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Alfredo Plancata, der mächtigste Mann der Mafia in Südkalifornien, war an diesem Morgen früher als sonst auf den Beinen. Er trat auf die Terrasse seiner Luxusvilla hinaus und starrte nach Westen, wo er das Meer erkennen konnte. Von den blühenden Orangen und Zitronenbäumen ging ein berauschender Duft aus, der den alternden Don gewöhnlich erfreute.

Heute drangen solche Gefühle jedoch nicht an sein Herz. Er war nervös und unruhig. Er zog den schweren dunkelroten Morgenmantel von den Schultern, warf ihn über einen Stuhl und trat an den Rand des Schwimmbeckens.

Das Wasser glitzerte kalt. Don Alfredo zögerte, dann nahm er seinen Morgenmantel wieder auf, zog ihn an und brüllte nach dem Frühstück, wobei es ihm gleichgültig war, ob er seine Frau Maria Regina mit dem Gebrüll aufweckte oder nicht.

Ein Filippino mit knabenhafter Figur brachte ein Tablett heraus, auf dem sich silberne Abdeckhauben über ebenfalls silbernen Platten wölbten.

Der Don setzte sich an den Tisch. Er hob eine Haube an und betrachtete das darunter dampfende Rührei, bei dessen Anblick sich sein Magen umdrehte. Hastig ließ er die Haube wieder fallen und begnügte sich zunächst mit einer Scheibe noch warmen Toasts und dem frisch gepressten Orangensaft.

Doch nichts vermochte die düsteren Gedanken zu vertreiben.

Die Commissione hatte ihm da etwas aufs Auge gedrückt, großer Gott.

In New York hatten sie Angst vor Art Freed, dem G-man aus Los Angeles, der nach Washington gehen sollte, um von dort aus gegen das organisierte Verbrechen zu kämpfen. Vergeblich hatte er den Ostküstenknilchen klarzumachen versucht, dass Freed nur ein G-man war wie jeder andere. Aber die Burschen auf der anderen Seite des Kontinents nahmen alles so verdammt ernst.

Und sie wollten Freed nicht in Washington haben.

Weil Freed in LA lebte, im Augenblick jedenfalls, war er Don Alfredos Problem.

Bei der Gelegenheit hatten sich die Männer der Commissione, des Großen Rates der Mafia, an einen Burschen namens Roberto Tardelli erinnert, und ihnen war eingefallen, dass auch dieser Mann aus Don Alfredos Stadt stammte. Und die mächtigen Capos im Osten hatten dann beschlossen, dass Don Alfredo bei der Gelegenheit diesen Roberto Tardelli gleich mit erledigen sollte.

Damit hatten sie ihm gleich zwei Klötze ans Bein gebunden.

Don Alfredo warf den angebissenen Toast auf den Teller. Wenn es nicht gelang, diesen Freed auszuschalten und Roberto Tardelli zu erledigen, war seine Position innerhalb der USMafia schwer angeschlagen.

Don Alfredo fröstelte, obwohl die warmen Strahlen der Morgensonne bereits über die Terrasse fielen. Als er leichte Schritte hörte, wandte er den Kopf. Vince Ivani, einer seiner Leibwächter, betrat die Terrasse. In der Hand hielt er ein Telefon, dessen Kabel er neben der Fenstertür in eine Anschlussdose steckte.

„Mr. Terruzzi“, sagte er, ehe er sich lautlos zurückzog. Der Don sah dem Gorilla nach. Vince war ein Bursche, der Manieren hatte, dachte er anerkennend. Hoffentlich kann er auch mit den Fäusten und mit einem Schießeisen umgehen, wenn es darauf ankam.

Er presste den Hörer an sein Ohr. „Ja?“, fragte er.

„Entschuldige, dass ich so früh anrufe“, begann Carlos Terruzzi, der Caporegime.

„Schon gut. Komm zur Sache.“ Don Alfredo liebte seinen Neffen nicht, aber er folgte der alten sizilianischen Familientradition, als er den jungen Carlos bei sich aufnahm, nachdem dessen Vater bei einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen zwei verfeindeten Mafia-Familien an der Ostküste erschossen worden war. Er hatte den Jungen studieren lassen mit dem in seinen Augen zweifelhaften Erfolg, dass Carlos unbedingt moderne Methoden der Wirtschaftsführung bei der Mafia von Südkalifornien einführen wollte, einschließlich elektronischer Datenverarbeitung. Einfach lachhaft, dachte der Don. Er bezweifelte, dass Carlos auch mit der Waffe in der Hand seinen Mann stehen würde, was er als unabdingbare Voraussetzung für einen Capo hielt, der einmal seine Nachfolge antreten sollte. Nein, er liebte Carlos nicht, er achtete ihn nicht einmal sonderlich, aber er saß mit dem Jungen fest, weil er zur Familie gehörte. Ja, wenn er, Don Alfredo, einen leiblichen Sohn hätte! Er seufzte kurz auf.

„Es gibt Probleme, Al“, sagte Carlos Terruzzi jetzt. Carlos war einer der wenigen, die ihn direkt mit Al anreden durften.

Don Alfredo zuckte zusammen. Probleme. Wie er dieses Wort hasste! Dabei hatte er die ganze Nacht kaum ein Auge zugetan.

„Drück dich deutlicher aus“, sagte er.

„Freed ist bei mir.“

Freed ist bei ihm, echote es in Don Alfredos Hirn. Was suchte Freed bei Carlos? Natürlich wusste der Don ganz genau, was – oder besser wen – der G-man bei Carlos suchte. Seinen Sohn Ronny. Gern hatte der Don den Befehl zu der Entführung dieses Jungen nicht gegeben. Das ungeschriebene Gesetz forderte, die Familien der Feinde nach Möglichkeit aus dem Spiel zu lassen.

Es hatte sich herausgestellt, dass der Sohn von Ernesto Tardelli mit gewöhnlichen Methoden nicht zu fassen war. Also waren außerordentliche Maßnahmen geboten.

„Was will er?“, fragte er, obwohl ihm die Sinnlosigkeit dieser Frage bewusst war.

„Er will dich sprechen, Al.“

„Nein.“ Alfredo Plancata schluckte.

„Er hat Taccani umgelegt und Orlando hier angeschleppt.“

„Orlando? Einfach so?“ Der Don hielt große Stücke auf Augie Orlando. Deshalb hatte er den Leutnant auch aus Mexico zurückgeholt, unter Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen, versteht sich. Neue Papiere, eine andere Frisur und so. Er hatte auch eine Gesichtsoperation vorgeschlagen, aber die hatte Augie abgelehnt. Weil der Kerl so gut aussah, hatte der Don diesen Wunsch verstanden und war deshalb nicht darauf gekommen, dass Augie nur Angst vor einer Operation hatte.

„Freed ist ziemlich wild, Al. Um es klar zu sagen – er wird Amok laufen, wenn er dich nicht zu sehen bekommt.“

Amok laufen. Noch einer. Großer Gott, was würden die Mitglieder von der Commissione sagen, wenn er noch einen Mann in einen Rächer verwandelte! Und dieses Mal sogar einen gelernten G-man! Sein Mund wurde trocken.

„Was schlägst du vor?“, fragte er. Ihm wurde bewusst, dass er seinen Neffen zum ersten Mal um Rat fragte.

„Ich könnte mit ihm zu Roger’s Point rausfahren“, schlug Carlos vor. „Ich kann in einer Viertelstunde dort sein, und du kannst den Freeway benutzen.“

Roger’s Point, dachte der Don anerkennend, ja, das war ein guter Treffpunkt. Er hatte das Stück Land oben auf der Klippe über Roger’s Beach erst vor ein paar Monaten gekauft, und weil er nicht so recht wusste, was er mit dem sandigen, ständig vom Sturm überwehten Gelände anfangen sollte, hatte er es erst einmal mit einem Zaun umgeben lassen.

„Noch keine Spur von, du weißt schon?“

„Er kann es noch nicht geschafft haben“, meinte Carlos Terruzzi. „Aber, wenn er kommt, sollte Freed zu Hause sein. Deshalb denke ich, dass du nachgeben solltest. Dieses Mal“, schloss der Caporegime diplomatisch.

„Sag diesem Mistkerl, dass ich in einer halben Stunde draußen sein werde“, sagte er mit neuer Härte in der Stimme, womit er seine Entschlossenheit bekräftigte. Er ließ den Hörer auf die Gabel fallen. „Vince!“, brüllte er dann. „Sag den anderen Bescheid! Sie sollen den Lincoln fertigmachen. Wir fahren in zehn Minuten ab!“

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