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Der Dealer

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Kurt Müllermeier war anfangs ein Drogenhändler. Seine Mutter hatte ihn im Alter von drei Jahren an die staatliche Fürsorge abgegeben, da sie nicht mehr in der Lage war, für ihn zu sorgen. Ihre Alkoholsucht war nicht zu bändigen.

So verbrachte der kleine Kurt Müllermeier sein Leben in einem staatlichen Kinderheim. Er konsumierte schon im Alter von acht Jahren Cannabisprodukte und landete bereits mit vierzehn Jahren in einem Jugendgefängnis. Man hatte ihn beim Dealen mit Heroin er-wischt. Er war für einen mächtigen Tippgeber Einbrechen gegangen. Und, wie es sich für einen guten Tippgeber gehört, kümmerte er sich auch im Jugendgefängnis um seinen Schützling, um Kurt Müllermeier. Drogen gab es alle Sorten im Jugendgefängnis. Dafür sorgte der Herr Tippgeber. Es gab sie nicht nur für den kleinen Kurt Müllermeier, sondern auch alle seine Freunde und Mithäftlinge dröhnten sich mehrmals in der Woche ordentlich zu. Den diensthabenden Beamten war es mehrere Jahre lang nicht möglich, diese Lücke im System zu schließen. Es war für sie jahrelang unmöglich herauszufinden, wie die Drogen in die Jugendstrafanstalt gelangten. Alle möglichen Schwach-stellen wurden untersucht; alle Fahrzeuge, welche ins Gefängnis fuhren und es wieder verließen. Bis auf eines.

Auch alle Personen, welche das Gefängnis besuchten, wurden genauestens untersucht. Aber es konnte nichts gefunden werden. Keine Drogen. Trotzdem war jeden Montag das Jugendgefängnis sehr gut mit Drogen versorgt. Dieses Problem konnte nie gelöst werden.

Nach Jahren erzählte Kurt Müllermeier, wieder in Freiheit, in seinem Stammbeisl, welches gleichzeitig Drogenumschlagplatz war, wie die Suchtmittel ins Jugendgefängnis gelangten. Ein findiger Tippgeber hatte herausgefunden, mit welchem Fahrzeug der Gefängnisdirektor zu seiner Arbeit fuhr. Wie es damals Sitte war, wurde das Auto des Herrn Gefängnisdirektors in der Gefängniswerkstätte von den jugendlichen Strafgefangenen gereinigt und gewartet. Der Tippgeber von Kurt Müllermeier hatte angewiesen, dass man an der Unterseite des Autos des Gefängnisdirektors ein nicht sichtbares gasdichtes Behältnis mit mehreren hundert Gramm rauchbaren, injizierbaren und schnupfbaren Drogen anbringt. In der Gefängniswerkstätte entfernte man wöchentlich dieses Gebinde. Entleerte es und montierte es wieder an der Unterseite des Fahrzeuges. Bis auf den Direktor und die Justizwachebeamten feierte das ganze Gefängnis. In dieser Haftanstalt verbrachte unser Kurt Müllermeier seine Jugend.

Kurt Müllermeier war ein Künstler. Da er mit dem Handeln mit verbotenen Substanzen sehr viel Geld verdiente, hatte er immer genug Mittel, um sich teure Öl- und Acrylfarben zu kaufen. Mit diesen Farben malte er in seiner Freizeit schöne Bilder.

Während seines Gefängnisaufenthaltes verbrachte er sehr viel Zeit damit, Bücher über Kunst zu lesen. Daher kannte er sich mit der Kunst aus. Er fertigte Metallplastiken und verkaufte diese über eine Galerie in der Stadt an reiche Kunstsammler.

Da Kurt Müllermeier ein sehr findiger Dealer war, war es ihm gelungen, nach seinem achtzehnten Geburtstag nie mehr eingesperrt zu werden. Kurt Müllermeier hatte es geschafft, sich mit der Polizei zu arrangieren. Der oberste Drogenfahnder der Stadt war sein bester Freund geworden. Das Geschäft funktionierte sehr einfach: Immer die besten Infos an die Polizei, dafür wurde Kurt Müllermeier nie verhaftet. Er hatte immer sehr gute Ware bei sich.

Sein bester Freund, der Herr Drogenfahnder, war selbst den guten Dingen nicht abgeneigt. Bei Kurt Müllermeier wurde bei keiner Drogenrazzia etwas gefunden. Entweder schauten die Fahnder weg oder Kurt erhielt rechtzeitig ein nettes sms von seinem Freund als Warnung.

Das Büro, die Schaltzentrale, der Umschlagplatz von Kurt Müllermeier befand sich in einem kleinen Lokal im Zentrum der Stadt. Zwei ältere Herren, so um die sechzig Jahre alt, führten diese Gaststätte. Am frühen Nachmittag trafen die ersten Dealer und auch Dealerinnen in der Gaststube des Lokals ein. Jeder Gast hatte sich über die Jahre seinen Platz ersessen. Der beste Platz war gleich neben der Eingangstüre. Dort war man der erste Ansprechpartner für eventuelle Drogenkunden. Auf den Tischen weiter drinnen in der Gaststube saßen die jüngeren Dealer oder jene, welche noch nicht so lange im Geschäft waren. Der beste Platz aber war der Tisch neben der Eingangstüre.

Von weit her kamen die Drogenkonsumenten angereist. Sie wussten, hier in der Imbissstube gab es das beste Gras zu kaufen. Obwohl die nächste Polizeiwachstube nur wenige hundert Meter von dieser Gaststube entfernt war, wurde das Lokal nie von den Polizisten dieser Wachstube kontrolliert. Es war ein ungeschriebenes Gesetz. Nur wenn sich die Nachbarn des Lokals zu sehr über die Missstände dort aufregten, oder es Wahlkampf war, wurde gegen die Dealer im Lokal vorgegangen. Allerdings schritten nicht uniformierte Polizisten von der nahegelegenen Wachstube ein, sondern eine von Hunden begleitete Sondereinheit der zentralen Bundespolizei riegelte das Lokal ab und durchsuchte alle Gäste. Kurt Müllermeier wurde wie immer rechtzeitig von seinem Freund, dem Chef der Drogenfahndung, gewarnt. Entweder ging er an so einem Tag nicht ins Lokal, oder wenn er schon dort unterwegs war, hatte er dann keine heiße Ware mit.

Bei den Razzien wurde meistens nichts gefunden, da Kurt Müllermeier auch seine Freunde warnte. Oft war an dem Tag der Razzia kein Dealer im Lokal zu finden. Einfache Alkoholiker und andere Drogenkonsumenten wurden dann verhört, aufs Revier mitgenommen, datenmäßig erfasst und wieder nach Hause geschickt. Die unruhige Nachbarschaft und auch die Politiker waren somit beruhigt. Die Polizei war dort und hatte ein paar Typen mit aufs Revier genommen.

So ungefähr einmal im Jahr wurde das Lokal durch-sucht. Wie gesagt, nicht um jemanden oder etwas zu finden, sondern um den Nachbarn und Politikern gefällig zu sein.

Die Drogenfahnder waren froh darüber, dass sich der gesamte Drogenhandel von Sonnenstadt im Gastraum dieser Imbissstube abspielte. So wussten die Drogenfahnder immer, dank ihrer Informanten, wo sich gerade welcher Dealer befindet und was er gerade treibt.

Früher wurden mehrmals im Jahr Dealer verhaftet. Diese Strategie stellte sich als äußerst problematisch heraus, da dadurch eine Lücke in der Versorgung der Bevölkerung mit Drogen entstand. Beträgt der Anteil an Konsumenten von illegalen Substanzen wie vorher erwähnt doch 5 % einer Gesamtpopulation, so kam es durch die Verhaftung zu vieler der Dealer zu Versor-gungsengpässen bei den Drogenkonsumenten.

Das größere Problem, welches durch die Verhaftungen entstanden war: Ein neuer noch unbekannter, unkalkulierbarer Dealer nahm die Stelle des verhafteten Drogenhändlers ein. Es dauerte oft mehrere Monate bis der nachfolgende Drogenhändler eine für die Polizei kalkulierbare Größe wurde. Daher war man von Drogenfahnderseite eigentlich sehr interessiert, so wenige als möglich in der Szene zu verhaften. Die Schlauen unter den Dealern hatten dies schnell bemerkt und stellten fest, wenn man nicht zu übermütig, zu gierig oder zu brutal war, ließen einen die Polizisten in Ruhe. Denn wenn sie nicht mussten, schritten die Polizisten nicht ein. So lebte Kurt Müllermeier sein Dealerleben.

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