Читать книгу Die Macht des jungen Magiers - Yvonne Tschipke - Страница 3

Prolog

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„Du musst ihn holen. Wir brauchen ihn hier. Ich glaube, seine Zeit ist gekommen.“

Darios flüsterte, selbst hier in seinem eigenen Haus. Nicht ohne Grund. Man konnte nie wissen, wer oder was bei den Gesprächen in den Häusern der Emotaner zuhörte. Nermonas Spione hatten ihre Ohren scheinbar überall. Und man konnte sich in diesen Zeiten nicht sicher sein, wer auf wessen Seite stand. Alle hatten Angst und keiner wollte zugeben oder auch nur glauben, dass er, nur um das eigene Leben und das seiner Familie zu schützen, alle möglichen Kompromisse eingegangen wäre.

„Es wird nicht einfach sein, ihn davon zu überzeugen, dass er kommen muss“, antwortete Oskas, ebenfalls im Flüsterton. „Er weiß nichts von uns.“ Er sah den Mann, der ihm gegenüber saß, mit zweifelnden Blicken an.

Für einen Augenblick schwiegen die beiden Männer. Oskas glaubte, sogar die Holzwürmer in den schweren Möbeln werkeln zu hören.

„Du musst ihn holen, Oskas!“, wiederholte Darios den Auftrag; sein Tonfall allerdings klang nun schon etwas energischer als zuvor. Er hatte es noch nie sehr geschätzt, wenn sein Ziehsohn Anordnungen mit Zweifeln begleitete.

Darios stützte sich mit beiden Händen auf der breiten Tischplatte ab und schob sich mit etwas Schwung von seinem Stuhl hoch.

Er war schon sehr alt und Oskas kam gerade in diesem Augenblick in den Sinn, dass Darios es im Grunde genommen schon gewesen sein musste, als er ihn kennen gelernt hatte. Er selbst war damals vor dreizehn Jahren noch ein Kind – gerade erst zwölf. Oskas war zu dieser Zeit in die große Stadt Emor gekommen, kurz nachdem die Häscher über den Hof seines Vaters hergefallen waren. Darios hatte den hungrigen, zerlumpten Jungen in einer der engen Gassen der Stadt aufgesammelt und ihn in sein Haus mitgenommen. Seit diesem Tag war der alte weise Mann Oskas` Familie.

„Du musst es schaffen – irgendwie. Er ist der Einzige, der Emotan jetzt noch retten kann.“ Mit bedächtigen Schritten, bei denen seine lange schwarze Robe aus Leinenstoff wehte wie ein Vorhang im Wind, ging er hinüber an den Bücherschrank aus dunklem Eichenholz, der sich über die gesamte Wand des Studierzimmers erstreckte. Mit seinen faltigen Händen öffnete er eine der mit bunten Bleiglasornamenten verzierten Türen. Langsam ließ er seine Finger über die dicken Buchrücken aus schwarzem und braunem Leder streifen. Bei manchen umfuhr er gedankenverloren die goldenen verschnörkelten Buchstaben. Darios seufzte leise, doch dann zog er - ganz plötzlich - ein Buch zwischen den anderen heraus. Es war, als hätte er schon lange auf den Augenblick gewartet, genau dieses eine aus dem Regal nehmen zu können. Die zurück gebliebenen Bücher fielen gegeneinander und verschlossen die zwischen ihnen entstandene Lücke - fast ein wenig beleidigt, weil der alte Mann nicht sie ausgewählt hatte.

Darios schritt zurück an den Tisch, wo Oskas mit erwartungsvoll blickenden Augen saß und seinen Ziehvater beobachtete.

„Hier, nimm das und bring es ihm.“ Die Worte des alten Mannes klangen in Oskas` Ohren fast wie ein Befehl. Genau das hatte Darios auch beabsichtigt. Er wollte, dass Oskas sich unverzüglich auf den Weg machte. Ohne Wenn und Aber. Ohne jegliche Diskussion. Von diesem Auftrag hing die Zukunft Emotans ab.

Darios wickelte das Buch in einen langen Schal der über der Stuhllehne hing und drückte es Oskas dann in die Hand.

„Was soll ich ihm sagen?“ Der junge Mann sah seinen Ziehvater fragend an.

„Sag ihm, was du im Herzen hast. Du wirst zur rechten Zeit die richtigen Worte finden, glaube mir, Junge.“ Mehr sagte der Alte nicht.

Er zog Oskas vom Stuhl hoch, nahm ihn bei den Schultern und schob ihn sanft, aber bestimmt, aus dem mit Kerzen beleuchteten Raum.

„Und jetzt geh!“

Die Macht des jungen Magiers

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