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Vierzehn

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Die Straßen im Osten spiegelten den Zustand des Landes wieder, und der war katastrophal. Auf dem Weg von Hannover nach Halle stellte die Autobahn bis Magdeburg noch das beste Teilstück dar. Die dann folgenden knappen neunzig Kilometer von Magdeburg über die Landstraße hatten es teilweise richtig in sich. Vor allem, wenn der Belag abrupt von Asphalt auf Kopfsteinpflaster wechselte. In der Regel schaffte ich die Strecke in etwa anderthalb Stunden, aber es konnte auch bedeutend länger dauern.

Wenn ich nach Hannover fuhr, machte ich das meistens abends, im Dunkeln. Das kam für die Strecke erschwerend hinzu, denn hier war die Nacht, mangels reflektierender Schilder, einfach dunkler als im Westen. Und die vielen LKW unterwegs stellten ein weiteres Hindernis dar. So musste man sich sehr stark konzentrieren beim Fahren. Richtig spannend wurde es aber erst durch Baustellen. Hier wurde häufig die ganze Straße gesperrt und der Verkehr umgeleitet. Da kam man plötzlich in Dörfer, deren Namen man noch nie gehört hatte und in denen es noch aussah wie tiefste sozialistische Provinz, was es ja auch noch war. Plötzlich fand man sich auf schmalen Alleen von Obstbäumen wieder, die aus uraltem, richtig gewölbtem Pflaster bestanden. Und mitten im Ort war dann gar kein Pflaster mehr, sondern einfach Schotter oder Piste.

Bei Regenwetter ging das Ganze dann in ein schlammiges Unterfangen über. Bei Trockenheit fuhr man dafür in der Staubwolke des voranfahrenden LKW auch nicht besser. Und diese Umleitungen machten ihrem Namen alle Ehre. Auf ihnen fuhr man gewaltige Umwege, wie sich beim späteren Nachschauen auf der Karte herausstellte. Manchmal machten Horst und ich die Fahrt auch gemeinsam. Aber da Horst von Hannover noch ein Stück weiter bis in seinen Heimatort fahren musste, fuhr jeder mit seinem eigenen Wagen. Eines schönen Tages verließen wir abends Halle und überholten kurz darauf einen LKW, bevor man uns mal wieder auf eine Umleitung schickte. Später, wir hatten die ewig lange Umleitung gerade hinter uns gelassen und waren froh, endlich wieder auf der alten Bundesstraße zu sein, tauchte ein LKW vor uns auf. Und sieh an, es war exakt derselbe, den wir vor der Umleitung überholt hatten. Das war eindeutig an seiner Beschriftung zu erkennen. Wie konnte das sein? Ganz einfach, der war nicht auf die Umleitung abgebogen, sondern einfach durch die Baustelle hindurch gefahren. Dreist, aber scheinbar schien dies möglich.

Das probierten wir bei der nächsten Fahrt auch und es klappte tatsächlich. Teilweise fuhr man nur auf Schotter, der Fahrbahnbelag wechselte abrupt oder man musste spontan auf die Gegenfahrbahn ausweichen, da auf der eigenen Fahrbahn ein Sandhaufen lag. Es galt höllisch aufzupassen, da durchaus mal größere Absätze in der Fahrbahn auftauchten oder man auch mal eben ein ganzes Stück Straße weggebaggert hatte und man in der Dunkelheit leicht in ein größeres Loch fallen konnte. Aber letztlich war der LKW, trotz der Hindernisse in der Baustelle, noch schneller, als wir auf dem Weg durch die Umleitung gewesen.

Zukünftig durchfuhren wir des Öfteren mal eine Baustelle. Das hatte viel mit Glück zu tun und klappte auch nur, weil man abends in der Regel kaum einem anderen Fahrzeug begegnete. Einmal wurde es extrem unangenehm, hatte ich doch einen LKW hinter mir, der es offenbar ganz schön eilig hatte und mir im Genick saß. Ich nutzte eine Möglichkeit, ihn vorbeifahren zu lassen, doch freute ich mich zu früh. Sicher, nun drängelte er nicht mehr von hinten, dafür befand ich mich jetzt in seiner Staubwolke und konnte gar nichts mehr sehen. Und im Blindflug hinter einem LKW durch die Baustelle zu fahren, hielt ich doch für zu riskant. Es half nichts, ich musste anhalten und warten, bis sich die Staubwolke gelegt hatte. Diesem anstrengenden Teilstück bis zur Autobahn folgte dann die eher langweilige Fahrt über die stark befahrene Ost-West-Verbindung, auf der jede Menge LKW unterwegs waren und die auch wieder Konzentration erforderte. Nicht ohne, nach einem beschwerlichen Arbeitstag.


Eines Abends, diesmal allein unterwegs, freute ich mich schon, endlich die Landstraße in Magdeburg hinter mir gelassen zu haben und auf der Autobahn zu sein, da passierte es. Ich befand mich kurz vor der ehemaligen Grenze, als es auf Schlag dunkel um mich herum wurde und der Motor ausging. Kein Scheinwerferlicht mehr, keine Tachobeleuchtung, und die Musik verstummte ebenfalls. Was ist nun? Ich schaffte es gerade noch im Ausrollen auf den Standstreifen, unter einer Brücke hindurch, und stand dann in völliger Dunkelheit. Es war spät heute und daher fuhren nur hin und wieder noch vereinzelte Autos, meist LKW vorbei.

Auch die Warnblinkanlage gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Hätte ich es doch wenigstens noch ein paar Kilometer weiter, bis in den Bereich der beleuchteten ehemaligen Grenzanlagen geschafft, so aber herrschte um mich herum stockfinstere Nacht. So sah es aus, weit und breit kein Licht und dank geschlossener Wolkendecke auch kein Mond. Und die Zündung gab keinen Mucks von sich. Nach mehreren vergeblichen Schlägen auf das Lenkrad in Verbindung mit dem lauten Rufen eines Schimpfwortes, das mit Sch begann, stieg ich aus. Notruftelefone gab es natürlich noch keine. Bewohnte Häuser schienen auch nicht in der Nähe. Was also tun? Wie käme ich hier weg? Sollte ich warten oder einfach losgehen? Und wohin? Konnte ich das Auto so einfach unbeleuchtet in der Dunkelheit stehen lassen? Missmutig kramte ich das Warndreieck heraus und stellte es in einiger Entfernung hinter das Auto. Wenigstens sendete das reflektierende Dreieck eine Art Lebenszeichen aus der mich umgebenden Finsternis. Während ich noch darüber sinnierte, wie lange ich hier wohl stehen würde, bis sich ein Autofahrer meiner erbarmte, passierte es auch schon.

Es blinkte rechts, Bremslichter leuchteten auf dem Standstreifen auf und es hielt tatsächlich ein Auto an. Hastig lief ich zu dem Wagen hin. Es saß ein netter junger Mann darin, der mich fragte, ob und wie er mir helfen könne. Ich schilderte ihm kurz den Sachverhalt. Ein Blick unter die Motorhaube und er bestätigte meinen Verdacht: Die Lichtmaschine war der Übeltäter. Er bot mir tatsächlich an, mich abzuschleppen. Super! Flugs holte ich das Abschleppseil heraus und befestigte es. Dann schleppte er meinen Passat noch bis hinter die alte Grenze auf den nächsten Rastplatz. Dort stellten wir mein Auto ab und ich rief Sylvie an. Er bot mir an, mich noch bis kurz vor Hannover mitzunehmen. Wie nett von ihm. Der freundliche junge Mann arbeitete auch für eine Vertriebsfirma im Osten und befand sich auf dem Nachhauseweg nach Salzgitter. Kurz, nachdem er mich an der Raststätte vor Hannover abgesetzt hatte, kam auch schon Sylvie und sammelte mich dort auf.

Am nächsten Tag schleppten mein Freund Rolf und ich den Wagen bis nach Hannover zu meiner Werkstatt, sehr zum Ärgernis vieler Brummis, für die wir neben den Trabis ein weiteres Hindernis auf der Autobahn darstellten. Während der Fahrt wurde ich einmal mehr auf den speziellen Zigarettenanzünder in Rolfs Ascona aufmerksam. Da drückte man einen kleinen Hebel herunter, wartete ein Weilchen und plötzlich schnipste der Filter einer Zigarette hervor. Die brauchte man dann nur noch herauszuziehen, in den Mund zu stecken und konnte losrauchen. Die Zigarette brannte bereits, was für tolle Spielzeuge es gab. Dabei handelte es sich hier vielleicht sogar um mehr, als um bloßen Luxus.

Mein alter Kumpel Uwe war nämlich mal bei dem Versuch, sein heruntergefallenes Feuerzeug während der Fahrt wieder aufzuheben, von der Straße abgekommen. Er hatte dabei einen Strommast umgemäht. Ihm war außer ein paar Blessuren nichts passiert, dafür hatte er aber den halben Landkreis für ein paar Stunden vom Stromnetz getrennt. Die Aktion brachte ihm lediglich zwanzig DM Verwarnungsgeld ein. Da er in der nachfolgenden Untersuchung bei der offiziellen Aussage blieb, ein heftiges Niesen sei der Grund für den Unfall, folgte auch keine weitere Strafe, aber sein altes Auto hatte nur noch Schrottwert.

Wenige Tage später hatte die Werkstatt mein Auto repariert. Und wieder fuhr ich nachts, diesmal zurück nach Halle. Als ich irgendwann nach einer neuen Umleitung, durch unbekannte Dörfer, endlich in Halle ankam, fühlte ich mich nach der anstrengenden Fahrt richtig erleichtert. Ich holperte und rumpelte über völlig desolates Kopfsteinpflaster in die Stadt hinein. Fast wie zum Hohn sah ich an dem Giebel eines alten Hauses am Straßenrand, in großen, ungelenken Lettern geschrieben: »Langsam fahren! Einsturzgefahr!« und wusste, ich bin wieder zurück in meiner neuen Heimat.

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