Читать книгу Zu den fernsten Sternen: Sechs Science Fiction Abenteuer - Alfred Bekker - Страница 10

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Eines Tages geriet Delroqs Schiff in den Hinterhalt einer großen Hegriv-Flotte, die urplötzlich aus dem Hyperraum materialisierte. Die noroofischen Raubvogelschiffe wurden eins nach dem anderen zerstört. Überall sah man sie als kleine, künstliche Atomsonnen aufleuchten und dann für immer verglühen. Die Hegriv machten keine Gefangenen. Und sie waren auch an Beuteschiffen nicht interessiert. Sie waren darauf aus, zu vernichten. Und das taten sie mit grausamer Präzision.

Einzig Delroqs Schiff entkam mit knapper Not dem Massaker der Hegriv.

Delroq befand sich im Sarkophag seines Raubvogelschiffs. Über die Gedankensteuerung wurde das Schiff zu einer Art Erweiterung seines Körpers. Er war eins mit ihm und steuerte es intuitiv.

Darin war er sehr geschickt.

Schon von Beginn seiner militärischen Laufbahn in der Flotte der Noroofen an war dies sein größtes Talent gewesen. Er war ein guter Pilot.

Das kam ihm nun zu gute.

Genauer gesagt rettete es ihm das Leben. Ihm und der mehr als 200-köpfigen Besatzung des Raubvogelschiffs.

Er ließ das Schiff mehrere Raumsprünge durchführen. Aber die Hegriv blieben dem Noroofen-Schiff auf den Fersen.

Es wurde eine Strukturanomalie der Raumzeit gemeldet. So etwas kam immer wieder mal vor. Das war kein Grund zur Beunruhigung. Delroq verstand genug von der Natur der Raumzeit und des Multiversums, um das zu verstehen. Strings durchzogen das Multiversum und verbanden mitunter raumzeitlich extrem weit voneinander entfernte Orte miteinander. Eigentlich hätte man auf diesem Prinzip einen Raumschiff-Antrieb entwerfen können. Vermutlich hatte das irgendwo im Multiversum irgendeine Spezies auch bereits getan.

“Wir haben keine Chance, den Hegriv zu entkommen”, sagte Azana. Sie war seine Gefährtin und Delroq hatte ihr daher eine hohe Position in der Bordhierarchie verschafft. Allerdings war ihm sehr wohl bewusst, dass diese Position einzig und allein von ihm abhing. Er war der Hüter. Er besaß die Macht. Und vor allem hatte er sowohl die nötige mentale Präsenz, als auch die machtvolle Hüter-Rüstung, um jeden Angriff auf seine Autorität im Keim zu ersticken.

Aber falls es doch jemandem gelungen wäre, so hätte Delroqs Ende unweigerlich auch Azanas Ende bedeutet. Das war ihr bewusst und verstärkte ihre Loyalität zu ihm. Insofern hatte es sein Gutes.

>Wenn wir uns zum Kampf stellen, ist das unser sicherer Untergang,< dachte Delroq. Er besaß eine außergewöhnliche mentale Präsenz. Und wenn er wollte, konnte er einzelne an seinen Gedanken teilhaben lassen und andere davon ausschließen. In diesem Fall teilte er diesen Gedanken nur mit Azana.

Sie wandte den Kopf, ohne dass man hätte sagen können, dass sie ihn anblickte. Denn die zylindrischen Köpfe der Noroofen besaßen kein Äquivalent für Augen. Die Sinne der Noroofen funktionierten auf eine andere Weise, was nicht bedeutete, dass sie nicht in der Lage gewesen wären, Licht wahrzunehmen. Ihre Sinne waren umfassender und genauer, als es bei fast allen anderen intelligenten Spezies der Fall war, denen sie im Verlauf ihrer Geschichte begegnet waren.

Delroq ließ vom Schiff eine Simulation erstellen, die berechnete, was geschehen würde, wenn das Raubvogelschiff durch die Anomalie flog.

Ein Durchgang war möglich.

Ohne Schäden am Schiff.

Allerdings war es unmöglich, vorherzusagen, wo man am Ende wieder herauskam.

Wo und wann.

>Du willst die anderen nicht einweihen<, empfing er Azanas Gedanken. Sie hatte offenbar geahnt, was er plante. Vielleicht hatte sie bemerkt, dass er die Rechnerkapazitäten des Schiffs für seine Simulation in Beschlag nahm.

>Ich weihe sie ein, wenn ich mich entschieden habe<, antwortete Delroq seiner Gefährtin.

>Sie werden es dir verübeln!<

>Mag sein. Aber ändert dies etwas an den Notwendigkeiten?<

>Nein, Gebieter.<

Delroq beendete den telepathischen Dialog. Er wollte sich ganz auf das konzentrieren, was jetzt an Entscheidungen vor ihm lag. Sie werden dir vorwerfen, dass du das Imperium nicht verteidigen wolltest!, dachte er.

Aber an diesem Gedanken ließ er niemanden teilhaben.

Auch Azana nicht.

Das Schiff meldete, ihm, dass der Kurs berechnet war.

>Ziel?<, wollte Delroq wissen.

>Keine Ermittlung eines Ziels möglich<, antwortete das Schiff per Gedankenbotschaft. >Empfehle die Schiffskontrolle an mich zu geben.<

>Warum?<

>Ich bin ein KI-System.<

>Das ist mir bekannt.<

>Beim Durchgang durch die Anomalie ist mit einer Bewusstlosigkeit aller organischen Intelligenzen an Bord zu rechnen. Das liegt an der Hyperdimensionalität in den Strings.<

Delroq begriff, was das bedeutete. Unser Bewusstsein ist dafür nicht geschaffen, erkannte er. Verwundern konnte das nicht. Nicht einmal die mentale Präsenz der Noroofen vermag offenbar der Hyperdimensionalität der Strings zu widerstehen, ging es Delroq durch seinen zylindrischen, augenlosen Kopf. Aber es gab keinen anderen Weg, als den, den er eingeschlagen hatte. Die Alternative war nur der Tod...

*



Delroq war der Erste, der aus der Bewusstlosigkeit erwachte.

Der zeitweise Kontrollverlust war ein Risiko gewesen. Er hätte dazu führen können, dass er die Macht über das Raumschiff verlor. Aber das war nicht geschehen. Delroq schob das seiner mentalen Stabilität und Robustheit zu. Seiner Präsenz. Aber vielleicht lag es auch einfach daran, dass er aufgrund seines privilegierten Zugangs zum Schiffs-System einfach einen Informationsvorsprung hatte.

>Schiff, bitte melden.<

>Ich bin hier, Kommandant<, meldete sich das Schiff.

>Situationsbericht.<

>Dein Steuersarkophag, mit dem du das Schiff kontrollierst, funktioniert einwandfrei. Status der telepathische Interfaces: Einwandfrei. Gesundheitsstatus des Kommandanten: Einwandfrei. Temporäre Bewusstlosigkeit wurde durch Hyperdimensionalitätseffekte bei der Passage der Anomalie bedingt. Die Passage verlief erfolgreich. Wir haben einen transkosmischen String erwischt.<

>Status der Mannschaft?<

>Erwacht gerade.<

Delroq stellte dann die entscheidende Frage: >Was ist mit unseren Feinden?<

>Es können bislang keine Hegriv-Einheiten geortet werden.>

>So sind sie uns nicht gefolgt?<

“Gepriesen seien die alten Götter des Imperiums”, sagte Delroq dann laut. “Wo befinden wir uns?”

>Analyse läuft noch<, lautete die Meldung des Schiffs. >Es besteht Grund zu der Annahme, dass es sich um eine vollkommen fremde Raumzeit handelt.<

*



Delroq öffnete den Sarkophag und stieg aus. Er hatte die Steuerung des Schiffs dem KI-System überlassen. Die Analyse der neuen Umgebung würde einige Zeit in Anspruch nehmen.

Azana!

Sie war bereits erwacht. Und sie hatte seinen Gedanken und seine Präsenz bemerkt.

“Wir sind an einem Ort, an dem vermutlich noch nie ein Noroofe gewesen ist”, sagte Delroq laut. “Aber den Angaben des Schiffs nach sind zumindest keine Hegriv in der Nähe.”

“Das bedeutet: Wir sind gerettet”, stellte Azana fest.

“Wir werden noch abwarten müssen. Aber: ja, es besteht Grund zur Hoffnung.”

Delroq spürte eine negative Präsenz. Seine Nano-Rüstung gab seinen zylindrischen Kopf frei. Obwohl er keine Augen besaß, sah es fast so aus, als würde er in eine bestimmte Richtung blicken.

Dort stand Bazanar an seiner Konsole. Bazanar, du genialer Waffenschmied und Stratege... Ich weiß, dass ich dir in vielen Kämpfen gegen die Hegriv einiges schuldig bin. Natürlich kann man die Waffensteuerung dem Schiff überlassen, aber es fehlt dann das gewisse kreative Element der Vernichtung... Das Gen des Jägers... der Instinkt des Killers... meinetwegen auch die Inbrunst des imperialen noroofischen Patrioten... Wie auch immer. Du warst von Anfang an gegen diesen Kurs. Du hättest dich lieber geopfert, als das Imperium zu verraten. Ein Imperium, das zuerst uns verriet! Aber das zählt für dich nicht. Denn das habe ich dir voraus: den Überlebensinstinkt!

Delroq ließ Bazanar an seinen Gedanken teilhaben.

Das war eine besondere Geste der Überlegenheit.

Eine mentale Geste, zu der nur er an Bord dieses Schiffes fähig war. Denn nur Delroq hatte die nötige Präsenz dazu.

“Du wolltest etwas zu deinem Hüter sagen?”, fragte Delroq nun laut.

“Wir haben das Imperium den Hegriv überlassen”, stellte Bazanar fest. “Den Krabblern, die alles zerstören und nichts zurücklassen werden...”

“Du denkst, dass es unsere Pflicht gewesen wäre, jenseits der Anomalie den Tod zu erwarten...”

“Ja, dieser Ansicht bin ich....”

“Du solltest sie revidieren. Denn die Wahrheit ist, dass man uns zurückließ - aber die anderen Hüter haben sich längst aus dem Staub gemacht. Sie haben uns zurückgelassen, damit wir den Feind aufhalten. Damit der Feind beschäftigt ist - nicht, weil die Hoffnung bestand, dass wir ihn tatsächlich aufhalten könnten. Denn das war von Anfang an unmöglich.”

Sie werden das nicht als Wahrheit akzeptieren!, nahm Delroq nun den Gedanken Alzanas wahr. Niemand wird das. Das gilt nicht nur für Bazanar...

“Wir befinden uns in einer unbekannten Raumzeit des Multiversums”, sagte Delroq. “Die Analyse unserer Umgebung läuft noch. Nichts von dem, was war hat noch Bedeutung. Das Imperium der Noroofen ist entweder eine ferne Vergangenheit, eine ferne Zukunft oder parallele Alternative jener Variante des Multiversums, in der wir uns jetzt befinden.”

“Wir könnten durch die Anomalie in unsere Raumzeit zurückkehren”, mutmaßte Bazanar.

“Das könnten wir keineswegs”, widersprach Delroq. “Zumindest wäre das Ergebnis unkalkulierbar. Wir müssten einen identischen String passieren, der sich vielleicht nur für die Dauer einer relativen Nanosekunde gebildet hat. Frag das Schiff, wenn du mir nicht glaubst...”

>...und widersprich mir nicht!<, sandte Delroq dann noch eine Gedankenbotschaft hinterher, die in ihrer mentalen Präsenz so furchteinflößend war, dass Bazanar unwillkürlich taumelte und sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Alle im Raum spürten diese Präsenz ebenfalls.

Du machst uns klar, dass es nur eine Wahrheit gibt, Gebieter!, nahm er eher beiläufig einen Gedanken von Alzana war.

“Was werden wir tun, Gebieter?”, fragte nun Bazanar.

“Das hängt von der Analyse des Schiffs ab”, sagte Delroq. “Wie auch immer die Lage in diesem neuen Universum ist: Wir werden uns darauf einstellen.”


Zu den fernsten Sternen: Sechs Science Fiction Abenteuer

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