Читать книгу Die Küste - Бруно П. Кремер - Страница 17

Bergeshöhen und Meerestiefen

Оглавление

Wer gewinnt nicht gern eine aussichtsreiche Wette? Das folgende Problem garantiert Ihnen eine sichere Ausgangslage. Überraschen Sie bei nächster Gelegenheit Ihren Bekannten- oder Freundeskreis mit der vermeintlich simplen Frage, welche Stelle der Erde am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt ist. Mehrheitlich werden Ihre Gesprächspartner etwas gelangweilt lächeln und sofort auf den 8848 m hohen Gipfel des Mount Everest in Nepal verweisen. Wetten Sie getrost dagegen – denn die vorschnell angebotene Antwort stimmt so tatsächlich nicht.

Um Ihre Diskussionsrunde von den wirklichen Sachverhalten zu überzeugen, müssen wir allerdings ein wenig ausholen. Der Grund liegt nämlich in der von der idealen Kugelform deutlich abweichenden Geoidgestalt der Erde. Im heute üblicherweise verwendeten internationalen Referenzellipsoid weist die Erde einen äquatorialen Radius ra = 6 378 160 m und einen polaren rb = 6 356 775 m auf. Der Unterschied beider Halbmesser beträgt demnach runde, aber durchaus folgenreiche 21,4 km. Nun aber auf dieser sicheren Basis der Reihe nach:

► Der auf rund 28° N (ganz genau 27° 59′ N) liegende Fußpunkt des Mount Everest ist wegen der polwärts abnehmenden Abmessungen der Erdradien vom Erdmittelpunkt weniger weit entfernt als ein beliebiger Standpunkt auf dem Äquator, nämlich „nur“ 6 371 507 m. Der Hauptgipfel erhebt sich somit auf 6 371 507 m + 8848 m = 6 380 354 m über das globale Massezentrum Erdmittelpunkt.

► Wechseln wir die Szene und lösen damit die Wette auf: Der eindrucksvolle 6272 m hohe Chimborazo in den ecuadorianischen Anden liegt fast auf dem Äquator – genau auf 1° 28′ S. Der Gipfel ist unter Berücksichtigung des Erdradius seiner geographischen Position 6 378 137 m + 6272 m = 6 384 409 m vom Erdmittelpunkt entfernt und damit tatsächlich rund 4 km weiter als der Gipfelbereich des Mount Everest. Ach so!

► Fazit: Sie haben die Wette gewonnen!

Tab. 2: Die Erdradien werden immer genauer.


Wissenschaftshistorisch ist der bilderbuchschöne und nach verbreiteter Vulkanmanier ziemlich freistehende Chimborazo übrigens ungleich bedeutsamer als der in seinem vielgipfligen Umfeld eher unspektakulär wirkende und heute sogar arg überlaufene Mount Everest. Immerhin war er der Gegenstand einer der beiden wichtigsten geodätischen Expeditionen, die Frankreich im 18. Jahrhundert ausrüstete, um genauere Daten zur Polabplattung bzw. Äquatorialaufbauchung der Erde gewinnen zu lassen: Charles-Marie de la Condamine (1701 bis 1774) war 1735 bis 1744 im Hochland zwischen Ecuador und Peru unterwegs und vermaß dort die genaue Lage und Höhe dieses besonders eindrucksvollen, weil völlig frei stehenden vulkanischen Bergriesen. Alexander von Humboldt (1701 bis 1859) und sein begleitender Pariser Freund, der Botaniker Aimé Bonpland (1773 bis 1858) bestiegen ihn zusammen mit einem Einheimischen am 23. Juni 1802 bis zu einer Höhe von 5760 m. Damit stellten sie übrigens einen viele Jahrzehnte gültigen Höhenrekord auf.

Für den höchsten Berg Südamerikas, den 6959 m hohen Aconcagua in Chile (genaue Position: 32° S), stellt sich die absolute Höhenlage in Bezug auf den Erdmittelpunkt dagegen folgendermaßen dar: Der zugehörige Erdradius seiner Zentralkoordinaten beträgt 6 370 534 m, die Distanz zum Erdmittelpunkt folglich 6 377 493 m und damit tatsächlich fast 7 km weniger als beim Chimborazo. Dafür findet sich aber auf der Breitenlage des Aconcagua eine andere Besonderheit, nämlich die größtmögliche Höhendifferenz bei gleichzeitig kürzestmöglicher Horizontalentfernung: Nur knapp 300 km westlich vom imposanten Gipfel dieses Andenvulkans erstreckt sich vor der chilenischen Küste der Atacama-Graben, der hier bis zu rund 8000 m tief ist. Das ergibt immerhin einen Vertikalabstand der Höhen- und Tiefenpunkte von fast 15 km in vergleichsweise enger räumlicher Nachbarschaft. Vom Mount Everest bis zur tiefsten Stelle im Sundagraben vor Java sind es dagegen 5340 km, und bis zum Vitiaz-Tief im Marianengraben müsste man sogar knapp 6000 km zurücklegen.


2.10 Die äquatornahen Andenvulkane sind vom Erdmittelpunkt viel weiter entfernt als der Mount Everest.

Würde man die Höhen auf der Erde nicht auf die – mittelfristig betrachtet – recht veränderliche Größe Meeresniveau beziehen, sondern wie beim Erdnachbarn Mond oder den genauer vermessbaren Planeten auf die jeweils tiefstgelegene Ebene in der näheren umgebenden Nachbarschaft, ergäbe sich wiederum ein abweichendes Bild: Vermessungstechnisch solchermaßen behandelt wäre tatsächlich das Massiv des 4168 m hohen Mauna Loa auf Hawaii der absolut höchste Berg der Erde: Vom direkten Umfeld seiner Basis, dem Tiefseeboden der Pazifischen Platte, bis zum Gipfel des Vulkanberges sind es immerhin stolze 9118 m.


2.11 Wie weit ist es wohl bis zum Horizont?

Die Küste

Подняться наверх