht hatte sie als Hexe ihre Kräfte verloren, doch nun konnte sie trotzdem etwas bewirken. Sie konnte etwas gegen überirdische Monster unternehmen. War es das? Ich wusste es nicht. Und ehrlich gesagt wollte ich es auch nicht wissen.
Ehe sie mir die Haare vom Kopf reißen konnte, nickte ich und hauchte: „Ja, Mutter. Ja.“
„Tust du alles, was ich von dir verlange?“
„Ja, ich tue alles, was du von mir verlangst.“
Ein letztes Mal zog sie so kräftig an meinen Haaren, dass mir Tränen in die Augen schossen. Dann ließ sie von mir ab, richtete sich auf und lächelte wieder.
„Schade, dass sie ein Auge auf dich geworfen haben“, murmelte sie plötzlich. „Ich hätte es besser gefunden, wenn du dich in der nächsten Zeit geschont hättest. Schließlich wartet noch etwas Größeres auf dich. Doch an Phoebe fanden sie offenbar keinen Gefallen. Wer würde das schon?“
Ich starrte sie entgeistert an. Was meinte sie damit? Dass ich mich schonen sollte? Wofür?
Mit ihrem nächsten Blick verwirrte sie mich umso mehr. Ihre Augen leuchteten warm, ihre Lippen waren zu einem breiten, ehrlichen Lächeln verzogen. „Du musst aber auf dich aufpassen, Quinn. Ja? Versprich mir das.“
Ihre Stimmungsumschwünge machten mir Angst. Ich nickte zaghaft, dann zuckte ich zusammen, weil ein Klopfen an der Tür ertönte.
„Komm rein, Tyler“, rief meine Mutter und strahlte den fünfzehnjährigen Jungen an, sobald er eintrat.
Als Tyler merkte, dass sich Mutters Anspannung gelöst hatte, wirkte er erleichtert. Mit zitternden Händen reichte er ihr eine Tasse Tee.
„Der ist noch sehr heiß“, warnte er.
„Danke“, sagte Mutter und lächelte. Diesmal war nichts an ihr maskenhaft. Sie wirkte sogar jünger als sonst. Ihre Gesichtszüge wurden weicher und ihre goldblonden Haare umhüllten ihr schmales Gesicht wie ein Schleier.
„Ich gehe dann mal zu den anderen“, sagte sie. „Vielleicht wollt ihr Kinder noch ein wenig unter euch sein.“
Mit gleitenden Schritten ging sie aus meinem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Ganz leise. So, als wäre sie nie da gewesen. Ich schauderte.
„Boah! Was war denn das gerade?“, rief Tyler verblüfft aus. „Also, ich will dir ja nicht zu nahe treten. Doch deine Mutter hat sie nicht mehr alle.“
Ich funkelte ihn zornig an. „Das musst du gerade sagen“, schnaubte ich. „Du hast sie doch gerade in meine Arme gelockt! Jetzt hau ab, ich hasse dich!“
Ich wusste, dass meine Worte hart klangen. Doch in diesem Moment hasste ich ihn wirklich. Er hatte mir das alles eingebrockt. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte meine Mutter nichts von Jack erfahren.
„Aber Quinn…“ Tyler war verunsichert. „Ich wollte doch nur, dass du…“
„Verschwinde!“, brüllte ich, stand von meinem Bett auf und stieß ihn zur Tür. „Du hast dir das Recht verwirkt, mit mir zu reden, in meine Nähe zu kommen, oder mich auch nur anzufassen! Ich hasse dich! Und das werde ich für immer und ewig!“
Er sah mich erstaunt an. Offenbar hatte er nicht mit dieser Reaktion gerechnet. Was hatte er denn erwartet? Dass ich ihm in die Arme fiel, weil er mich bei meiner Mutter verpetzte?
Nachdem ich die Tür zugeschlagen und abgeschlossen hatte, sank ich schluchzend auf dem Boden zusammen. Was sollte ich jetzt bloß tun?