Читать книгу Die Macht des jungen Magiers - Yvonne Tschipke - Страница 8
Kapitel 5
ОглавлениеÜber uns erklang das schrille Bimmeln der Glocke. Sie machte wieder denselben höllischen Lärm wie vorgestern und ich zuckte auch dieses Mal erschrocken zusammen.
Oskas` Trödelladen kam mir an diesem Nachmittag noch viel seltsamer vor. In den dünnen Sonnenstrahlen, die sich durch das kleine Fenster in den Raum zwängten, tanzten wieder glitzernde Staubkörnchen. Und wieder bekam ich das beklemmende Gefühl, dass ich in einer ganz anderen Zeit gelandet war.
Ben hatte mich ohne weitere Erklärungen zu dem kleinen Laden geschleppt. Ich war nur sehr widerwillig mitgekommen. Nach wie vor glaubte ich, dass er völlig verrückt geworden war.
„Hallo? Oskas?“ Ben lief bis zur Theke, beugte sich darüber und lugte von dort aus zu der schmalen Tür, die ins Hinterzimmer führte. Es raschelte hinter dem schweren Vorhang. Dann wurde er zur Seite gezogen und dieser Oskas stand hinter der Verkaufstheke.
„Benedict – schön dich zu sehen“, sagte er lächelnd. Dann fiel sein Blick auf mich und sein Gesicht schien plötzlich noch ein wenig mehr zu strahlen. „Nathanael. So schnell sieht man sich wieder. Ich freue mich, dass es dir gut geht. Der fette Comissario hat sich wohl ganz schön gewundert, als du plötzlich wieder weg warst, was?“, redete Oskas auf mich ein.
Mir klappte die Kinnlade nach unten. Woher wusste dieser Trödelladenbesitzer meinen Namen? Und wie um alles in der Welt konnte er von meinem Traum erfahren haben? Die Begegnung mit dem fetten Comissario war doch nur in meinem Traum passiert! Was zum Geier war hier los?
Ich bemerkte, wie Ben Oskas komische Zeichen machte. „Langsam, Oskas, alter Freund. Du überforderst Nathanaels Vorstellungskraft. Ich habe ihm noch nichts verraten“, raunte er Oskas zu.
Ich sah von Ben zu Oskas und wieder zu Ben zurück.
Okay, Ben und dieser Oskas kannten sich also besser als ich vermutete. Und Oskas wusste auch, wer ich war – von Ben, schlussfolgerte ich. Aber wie konnte er von meinem Ohnmachtstraum wissen?
Die schrille Glocke über der Tür ertönte noch einmal. Gleich darauf trat ein älteres Paar in den Laden.
„Geht nach hinten, ich komme sofort zu euch“, flüsterte uns Oskas zu und zog uns hinter die Theke.
Das Hinterzimmer stand voller Kisten und Kartons. Ganz sicher waren sie allesamt bis unter den Deckel mit altem Trödelkram vollgepackt. Ich sah mich um. Auf einem kleinen Ofen, in dem ein Feuerchen flackerte, stand eine Kanne aus Metall. Dampf stieg aus ihr auf und es roch nach frisch gebrühtem Kräutertee. Es gab einen kleinen Tisch mit vier Stühlen. Alles sah genauso altertümlich aus, wie die Dinge, die er vorn in seinem Laden verkaufte. Anscheinend besaß Oskas nichts Modernes.
An einer Wand befand sich eine bogenförmige Holztür. Ich überlegte, wo sie hinführen könnte und stutzte, als mir bewusst wurde, dass sie sich an der gleichen Wand befand, wie die Tür zum Verkaufsraum. Es gab im Laden, soviel ich gesehen hatte, keinen zweiten Eingang nach hinten. Verwundert trat ich durch die eine Tür nach vorn und sah noch einmal nach, doch es gab wirklich keine zweite. Kopfschüttelnd ging ich wieder nach hinten.
„Wohin führt diese Tür?“, fragte ich Ben. Ich hoffte, er kannte die Antwort auf meine Frage. Ben zuckte mit den Schultern. „Ich darf es dir nicht sagen.“
„Warum?“, fragte ich.
„Weil Oskas es dir selbst sagen wird“, war Bens Antwort.
Eine viertel Stunde später trat Oskas durch die schmale Tür. Er nahm sich eine Tasse aus dem Regal an der Wand und goss sich Tee ein. „Wollt ihr auch einen?“, fragte er und wies auf die anderen Tassen. Ben bediente sich – er fühlte sich anscheinend auch hier wie zu Hause. Ich lehnte ab.
„Alles, was ich will, ist die Erklärung dafür, weshalb sich Ben plötzlich wie ein Verrückter aufführt und ein paar Antworten auf meine Fragen“, erklärte ich. Mein Tonfall klang fast trotzig.
Oskas machte es sich auf einem der Stühle bequem. „Gut, Nathanael. Ich werde versuchen, dir die nötigen Antworten auf deine Fragen zu geben.“
„Was hat es mit dem Buch auf sich? Und warum haben Sie es gerade mir gegeben?“, begann ich und hielt Oskas das alte Buch entgegen.
„Es ist ein altes magisches Buch. Weshalb das so ist, weiß ich leider nicht. Aber ich habe es von meinem Ziehvater Darios bekommen mit dem Auftrag, es dir zu bringen“, erklärte Oskas.
„Wer ist dieser Darios?“, wollte ich wissen.
„Ein alter Gelehrter aus Emotan. Er hat mich vor einigen Jahren zu sich genommen, als die Häscher Nermonas meine Eltern verschleppt und unseren Hof zerstört hatten.“
Ich verstand Bahnhof. Was war das für ein Spinner, der hier vor mir saß und heißen Tee aus einer alten Tasse schlürfte.
„Emotan, Nermona – hallo? Habt ihr sie noch alle?“ Ich sprang auf und lief in dem kleinen vollgestopften Zimmer umher. „Ich glaube, ihr seid bescheuert!“
Oskas schüttelte den Kopf. Dann stellte er seine Tasse ab, erhob sich ebenfalls und sagte: „Gut, wahrscheinlich glaubst du uns erst, wenn du es selbst gesehen hast. Also, dann – lasst uns gehen.“
„Wohin?“ Ich sah ihn verwundert an.
„Nach Emotan“, lautete Oskas` kurze und knappe Antwort. „Du warst vorgestern schon einmal da, erinnerst du dich nicht?“, fügte er hinzu.
Ben schlug sich grinsend mit den Händen auf die Oberschenkel und schob sich vom Stuhl. Die Beiden gingen auf die Bogentür aus Holz zu, von der ich nicht wusste, wohin sie führte. Mittlerweile war ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es die Tür zu einem Schrank sein musste, doch in diesem Punkt hatte mich reichlich getäuscht.
Ben forderte mich auf, ihnen zu folgen. Ich zögerte etwas, stellte mich dann allerdings doch neben ihn. Als Oskas die Tür mit einem alten Schlüssel, den er an einem Lederband unter seinem Hemd trug, geöffnet hatte, blieb mir vor Staunen fast die Luft weg. Hinter der Bogentür lag ein dunkler Gang.