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Berater und Händler

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Selbstverständlich war die Sammlung insgesamt qualitativ schwächer als das von mir herausgegriffene Böcklin-Segment, und tatsächlich dominierten die Genregemälde, die allerdings nicht so harmlos waren, wie Speer und Fest das angenommen haben.12 Doch ist eine qualitative Unausgeglichenheit nicht untypisch für Privatsammlungen und hängt damit zusammen, dass Sammeln auch ein Lernprozess ist, ein ständiges Verbessern und Vertiefen des Kenntnisstandes. Bei Hitler sind die Qualitätsunterschiede zudem das Ergebnis wachsender finanzieller und Machtressourcen: Denn zu Beginn seiner politischen Karriere standen ihm nicht die Möglichkeiten zur Verfügung wie dem Reichskanzler ab 1933, dem Okkupator Österreichs ab 1938 und dem obersten Kriegsherrn ab 1939, der seine Rauborganisationen über die besetzten Länder ausschwärmen ließ und dabei die besten Kunstwerke für sich reklamierte. Parallel dazu gewann er immer kompetentere Berater, bis er dann mit Hans Posse, dem langjährigen Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, einen der renommiertesten Malerei- und Sammlungsexperten Deutschlands als seinen persönlichen Kunstexperten fand.


Gemälde von Robert Schleich aus der Sammlung Hitlers, verschollen

Wie fast jeder Sammler fing Hitler klein an. Die wegweisende Figur am Anfang seines Weges war sein Freund Heinrich Hoffmann.13 Der Fotograph war 1920 der NSDAP beigetreten; zwei Jahre später ergab sich ein persönlicher Kontakt zu Hitler, als dieser entdeckte, dass auch Hoffmann ein verhinderter Maler, gleichsam ein Seelenverwandter war. Damit war die Grundlage einer Freundschaft gelegt und die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Hoffmann den bis dato fotoscheuen politischen Aufsteiger im September 1923 für eine Porträtsitzung gewinnen konnte. Hoffmann avancierte danach schnell zum „Leibfotographen“ und hatte mit seinen Aufnahmen einen entscheidenden Anteil am Aufbau des Führermythos. Als Reichsbildberichterstatter der NSDAP verdiente er während des Dritten Reiches ein Vermögen, mit dem er wiederum Kunstwerke kaufte.

Hitler war während seiner Münchner Aufenthalte über Jahre hin fast täglich Nachmittags- und Abendgast bei Hoffmann. „Meine kleine Gemäldesammlung hatte es ihm angetan“, berichtete der Fotograph. Nach Kriegsende zählte Hoffmanns Kollektion etwa 300 Gemälde und Aquarelle, vorwiegend Landschafts-, Tier- und Genredarstellungen der Münchner Schule des 19. Jahrhunderts. Auf seinen Streifzügen durch die Münchner Galerien hielt der Fotograph immer auch Ausschau nach Objekten, die für seinen Freund von Interesse sein könnten, und ließ diese dann zur Auswahl in dessen Wohnung schicken. So muss es nicht überraschen, dass Hitlers frühe Sammlung der Hoffmann’schen ähnelte: Dominant waren eher kleinformatige Landschafts- und Genregemälde Münchner Maler des 19. Jahrhunderts. Dieses Sammlungsprofi l war wohl typisch für München: Gleichzeitig mit Hitler und Hoffmann baute Eberhard Hanfstaengl, ein Cousin von Ernst „Putzi“ Hanfstaengl und ein ausgewiesener Fachmann für die Malerei des 19. Jahrhunderts, als Leiter der Städtischen Kunstsammlungen deren Bestand mit Münchner Malerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus.14

Hitlers erste Kunsthändlerin war Maria Almas-Dietrich, die seit mindestens 1935 mit ihm in Geschäftsverbindung stand.15 Der Kontakt war von Hoffmann vermittelt worden, und für das Florieren der Beziehung soll der Umstand von Bedeutung gewesen sein, dass sie mit Hitlers Geliebten, Eva Braun, befreundet war. Das schuf wohl ein gewisses Vertrauensverhältnis, das dazu führte, dass Hitler, der selbst keine Kunstauktionen besucht haben soll, sie als seine Agentin einsetzte. Der Diktator studierte die Auktionskataloge persönlich, traf Vorabsprachen mit ihr und sie ersteigerte dann in seinem Auftrag die Kunstwerke. Maria Almas-Dietrich dürfte ihm mit Abstand die meisten Gemälde verkauft beziehungsweise vermittelt haben. Sie ist es gewesen, die Hitler 1936 Böcklins Toteninsel lieferte. Auch das Porträt der Nanna von Anselm Feuerbach hat sie seiner Sammlung zugeführt, laut Aussage der Sekretärinnen sein absolutes Lieblingsbild.16

Über die Person der Kunsthändlerin ist wenig bekannt. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass sie nach den NS-Rassegesetzen Halbjüdin war. Das passte und passt nicht ins Bild. Maria Almas-Dietrich wurde 1892 in München als uneheliche Tochter eines jüdischen Vaters geboren. 1921 heiratete sie den türkischen Tabakhändler Ali Almas-Diamant und trat zum jüdischen Glauben ihres Mannes über, was ihr nach 1933 erhebliche Schwierigkeiten mit den Nazibehörden einbrachte. Ihre Galerie in der Münchner Ottostraße vertrieb Antiquitäten und Gemälde des 15. bis 19. Jahrhunderts. Sie war gewiss keine große Kennerin, scheint aber über gute Verbindungen in die Münchner Kunstszene verfügt zu haben.

Zu Konflikten kam es, nachdem Hans Posse Sonderbeauftragter geworden war und die Kunst-Einlieferungen in das Depot des Führerbaus in München zu kontrollieren hatte. Er hielt wenig von der Dilettantin ohne akademische Ausbildung und, was in seinen Augen noch schlimmer war, ohne Kennerschaft. Am 4. August 1940 musste er in Berlin circa 250 Gemälde durchsehen, welche die Händlerin gemeinsam mit Heinrich Hoffmann aus den Niederlanden ausgeführt hatte und nun Hitler zum Kauf anbot. Posse traf eine strenge Auswahl, die er abends mit Hitler noch einmal durchgehen und wohl auch begründen musste. Als sich das Ganze am 21. August 1940 mit 75 weiteren Gemälden wiederholte, urteilte er vernichtend. Es handele sich um Restbestände, sehr mäßige Bilder bekannterer Meister, die bisher unverkauft geblieben seien. Nur wenige schlug er zur Erwerbung vor.17

Als Hitler in der ersten Hälfte der Dreißigerjahre sein privates Feriendomizil Haus Wachenfeld auf dem Obersalzberg zur Alpenresidenz, dem Berghof, ausbauen ließ, kam ein anderer Kunsthändler zum Zug – jedenfalls bei der Ausstattung der Großen Halle, nämlich der in Berlin tätige Kunsthändler Karl Haberstock. Auf die hier hängende Kollektion war Hitler besonders stolz. Sowohl bei offiziellen Empfängen wie auch während der abendlichen Gespräche am Kamin kam er oft auf die Bilder zu sprechen.18 Haberstock, 1878 als Sohn eines Bankiers in Augsburg geboren, hatte eine Bankausbildung absolviert und war nach und nach in das Kunstgeschäft hineingewachsen.19 Zu Beginn des Jahrhunderts hatte er sich in der Reichshauptstadt niedergelassen, wo er rasch zu einem der führenden Kunsthändler aufstieg. Er spezialisierte sich auf deutsche Kunst und hatte persönlichen Kontakt zu einigen der Hauptmeister des späten 19. Jahrhunderts, vor allem zu Wilhelm Trübner, Wilhelm Leibl und Wilhelm von Uhde, für deren Werk er sich engagierte. Vor allem erwarb er Arbeiten des Wiener Malers Carl Schuch, zu einem Zeitpunkt, als sich noch kein anderer Händler für diesen in die Moderne vorausweisenden Realisten interessierte. In den Zwanzigerjahren erweiterte Haberstock sein Repertoire auf Altmeister.


Paris Bordone, „Venus und Amor“, ehemals Gemäldesammlung Hitler, Nationalmuseum Warschau

Hitler lernte auch diesen Kunsthändler über seinen Fotographen Heinrich Hoffmann kennen, mit dem gemeinsam er Haberstocks Berliner Galerie besuchte. Die erste bekannte Erwerbung ist das Gemälde Venus und Amor des italienischen Renaissance-Malers Paris Bordone, das Hitler im Mai 1936 zum Preis von 65.000 Reichsmark für die Große Halle ankaufte. Haberstock hatte es bereits 1928 von einem Londoner Händler bezogen.20 Es folgte Bordones Dame mit Apfel, ein Gemälde, das der Händler 1937 über das Auktionshaus Theodor Fischer in Luzern erworben hatte. Fischer sollte im Jahr darauf in Luzern die Auktion „Entartete Kunst“ veranstalten, auf der das Dritte Reich Werke moderner Kunst, die aus deutschen Museen beschlagnahmt worden waren, ins Ausland verkaufen ließ. Haberstock war Mitglied der Verwertungskommission „entarteter Kunst“ und möglicherweise der Initiator der Verkaufsaktion.

Hitler schätzte Haberstock nicht nur als Kunstlieferanten, sondern auch als Kenner der europäischen Gemäldegalerien. Der Händler unterhielt beste Geschäftsverbindungen zu deutschen Museen, bei denen er ankaufte und denen er verkaufte; da die Erwerbungsetats niedrig waren, ließ er sich häufig auch auf Tauschgeschäfte ein.21 Haberstock war jedenfalls mehr als nur ein Händler für Hitler, er war sein Kunstberater und sein erster, allerdings an den Verhältnissen gescheiterter Sonderbeauftragter für die Verteilung der Raubkunst aus jüdischem Besitz in Wien. Auf seinen Rat hin berief Hitler den Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, Hans Posse, zum Sonderbeauftragten für sein Raubkunst-Verteilungsprogramm. Mehrfach waren Haberstock und Posse gemeinsam bei Hitler zum Essen eingeladen. Auch als Posse im Herbst 1940 nach Paris fuhr, um die dort requirierten jüdischen Kunstsammlungen zu inspizieren, begleitete ihn der Kunsthändler. Haberstock baute für Posse Kontakte in den dortigen Kunsthandel auf; nicht ausgeschlossen werden kann, dass er ihn bei der Beurteilung der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in den Depots des Louvre unterstützte.

Nach dem Krieg hütete sich Haberstock, seine zumindest zeitweise zentrale Rolle den Offizieren des amerikanischen Nachrichtendienstes, die ihn verhörten, preiszugeben. Da alle Untersuchungen zum NS-Kunstraub auf diesen Verhörprotokollen aufbauen, wird die Rolle Haberstocks bis heute unterschätzt. Tatsächlich gelang es dem Kunsthändler, seine Reputation wiederherzustellen.22 Er unterzog sich 1949 einem Entnazifizierungsverfahren, wurde als „Entlasteter“ klassifiziert, erhielt den Großteil seines von der amerikanischen Militärverwaltung beschlagnahmten Eigentums zurück und konnte sein Geschäft in München weiterführen.


„Meisterwerke der Malerei AH“, Staatsgemäldesammlungen, München

Auf Befehl des Führers

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