Читать книгу Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten - A. F. Morland - Страница 25

17

Оглавление

G-man Art Freed stellte seinen Leihwagen in der engen Lieferantendurchfahrt zwischen dem Strip und der Vine Street ab. Er schaltete die Scheinwerfer aus und zwängte sich aus dem Wagen.

Deutlich war das Zischen der Reifen auf dem breiten Boulevard zu hören, und der Himmel glühte im Widerschein der Millionen Lichter. Doch hinter den Bluff Fassaden der Amüsierlokale herrschte Finsternis.

Freed sah an den Mauern hinauf, deren Kronen mit Stacheldraht oder Glasscherben bestückt waren. Er drückte mit der Schulter gegen die eiserne Pforte, doch die Tür war verriegelt und ließ sich nicht bewegen.

Freed sprang auf die Motorhaube und kletterte aufs Dach, wo er sich duckte und über die Mauer in den Hof hinter dem La Brace spähte.

Viel war dort nicht zu erkennen. Durch zwei schmale vergitterte Fenster sickerte etwas Licht, das sich auf Gerümpel verlor.

Freed zögerte noch einen Moment. Wenn er über die Mauer stieg, ließ er endgültig einen Abschnitt seines Lebens hinter sich, den er für unveränderbar gehalten hatte.

Er versuchte sich klarzumachen, dass er in Notwehr handelte, wenn er diese Bar durch den verschlossenen Hintereingang betrat. In dem Lokal oder in dem Gebäude, in dem sich die Bar befand, hielt sich ein gesuchter Mörder auf. Der Vordereingang kam für Freed also nicht in Betracht. Die Monitorkamera über dem Eingang würde sein Bild ins Hinterzimmer übertragen, und Augie Orlando würde verschwinden denn der Gangster kannte Freed nur zu gut.

Art Freed stieg auf die Mauerkrone hinüber, wo er sein Gewicht ausbalancierte, ohne sich mit den Händen abzustützen. Unter seinen Schuhsohlen knirschte Glas. Er starrte in die Finsternis unterhalb der Mauer, biss die Zähne zusammen und sprang.

Sein rechter Fuß traf auf ebenen Boden, während der andere auf einem kantigen Stück Holz landete und umknickte. Der Aufprall schleuderte Freeds Körper halb herum. Er schrammte mit der Schulter an der Mauer entlang, ehe es ihm gelang, sich irgendwo festzuklammern. Ein stechender Schmerz ging von dem geprellten Fußgelenk aus. Freed atmete flach. Er spürte, wie sich sein Gesicht mit Schweiß überzog. Vorsichtig belastete er den Fuß, dann humpelte er zu der Metalltür in der Mauer.

Freed fand den Riegel und fuhr seinen Umriss mit den Händen nach. Der Riegel bestand aus Flachstahl, der in einem gefetteten Schienenpaar lief. Behutsam schob er den Riegel zurück und versuchte, die Tür zu öffnen.

Sie war zusätzlich abgeschlossen. Das Schloss vermochte Freed ohne Werkzeug nicht zu knacken. Er hätte gern den Weg über den Hof als Fluchtweg benutzt, aber es machte ihm nichts aus, seinen Plan zu ändern. Wenn er erst einmal in der Bar Taccani oder Orlando gegenüberstand, war der heiße Krieg eröffnet.

Er bewegte sich über den Hof. Viel Zeit hatte er vermutlich nicht für seinen Angriff, denn jeden Augenblick konnte der Wagen entdeckt und Alarm geschlagen werden. Einmal stieß er gegen eine Kiste. Es gab ein ziemlich lautes Geräusch, und er zog unwillkürlich die Schultern hoch.

Er fand die hintere Tür ebenfalls verschlossen. Draußen gab es nicht einmal einen Drehknauf oder ein Schlüsselloch. Der Spalt zwischen Tür und Rahmen war so schmal, dass nicht einmal das dünne elastische Material einer Kreditkarte hineinpasste.

Mit jäher Deutlichkeit wurden ihm die Verwegenheit und Aussichtslosigkeit seines Vorhabens bewusst. Bis hierher und nicht weiter, das schien die verschlossene Tür auszusagen. Leute wie Taccani, Orlando und ihre Hintermänner wussten sich vor Überraschungen zu schützen. Er hätte es wissen müssen, dachte er niedergeschlagen. Er hätte wissen müssen, dass sie einen Außenstehenden nicht so einfach in eine ihrer Geldsammelstellen marschieren ließen.

Oder?

Wie oft hatte er sich über die scheinbare Sorglosigkeit der Mafiosi gewundert, über ihre Unbekümmertheit, mit der sie sich ihren potentiellen Feinden präsentierten. Bis er erkannt hatte, dass sie damit nur ihre Stärke demonstrierten. Sie fühlten sich so unsagbar sicher vor Angriffen aus allen nur denkbaren Richtungen.

Die Behörden fürchteten sie am wenigsten. Deren Angehörige waren an Gesetze und Vorschriften gebunden. Bei Bedarf bedienten sie sich dieser Gesetze – aber nur bei Bedarf.

Andere Gesetzlose hatten sie nicht zu befürchten. Kein noch so verwegener Unterweltler war so vermessen, gegen die Gesetze der Ehrenwerten Gesellschaft zu verstoßen oder auch nur ihre Kreise zu stören. Wer es dennoch tat, wurde erbarmungslos verfolgt, unerbittlicher, als es das Gesetz tat.

Die Mauer der Furcht war sehr hoch.

Aber für Art Freed hatte sie ihren Schrecken verloren. Er musste sie überwinden, wenn er sein Kind retten wollte.

Er wandte sich einem der kleinen vergitterten Fenster neben der Tür zu und brachte sein Gesicht nah an die Scheibe heran.

Hinter dem rechten Fenster erspähte er so etwas wie eine Teeküche, in der sich niemand aufhielt. Doch als er sich dem zweiten Fenster zuwandte, blickte er in einen länglichen Raum mit einem rechteckigen Tisch, an dem zwei Männer saßen. Sie wandten dem Beschauer ihre Rücken zu. Ihre Aufmerksamkeit galt einem Fernsehgerät, das auf einer Konsole hoch an der gegenüberliegenden Wand flimmerte.

Die Männer hatten schwarze Haare. Einer war schlank, er schien jünger zu sein als der andere, der jetzt mit einer breiten, behaarten Pranke nach einer Tasse griff und sie an seine Lippen setzte.

Freed hielt es für möglich, dass es sich bei den Kerlen um Hitmen handelte, oder sogar um Gorillas, die sich hier die Zeit vertrieben, bis sie gebraucht wurden.

Waren es vielleicht Orlandos Babysitter?

Freed wandte sich vom Fenster ab. Er tastete sich durch das Gerümpel, ohne genau zu wissen, was er suchte. Er wusste nur, dass er die Tür ins Haus nicht selbst öffnen konnte. Daraus ergab sich zwingend die Notwendigkeit, es von jemand anderem tun zu lassen. Nach Lage der Dinge boten sich nur die beiden Männer an, die da vorm Fernsehapparat hockten.

Als er einen großen Müllcontainer fand, der offenbar randvoll mit leeren Tonic und Sodawasserflaschen gefüllt war, improvisierte er einen Plan.

Er schleppte den Container unter das Fenster, hinter dem die beiden Kerle saßen. Dann begann er, die Flaschen über den Hof gegen die Mauer zu werfen.

Es knallte ganz schön, wenn die Flaschen zerbarsten, doch die beiden Männer blickten erst nach der siebten oder achten Flasche auf.

Wie ein Automat schleuderte Freed die Flaschen über den Hof. Er konnte die Männer nur aus dem Haus locken, wenn sie annehmen konnten, es nur mit einem übermütigen Randalierer oder einem betrunkenen Jugendlichen zu tun zu haben, der leere Flaschen über die Mauer schmiss. Ein verstohlenes Geräusch hätte die Kerle wesentlich vorsichtiger reagieren lassen. Vermutlich hätten sie dann ihren Boss gefragt, was sie tun sollten.

Schließlich stand der jüngere der beiden auf und trat ans Fenster. Er legte eine Hand über die Augen und kniff die Lider zusammen. Freed duckte sich. Als er den Kopf wieder hob, ging der Bursche bereits nach rechts hinüber, wo Freed eine Tür bemerkt hatte.

Ohne Unterbrechung schleuderte er Flasche um Flasche gegen die Mauer.

Der Mann mit der Boxerpranke blieb sitzen. Freed fischte ein paar Flaschen mehr aus dem Müllbehälter, dann baute er sich neben der Tür auf. Die Tür schwang nach innen auf, das hatte Fred bereits herausgefunden. Er hörte einen Schlüssel knirschen und schleuderte die letzte Flasche. Er spürte, wie die Tür geöffnet wurde. Eine Sohle knirschte leise. Der Bursche vermutete eine unmittelbare Gefahr bestimmt nicht gleich an der Tür.

Freed presste sich mit dem Rücken gegen die Mauer. Er hörte den anderen atmen, dann tief Luft holen.

„Jetzt ist es ruhig!“, rief der Mann über die Schulter zurück. Freed konnte ein wenig Licht sehen, das über die Schwelle fiel.

„Dann komm wieder rein“, lautete die gleichmütige Antwort.

Jetzt, dachte Freed, jetzt dreht der Kerl sich um.

Lautlos bewegte er sich zur Seite. Er konnte den Umriss des Mannes erkennen, der eben die Tür wieder schließen wollte. Freed schmetterte ihm die ineinander verschränkten Fäuste in die Seite.

Der Kerl sackte zusammen. Freed fing ihn auf. Er spürte, wie der Mann vergeblich versuchte, Luft zu holen. Er setzte ihn gegen die Wand, dann schob er sich durch die Tür in den schmalen Raum hinein, in dem der andere saß und sich gerade eine Zigarette anzündete.

Der Gorilla wandte den Kopf, und er reagierte sehr schnell. Er ließ die Zigarette und das brennende Feuerzeug einfach fallen und sprang auf. Freed glitt einen halben Schritt auf ihn zü, dann drehte er sich in der Hüfte und rammte dem Kerl den angewinkelten Ellbogen aus geduckter Haltung unter die kurzen Rippen.

Der Mann war stämmig, und er war kein Kämpfer, der beim ersten Hieb aufgab. Die Pranke glitt unter die leichte Leinenjacke, während die andere Hand sich zur Faust ballte und auf Freeds Kopf zuschoss.

Der G-man blockte den Schlag ab und wollte einen Schritt zur Seite ausweichen, wobei er den verstauchten Knöchel vergaß. Der Fuß gab nach, und Freed sackte nach vorn, wodurch ein anderer Fausthieb sein Schädeldach streifte.

Jetzt hatte der Gangster seinen Revolver herausgebracht, aber er konnte ihn nicht in Anschlag bringen, weil Freed ihm zu nah war. Deshalb wollte er die Waffe als Schlagwerkzeug benutzen.

Freed Verbiss den Schmerz in seinem Fuß, als er ihn dem anderen in die Kniekehle hakte und ihm gleichzeitig den Kopf in den Magen rammte.

Der Tisch stürzte um, Porzellan zerbrach klirrend. Der stämmige Gangster torkelte. Freed legte alle Kraft in den einen vernichtenden Uppercut, den er auf die Reise schickte.

Er sah das zerknitterte Gesicht des Gangsters genau vor sich, als die Faust am runden Kinn explodierte. Der Kerl stürzte über einen umgekippten Stuhl und schlug mit dem Kopf gegen ein Tischbein. Er blieb reglos liegen.

Freed rieb seine Handknöchel, schnappte den Revolver, der dem Gangster entfallen war, dann rannte er in den Flur zurück, wo der jüngere sich eben von seinem Niederschlag erholte und japsend Luft holte. Der G-man entwaffnete auch ihn, dann schleppte er ihn in den angrenzenden Raum, wo er die beiden Kerle mit einem Paar Handschellen an einen Heizkörper fesselte.

Der Stämmige schwebte noch im Reich der Träume und würde auch dort noch einige Zeit verweilen, wie Freed feststellte. Deshalb herrschte er den jüngeren der beiden an.

„Wo ist Augie?“

Am höhnischen Ausdruck der kleinen Augen erkannte Freed sofort, dass der Bursche ihm die Frage nicht beantworten würde, nicht einmal dann, wenn er ihn folterte. Er starrte den Burschen deshalb grimmig an. „Kein Ton, verstehst du? Oder ich komme wieder und mache euch stumm!“ Mit einer ruckartigen Bewegung fetzte er das Telefonkabel aus der Wand, ehe er den Raum verließ.

Freed öffnete eine Feuerschutztür und spähte in den Teil des Ganges, der dahinterlag. Er hörte Musik. Im Gang brannten mehrere Lampen. Eine junge blonde Frau kam aus der Toilette und ging in die Bar zurück, ohne ihn zu bemerken. Freed entdeckte eine Tür mit der Aufschrift PRIVAT. Ohne zu zögern öffnete er sie.

Er stand am Fuß der Treppe, die steil ins Obergeschoß führte. Freed betrat die Treppe und ließ die Tür sacht hinter sich zufallen. So schnell es sein verstauchter Fuß erlaubte, stieg er die Stufen hinauf.

Der obere Flur war nur kurz. An jedem Ende brannte eine Wandlampe. Es gab vier geschlossene Türen. Vor der Tür, die dem Ende der Treppe am nächsten lag, war der blaue Velourläufer stärker abgetreten als vor den anderen Türen.

Art Freed presste sein Ohr gegen das Holz. Jeden Augenblick konnte der Zauber losgehen. Vielleicht hatte er einen Alarm ausgelöst, als er die Treppe heraufgekommen war, oder die Kerle, die er unten zurückgelassen hatte, machten sich auf irgendeine Weise bemerkbar.

Er hörte verschiedene Geräusche, die zunächst eine verschwommene Kulisse bildeten. Erst als er sich konzentrierte, vermochte er einige Laute zu unterscheiden. Ein Mann machte eine knappe Bemerkung, ein anderer lachte. Es klang ungezwungen. Eine Glocke schlug an, dann schnarrte ein Türöffner, und unverständliches Gemurmel überlagerte die anderen Geräusche.

Freed war sich nicht sicher, wie viele Männer er hinter der Tür antreffen würde. Mindestens zwei, möglicherweise auch mehr. Es spielte keine Rolle. Er musste hinein.

Er holte tief Luft, packte den Revolver fester und trat mit voller Wucht in Höhe des Schlosses gegen die Tür.

Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten

Подняться наверх