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Schöne Aussichten

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Für ein Zimmer mit buchungsmäßig zugesagtem Meerblick berechnet Ihnen jeder Reiseanbieter gewöhnlich einen klaren Preisaufschlag. Das ist zwar eventuell eine heftige Attacke auf das Urlaubsbudget, aber man nimmt sie bereitwillig hin, weil die freie Sicht auf die See nun einmal etwas so Erhabenes hat. Der Blick auf den marinen Horizont vermittelt zwar im Unterschied zu jeder Festlandperspektive das Gefühl einer fast unbegrenzten Weite – aber ganz so weit reicht er aus der Strandperspektive denn doch nicht hinaus, wie – vermutlich zu Ihrer Verwunderung – die obigen Rechenbeispiele gezeigt haben.

Ein beeindruckendes Küstenszenario ist zugegebenermaßen ungewohnt und vereinnahmt deswegen zuverlässig Gefühle, Sinne und Wahrnehmung, aber tatsächlich ist es vielleicht gar nicht so besonders aufregend. Ganz unstrittig richtig faszinierend ist nämlich eher der Blick nach oben, denn der reicht nun wirklich gigantisch weit hinaus.

Ein Tipp für Strandromantiker unter Südseepalmen oder an der nächtens einsamen Buhne 16 auf Sylt bei wolkenlosem Himmel: Hier kann man unversehens zum Astrofreak werden. Genießen Sie ohne störendes Gewölk einfach mal den überwältigend sternenreichen Nachthimmel ohne den hellen Wahnsinn, mit dem uns die unsägliche Lichtflut in Städten und selbst in Dörfern den elementaren Aspekt eines von ungezählten Lichtpunkten übersäten Sternenhimmels auf tiefschwarzem Hintergrund verdirbt. Strände und Küstenorte bieten dafür wundervolle Voraussetzungen. Übrigens: So unzählige, wie es die landläufige Einschätzung berichtet, sind es nun wiederum auch nicht. Unter optimalen Sichtbedingungen bei tiefdunklem Abend- oder Nachthimmel kann man auf der Nordhalbkugel mit bloßen Augen etwa 6000 Sterne sehen. Jeder von ihnen ist ein wegen komplexer Kernreaktionen selbstleuchtendes Gebilde wie unsere eigene Sonne.

Eine kleine Anregung: Fast jeder kennt das markante zirkumpolare (das heißt zu allen Jahreszeiten sichtbare) Sternbild des Großen Wagens, das ab Frühjahr nur wenig unterhalb des Zenits steht. Unverkennbar und weithin bekannt sind die Anordnung seiner vier Kastensterne und die aus drei Sternen bestehende, leicht abgeknickte Deichsel. Diese (in Amerika übrigens Big Dipper = Schöpflöffel) genannte Sternkonstellation ist allerdings nur ein Teil eines größeren Sternbildes. In allen fachlichen Sternatlanten findet man diese bekannte Sternansammlung unter dem Namen Großer Bär (Ursa major, wörtlich größere Bärin). In den besonders hellen Mitgliedern dieses Sternbildes einen Bären oder eine Bärin zu sehen, ist allerdings etwas schwierig.

Eines der interessantesten Objekte darin ist das Doppelsternpaar Mizar und Alkor – genau am Knick der Wagendeichsel. Den leuchtschwächeren Alkor bezeichnet man auch als Reiterlein, weil er auf dem helleren Deichselstern Mizar aufzusitzen scheint. Seit der Antike verwendet man diesen Doppelstern als Augenprüfer – wer beide ohne weitere Hilfsmittel noch getrennt wahrnimmt, kann sich in nächster Zeit den Gang zu Augenarzt bzw. Optiker ersparen. Mizar ist seinerseits ein bereits 1650 von Giovanni Riccioli (übrigens als Erster) als solcher erkannter Doppelstern in etwa 78 Lichtjahren Entfernung. Alkor ist 81 Lichtjahre von uns entfernt und ebenfalls ein Doppelstern, was aber nur leistungsfähige Teleskope auflösen können. Etwas links oberhalb von Alkor liegt eine sehr schöne Spiralgalaxie (M101), die ein gutes Fernglas immerhin als blassen rundlichen Fleck zeigt.

Und noch etwas: In der südlichen Umgebung der Großen Bärin befindet sich das unterdessen wegen seiner weitreichenden Erkenntnisse berühmte Hubble Deep Field. Die bemerkenswert erfolgreiche Raumsonde Hubble hat seit 1990 mit ihren spektakulären Aufnahmen gerade aus dieser Himmelsgegend besonders faszinierende Bilder geliefert.

Manchmal ist der Mond eine nicht ganz so willkommene himmlische Zusatzleuchte: Bei Vollmond sind weniger Sterne sichtbar; der Mond selbst steht als kreisrunde Scheibe am Himmel und erscheint größer, als er in Wirklichkeit ist. Er hat einen Durchmesser von 3476 km, was etwa einem knappen Drittel des Erddurchmessers entspricht. Auf der gerade leuchtenden, weil der Sonne zugewandten Seite es dann tatsächlich ungemütliche 120 °C heiß. Sollte sich der Mond jedoch nur als schmale Sichel zeigen, beträgt die Bodentemperatur in seinen beschatteten Partien etwa – 130 °C.

Im Durchschnitt ist der Mond etwa 384.000 km von Ihrem momentanen St(r)andort entfernt. Bei den im Allgemeinen gut sichtbaren Planeten sind die Distanzen noch viel größer. Bis zur untergehenden Sonne, die glutrot hinter dem Horizont versinkt und dann ausnahmsweise augenschonend angeblinzelt werden darf, sind es durchschnittlich rund 150.000.000 km – so weit, dass die mit etwa 300.000 km in der Sekunde herbei eilende Lichtstrahlung etwas mehr als 8 min lang unterwegs ist, um von der Sonnenoberfläche Ihre Haut zu erreichen und dort in besonderen Zellen die Bildung von Melaninen zu anzuregen, deren Summeneffekt man konventionell Urlaubsbräune nennt. Und wo wir schon gerade bei der Sonnenstrahlung sind: Die Sonne schickt in jeder Sekunde eine Strahlungsleistung von 41,86826 Joule ab. An der Außenseite der Atmosphäre kommen davon jedoch nur 8,123 Joule pro cm2 und Sekunde = 1360 Watt/m2 an. Diesen Wert bezeichnet man als Solarkonstante. Etwa 45 % dieser Strahlung ist sichtbares Licht der Wellenlängen 380 bis 720 nm. Ungefähr 15 % davon werden an Wolken reflektiert, um 4 % werden von kleinsten Teilchen in der Atmosphäre gestreut. Rund 6,5 % absorbiert die Atmosphäre. Nur etwa 30 % der Solarkonstanten erreichen daher den Erdboden im Umfeld Ihres Strandkorbs als diffuse oder direkte Sonnenstrahlung. Der Mond, der nur reflektiertes Sonnenlicht auf die Erde schickt (weniger als 1 %), ist im Vergleich dazu eine trübe Funzel.


2.15 Minimaler Photosmog am Strand verspricht eine fantastische Sternsicht.

Noch viel weiter als Mond, Planeten und Sonne sind von der Erde die Sterne entfernt – die Distanzen bemessen sich ausnahmslos in Lichtjahren. Die entfernteste Struktur im Weltall, die Sie vom abendlichen oder nächtlichen Strandausflug mit bloßem Auge gerade noch als milchiges Scheibchen erkennen können, ist die berühmte Andromeda-Galaxie M31 – sie ist etwas mehr als 2 Mio. Lichtjahre entfernt und mithilfe einer Sternkarte sehr leicht auffindbar. In bürgerlichen Angaben beträgt ihre Distanz von Ihrem Urlaubsstrand mehr als 200.200.000.000.000.000.000 km. Als das Licht, das Sie in just diesem Augenblick wahrnehmen, diese Galaxie verließ, begann auf der Nordhalbkugel der Erde gerade das Eiszeitalter (Pleistozän). Fast unglaublich, oder? Gelegentliches Eintauchen in kosmische Tiefen hat etwas durchaus beunruhigend Relativierendes, aber es ist ungemein faszinierend.


2.16 Am Hamburger Pegelturm kann man die wechselnden Pegelstände über NN ablesen.

Die Küste

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