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Alexander v. Humboldt – Ein Einblick
Zum zeitgenössischen Hintergrund

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Alexander v. Humboldt wurde am 14. September 1769 in Berlin als Sohn des preußischen Majors Alexander Georg v. Humboldt und seiner Frau Marie Elisabeth geb. Colomb geboren. Im gleichen Jahr kamen Napoleon, sein Marschall Ney und sein Überwinder Wellington sowie der Generalinspekteur seines Unterrichtswesens Georges Baron de Cuvier, der Begründer der Paläontologie, und Ernst Moritz Arndt zur Welt.

Waren die eigentlich weltgeschichtlichen Ereignisse im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation aus verständlichen Gründen zunächst gar nicht gesehen oder von eurozentrischen Problemen verdeckt worden, so erlebten die ohnehin in einem nie vorher gekannten Ausmaß geographisch interessierten Zeitgenossen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Weltkarte viel bewußter. All das, was vorher gar nicht oder nur begrenzt wahrgenommen werden konnte, trat jetzt umrißscharf hervor: Eine in den Grundzügen richtige Weltkarte, deren unbekannte Zonen mehr und mehr schrumpften.

Damals erschienen die meisten geographischen Publikationen, Zusammenfassungen von Reiseberichten und entsprechende Zeitschriften in Deutschland. Philosophen schöpften Anregungen aus ihnen, während sich das Weltbild ständig erweiterte und weltgeschichtliche Dimensionen verdeutlichte: War z.B. der Siebenjährige Krieg (1756–1763) nicht schon ein Weltkrieg? Hatte nicht der preußische König als Festlanddegen die europäischen Gegner Englands in Schach gehalten, während das ihm verbündete Inselreich sich in Kanada und Indien gegen die Franzosen durchgesetzt hatte? Der Friede von Paris hatte 1763 den weltpolitischen Erfolg Englands bestätigt, doch schon 1783 hatte es im Frieden von Versailles die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika zugestehen müssen. Die viel diskutierte Verfassung dieses „Gesellschaftsstaates“ (A. v. Humboldt) hatte bereits Prinzipien der Französischen Revolution vorweggenommen. Christoph Daniel Ebeling, der führende deutsche Nordamerika-Experte und spätere Lehrer A. v. Humboldts in Hamburg, hatte schon 1765 in Rußland und den Vereinigten Staaten die künftigen Weltmächte erahnt.

Diese bunte Weltbühne, die mehr und mehr als eine Welt hervortrat, war der Boden, auf dem Alexander v. Humboldt sein Leben begann.

Drei Schiffsexpeditionen von John Byron (1764–66), dem Großvater des Dichters, von Samuel Wallis (1766–1769) und Louis-Antoine de Bougainville (1766–1769), dem ersten französischen Weltumsegler, waren den bahnbrechenden Forschungsreisen des letzten großen maritimen Entdeckers, James Cooks (1768–71; 1772–75; 1776–80), vorhergegangen. In Instrumentierung, kartographischer Aufnahmetechnik und Gründlichkeit seiner geographischen Ortsbestimmungen hat Cook nach den Ansätzen des 17. Jahrhunderts (Johann Moritz v. Nassau-Siegen, Adam Olearius und Engelbert Kaempfer) und einiger weniger weiterer Landreisender des 18. Jahrhunderts (Johann Georg Gmelin, Georg Wilhelm Steller, Carsten Niebuhr, Peter Simon Pallas) erstmals als Seemann dem Typ des Forschungsreisenden klar entsprochen. Er war der Vollender vorbereiteter, sehr gut ausgeführter und ausgewerteter Weltumsegelungen. Sein Vorbild setzte die Maßstäbe. Keiner hat das besser erkannt als Humboldt, keiner hat mehr versucht, die Grundsätze dieses explorativen Erfolges auf als er. Zwei Teilnehmer an Cooks zweiter Weltreise, Johann Reinhold und Georg Forster, Vater und Sohn, regten als die ersten geographisch bedeutsamen deutschen Weltumsegler Humboldt an, wobei ihm der jüngere „Lehrer und Freund“ werden sollte. Die Gedanken des jungen Humboldt eilten hin und her wie ein Weberschiffchen und schufen sich ein buntes Geflecht von Beziehungen, das zum Hintergrund seines Lebens gehörte. Dabei wurde immer wieder deutlich, daß die anregendsten Geister bereits im Vorhof der Französischen Revolution wirkten.

Mit der zunehmenden Beherrschung der Natur verloren selbst die Hochgebirge ihre Schrecken, und „Natur“ wurde nun erstmals von vielen Menschen als schön erlebt. Obgleich schon gelegentlich Schäden, durch den arbeitenden Menschen verursacht, an ihr bemerkt wurden, etwa ein durch Kupfervitriol vergifteter Fluß, bezeichneten die führenden Geographen und Naturforscher Landschaften nur dann als schön, wenn sie fruchtbare Äcker, gepflegte Gärten oder Weinberge trugen, wenn sie, um einen moderneren Ausdruck zu gebrauchen, geordnete Kulturlandschaften waren. An die Möglichkeit ihrer Zerstörung dachte man nicht.

Beherrschend war die Politische Geographie Anton Friedrich Büschings, des weitaus erfolgreichsten Geographen der Zeit, der bienenfleißig die Waben eines Schemas füllte und eine monotone, aber „nützliche“ Sammlung von Daten zur umfangreichen Erfassung von Staaten lieferte; dabei war er einer der Schrittmacher einer erstmals auch mit Zahlen operierenden Statistik, war doch diese Wissenschaft, vom italienischen «estadista», dem Staatsmann, abgeleitet, zunächst nichts anderes als eine Landeskunde ohne Zahlen gewesen. Demgegenüber waren einzelne Reiseberichte, an deren Spitze die Darstellungen beider Forster standen, weitaus interessanter.

Nach und nach hatte es sich ergeben, daß die künftig entscheidenden und anregendsten Köpfe (wie z.B. Johann Jakob Scheuchzer, Kant, Herder, Nicolas Desmarest, Jean Louis Giraud und Johann Reinhold Forster) von Physikalischer Geographie sprachen. Die Krönung ihrer Arbeit bedeutete bis tief in das 19. Jahrhundert hinein das Werk A. v. Humboldts und das seines Berliner Partners Carl Ritter. War die Geographie bis dahin im wesentlichen Wissenschaft des im irdischen Raum lebenden und wirkenden Menschen gewesen, den man oft von der Natur her geodeterministisch deuten wollte, was in den ersten Ansätzen als recht fortschrittlich gelten durfte, so wurde nun die Natur in nie vorher bekannter Art nicht nur erlebt, sondern auch erforscht. Alle, die sich damit befaßten, kannten Alexander Popes bereits angeführten richtungweisenden Satz. Nur die sehr wenigen Physikalischen Geographen, die auf regionale Geologie, modern gesagt, auf alleinige Geomorphologie zielten, verloren den Menschen aus dem Auge; sie waren bei weitem in der Minderzahl, und sie werden hier nur erwähnt, weil ihr Vorgehen feststellbar ist und nicht verschwiegen werden darf. Der Leser sollte diesen Zusammenhang kennen und auf diesem Hintergrund die Eigenart der Physikalischen Geographie Humboldts sehen. Ohne diesen Kontext kann seine Leistung jedenfalls nicht verstanden werden.

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