Читать книгу Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten - A. F. Morland - Страница 23

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Art Freed erkannte einen neutralen Wagen der Metropolitan Police von Los Angeles, und unwillkürlich wandte er das Gesicht ab, als er an dem Fahrzeug vorbeirollte. Die beiden Detektive parkten vor einer Snackbar und tranken Kaffee aus Plastikbechern.

Der Sunset Strip zeigte sich in seiner ganzen Pracht, die sich erst nach Einbruch der Dunkelheit voll entfaltete. Freed suchte jemand, als er jetzt langsam an den Kinos und hell erleuchteten Eingängen der Restaurants entlangfuhr.

Es dauerte einige Zeit, bis er sie erkannte. Ihr Anblick machte ihn betroffen. Bis ihm einfiel, dass er sie seit mindestens zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Damals war sie eins von den Girls gewesen, die, mit einer Kamera und einem offenherzigen Kleidchen ausgestattet, die Bars und Restaurants abklapperte und Gäste aus der Provinz fotografierte. So etwas ist ein gutes Geschäft. Gut genug, um von einem der Revierfürsten der Mafia kontrolliert zu werden.

Sie hieß Carolyn Olsen und gehörte zu der Riesenschar hübscher Girls, die es immer noch Jahr für Jahr in die Filmmetropole Hollywood zog.

Carolyn war einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Ein Gast hatte sich von ihr fotografieren lassen, und er hatte ihr anschließend eine Menge Geld geboten, wenn sie bereit wäre, ihn auch in seinem Hotelapartment zu fotografieren.

Carolyn, die glaubte, mit dem Mann fertig werden zu können, hatte die Einladung angenommen. Der Mann hatte mehr gewollt als abgelichtet zu werden, und sie hatte sich nicht allzu sehr geziert. Dafür hatte sie sich an seiner Brieftasche bedient.

Art Fred hatte den Fall bearbeitet, weil der Gast aus einem anderen Bundesstaat stammte. Er hatte dafür gesorgt, dass die Anklage niedergeschlagen wurde, dafür hatte er in Carolyn einen neuen Spitzel gewonnen. Ein Girl, das von einem Mafioso gesteuert wurde und durch die Lokale am Strip zog. Das war ein Spitzel, wie ein Detektiv ihn sich nur wünschen konnte.

Sie stand jetzt unter einem Baldachin vor einem schmalbrüstigen Haus und lächelte die Passanten mit grell geschminkten Lippen an. Einladend deutete sie auf die geöffnete Tür. Sie trug ein knappsitzendes Kostüm, das die Beine bis zum Ansatz sehen ließ. Ihre runden Brüste quollen aus dem stramm sitzenden Mieder.

Hinter der Tür befand sich eine Oben-ohne-Bar. Die Neonschrift neben dem Eingang verhieß alle Freuden des Lebens.

Art Freed lenkte den Wagen um die nächste Ecke. Eine freie Parklücke gab es hier nicht. Freed fluchte verhalten. Notgedrungen musste er bis zu einem Parkplatz weiterfahren. Er übergab das Plymouth einem Park Boy und bat ihn, den Wagen bereitzuhalten und ihn nicht zuparken zu lassen. Mit zwei Dollar Trinkgeld verlieh er seiner Bitte die nötige Überzeugungskraft.

Er eilte zum Strip zurück und schob sich dann durch das Gewühl auf die ToplessBar zu. Er atmete auf, als er Carolyn sah, die immer noch unter dem Baldachin stand.

Freed verlangsamte seinen Schritt. Carolyn hob den Kopf.

„Werfen Sie einen Blick hinein, Sir! Schauen Sie den Girls zu! Kein Mindestverzehr, alle Drinks kosten dreifünfzig, einen Frankfurter gibt’s gratis. Worauf warten Sie noch? Die schönsten Girls werden Sie verwöhnen.“

Freed war stehengeblieben wie jemand, der sich das Angebot überlegte. Er sah Carolyn an. Ihre Pupillen waren so weit geöffnet, dass von der Iris nur noch ein schmaler Rand zu sehen war. Kokain, vermutete Freed.

„Hi, Carry“, sagte er.

Das Girl, das gerade wieder von vorn beginnen wollte wie eine Schallplatte, zuckte zusammen. Das Lächeln in dem kalkweißen Gesicht geriet zur Grimasse.

„Ich gehe jetzt rein, Carry, und wenn du hier abgelöst wirst, kommst du zu mir, okay?“

„Okay, Art“, antwortete sie leise.

Freed lächelte spröde, als er in das rötliche Dämmerlicht der Bar tauchte. Auf der langen Mahagonitheke tanzten vier nackte, ausgesprochen gutgewachsene Girls zu den harten Klängen eines Rock. Freed peilte eine Stelle am Ende der Bar an, wo es noch mehrere freie Hocker gab. Aus einer dunklen Nische trat ein fast nacktes Mädchen, in dessen blonden Haaren sich das rote Licht der verborgenen Lampen fing. Sie lächelte.

„Hi, Fremder!“

Freed machte ein abweisendes Gesicht. „Ich will mich erstmal umsehen“, sagte er.

„Ich bringe Ihnen nur einen Drink. Was möchten Sie?“

„Bourbon“, sagte er mechanisch, doch als ihm bewusst wurde, dass er seinen klaren Kopf noch brauchen würde, mochte er die Bestellung nicht rückgängig machen. Er konnte viel Eis hineintun.

Er setzte sich auf einen freien Hocker. Das Girl vom Eingang brachte ihm den Bourbon und einen Frankfurter auf einem Pappteller. Freed gab ihr fünf Dollar, und sie ließ ihn tatsächlich in Ruhe.

Carolyn kam schon nach zwei oder drei Minuten. Sie hatte den Büstenhalter abgelegt. Angestrengt mied sie seinen Blick.

Freed bestellte ihr etwas zu trinken. Er achtete nicht darauf, was es war. Gleichmütig bezahlte er zehn Dollar. Er wollte keine Zeit verschwenden. Deshalb steuerte er sein Ziel direkt an.

„Carry, ich brauche einen Namen“, sagte er. Er starrte auf die klackenden Absätze einer Tänzerin, die zwischen seinem und Carolyns Glas her tanzte.

Carry nippte an ihrem Glas.

„Wer hat in diesem Bezirk zurzeit das Sagen?“, erkundigte sich Freed. Er machte schon lange keine Kleinarbeit mehr. Er wusste, wer die großen Bosse waren, wie sie lebten, und was sie taten, aber den Kontakt zu den Kerlen an der „Front“ hatte er verloren.

„Art, das kannst du von mir nicht verlangen!“

Freed legte seine Hand auf ihren Unterarm. Er fühlte den Knochen unter der spröden Haut. Hart presste er die Finger zusammen.

„Ich will nur einen Namen. Niemand wird je erfahren, dass ich ihn von dir habe, das verspreche ich. Einen Namen!“, wiederholte er drängend. Er spürte, wie die Zeit verrann. Er versuchte, nicht an Ronny zu denken und daran, wie der Junge sich jetzt fühlen mochte und wo er vielleicht war. In einem dunklen, stinkenden Kellerloch? Er ahnte, dass er über Leichen gehen konnte, wenn es sein müsste, und er schauderte zusammen, weil er spürte, wie der Boden unter ihm zu schwanken begonnen hatte.

„Die Kassierer bringen das Geld jetzt immer zu einer Bar an der Vine Street, das ist ein paar Meilen den Strip runter.“

„Ich weiß, wo die Vine Street ist. Wie heißt die Bar?“

„Es heißt La Brace.“

La Brace. Der Laden gehörte einer Figur namens Michele Taccani. Taccani hatte sich vom miesen Zuhälter hochgearbeitet, aber er war kein Revier Boss, nicht einmal ein Leutnant. Nur ein zuverlässiges Mitglied der 'Familie' des Don Alfredo. So hatte der Don eines Tages die Verdienste Taccanis belohnt, indem er ihm die Einrichtung der. Bar ermöglichte. Natürlich nicht ohne eine entsprechende Gegenleistung. Deshalb betrieb Taccani im La Brace eine Sammelstelle für die Kassierer des

Plancata-Mob. Was bedeutete, dass ein höherer Mann hinter ihm stehen musste. Einer von Don Alfredos Leutnants, vielleicht sogar ein Caporegime.

„Wer ist Taccanis Boss?“, fragte Freed.

„Art, bitte, ich weiß es nicht.“

„Du hast etwas läuten gehört. Sag mir den Namen.“

„Augie Orlando“, hauchte das Girl. Freed tätschelte den Arm des Mädchens. Augustus Orlando, sieh mal an. Freed war der festen Überzeugung gewesen, Orlando habe es weit, weit hinaus in die Welt verschlagen, nachdem das FBI Los Angeles ihm die Stadt zur Hölle gemacht hatte. Der Bundesanwalt hatte einen Haftbefehl erlassen, der immer noch bestand.

Jetzt tummelte sich das Gesindel unverfroren unter den Augen der Polizei, stellte Freed bitter fest. Orlando war nach Los Angeles zurückgekehrt. Was bedeutete, dass er weder Angst vor der Metropolitan Police noch vorm FBI hatte. Es wurde Zeit, dass die Zügel wieder angezogen wurden. Freed glitt vom Hocker.

„Komm zu mir, wenn du einmal Hilfe brauchst“, sagte er zu Carry.

„Lasse mich in Frieden“, wehrte sie müde ab. „Damit hilfst du mir.“

Freed zuckte die Achseln. Steifbeinig schritt er hinaus.

Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten

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