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8. Szene: Kaffeeölung

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Boris' großer Tag. Boris von schräg gegenüber. Boris, der Baristamörder.

Boris hatte sich für mich entschieden. Ich durfte mit ihm diese berühmte letzte Mahlzeit teilen, die jedem zugestanden wird wie einem kranken Kind. Wie eine Entschuldigung.

Boris hatte sich nur für diesen Tag seinen verchromten Handhebel-Kaffeekocher kommen lassen, der über die Jahre in einem Magazin der Anstalt verpackt gewesen war. Und eine ganze Dose seines Lieblingskaffees, dunkelbraun, fast schwarz und so ölig, dass er einen glänzenden Abrieb auf den Fingern hinterließ. Boris lächelte mir ernsthaft zu, als ich am gedeckten Tisch saß. Dann erklärte er mir, dass man beim Kaffee ja leider nur auf den allerletzten Akt noch Einfluss habe, doch dass auch schon das Mahlen der Bohnen wichtig gewesen sei, und davor das Rösten, und noch davor das richtige Wachstum, der Boden, die Nährstoffe und überhaupt die ganze Fürsorge. Schließlich sei ja der Kaffee etwas Lebendiges - jede Pflanze, jede Bohne ein Individuum. Wichtig schon das Herausschälen der weichen, sich aneinander schmiegenden Samen aus der pelzigen Hülle, das Waschen der Ernte im Bottich, und dann das langsame Ausdörren in der tropischen Sonne, so lange, bis jede einzelne Bohne ausreichend gefestigt ist, um in der Pfanne nicht zu platzen. Beim Rösten dann die Verkrustung, das Eindampfen der ätherischen Öle in die schrumpfenden Körper, ohne zu verbittern. Erkaltet und hart geworden wie Stein verbringt die Bohne viel Zeit unter ihresgleichen, und das einzige Ereignis ist irgendwann das Zermahlenwerden zu Pulver, gerade so fein, dass ihr Duft mit ihr verhaftet bleibt.

Erst im letzten Akt die Befreiung. Boris versprach, dass ich heute nicht bloß Kaffee, sondern dessen pures Wesen trinken würde, etwas, das jenseits meiner physischen Vorstellungen von Kaffee läge. Ich beobachtete sein konzentriertes Hantieren, Justieren und Probieren, als wäre ein wirklich guter Kaffee das Letzte, was man im Leben noch erreichen könne. Er achtete auf die richtige Menge des Mehls, das mit dem Tamper wieder zu einem Ganzen zusammengepresst wurde, und auf den richtigen Moment, an dem er das heiße Wasser durch Hochziehen des Hebels in die Siebarmatur leitete, wo es in den Körper drang und sich mit den Aromen vermischte. Mit entschlossenem Blick, in einer einzigen, präzisen Bewegung drückte er dann den Hebel hinab, wodurch das Eluat von allem Überflüssigen getrennt wurde und als schwarzer, bitterherber und ganz leicht nach Diesel riechender Strahl in die Tasse tröpfelte.

»Die Seele der Kaffeebohne!«, sagte Boris verschwörerisch.

Ich hätte ihn beinahe nach seiner Seele gefragt, aber ich traute mich nicht. Denn da stand schon der Mann in der Tür, und Boris schien gerade so vergnügt, wie er mit halb geschlossenen Augen seinen letzten Espresso schlürfte.

>>> Kommentar der Putzfrau: »Hab' den Kaffee langsam auf.«

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