Читать книгу Die neun - Zbigniew Georg - Страница 26
Оглавление„Meinen was? Ich kann mich nicht erinnern ...“
„So wie an unser Gespräch gerade eben. Die neue Gegenwart braucht ein wenig Zeit, um sich anzupassen. Je größer die Zeitverschiebung ist, desto länger.“
Pria schmiegt sich an ihn. „Keine Ahnung, wovon du redest. Warum hast du mich überhaupt geweckt? Lass mich schlafen. Morgen ist ein anstrengender Tag.“
Lange noch starrt Qori ins Halbdunkel des Raumes, während Pria fest an ihn geschmiegt schläft. Tief in ihm ist eine Unruhe spürbar, die er nicht versteht. Ein Gefühl der Warnung.
Eine Warnung – wovor? Meine innere Stimme trügt mich längst nicht mehr. Sie ist mein Freund, beschützt mich. Sie flüstert mir zu, doch was ich höre, beunruhigt mich. Ja, ich weiß, mein Freund, das hyperenergetische Feld kann uns nicht schützen. Nur das Vergessen einer neuen Gegenwart. Doch wer von uns wird dabei von ihr vergessen werden?
Für viele Mitarbeiter des Stützpunktes ist dieser Ort ihr Zuhause geworden. Beziehungen sind entstanden. Paare haben sich gefunden und wieder getrennt. Nur Kinder dürfen sie nicht bekommen. Das Risiko ist zu groß.
Sie wissen, wenn das Experiment erst einmal läuft, können sie das geschützte Gelände nicht mehr gefahrlos verlassen. Niemand weiß, ob es ihn in der neuen Zukunft noch geben wird.
Diese Nachforschungen für jeden Einzelnen werden Jahre brauchen. So haben sie sich von Beginn an darauf eingerichtet, ihr restliches Leben hier zu verbringen.
Der Komplex ist groß und bietet ihnen jeden Komfort, den sie sich wünschen. Unterirdische Gärten, Geschäfte, Lokale, Freizeiteinrichtungen und Sportgelände. Nur das Sonnenlicht vermissen sie gelegentlich. Ausflüge an die Oberfläche sind streng rationiert, um nicht aufzufallen.
Sie haben sich ihre eigene Welt geschaffen. Mit eigenen Regeln und fast vergessenen Gesetzen, an deren Gültigkeit sie heute noch glauben und auch den Menschen dort draußen vermitteln wollen. Dieser Mann brachte sie zurück vom jenem Berg, vor langer Zeit. Sie sind überzeugt davon, mit ihrer Hilfe jedes Elend der Welt verhindern zu können.
Qori wandert ziellos durch den Stützpunkt. Seine Welt ist dies nicht. Er braucht den Sonnenschein und den frischen Wind. Die Enge hier bedrückt ihn. Viel zu viele Gedanken und Gefühle auf engstem Raum. Das ständige Abschotten kostet Kraft. Ewiges Zuhören noch mehr.
Er sucht die Weite, die Ruhe, die Abgeschiedenheit. Die Einsamkeit. Steigt auf Berge oder durchquert Wüsten. Fährt hinaus aufs Meer oder stapft über das dicke Eis der Pole. Immer alleine. Immer auf der Suche nach Wissen und Wahrheit.
Jeder kennt ihn. Jeder grüßt ihn flüchtig und hält Abstand. Sie wissen um seine Macht und seine Bedürfnisse. Sie wissen, er ist der Schlüssel zu ihrer neuen Zukunft. Sie haben Scheu vor ihm, vertrauen ihm, doch überwiegt in letzter Zeit so mancher Zweifel.
Qori sucht ihren Blick, liest vereinzelte Gedanken. Ihr Glaube an sich selbst, an ihre göttliche Kraft, ist immer noch nicht stark genug. Sie sind nur schwache Menschen. Schafe, die nur die Herde und das Leittier gewechselt haben. Sie vertrauen auf ihren Anführer, dass dieser schon weiß, was er tut. Doch sie sind immer noch so blind wie ihre Artgenossen ...
Er geht weiter, zurück zum Labor. Ein steriler Raum, der dennoch Lebendigkeit und Kraft ausstrahlt. Er spürt ihre starken Energien, die jeden Winkel ausfüllen, sofort, noch bevor er sie sieht.
Pria sitzt über das Mikroskop gebeugt. Sie bemerkt ihn und winkt ihn eifrig zu sich.
„Komm her! Das musst du dir anschauen!“
Gelassen, die Hände tief in den Hosentaschen, schlendert er durch den Raum. Es scheut ihn, in ihren Gedanken zu lesen, was sie so sehr bewegt. Er ahnt es und das ist ihm schon zu viel.
„Was ist denn so wichtig?“
„Nun beeil dich doch mal!“ Lachend schüttelt Pria den Kopf und blickt wieder durch das Objektiv. „Setz dich hin und sieh dir das an!“ Pria schiebt ihn auf den Hocker, auf dem sie gerade noch saß. Qori tut ihr den Gefallen.
Lange blickt er hindurch auf den kleinen Zellklumpen, der ständig in Bewegung zu sein scheint, dann schaut er sie ernst an. „Du meinst, diesmal hat es geklappt?“
„Vier Tage, Qori!“ Pria ist ganz außer sich vor Freude. „Und keinerlei Schwierigkeiten!
Alles völlig normal! Die Teilung verläuft hervorragend! Keinerlei Abstoßung!“
Sie zieht ihn vom Hocker hoch und umarmt ihn stürmisch. Sein Gesicht verschließt sich.