Читать книгу Das kriege ich auch noch hin - Dr. Phil. Monika Eichenauer - Страница 12

DER MENSCH ÄNDERT SICH?!!

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Es gibt nicht DAS MITTEL für eine optimale Balance. Es gibt nicht DIE METHODE, um ein glückliches Leben zu führen. Es gibt KEIN FÄHIGKEITS-GEN, das garantiert, dass Sie gute Leistungen an ihrem Arbeitsplatz vollbringen. Außerdem setzt ARBEIT Leben voraus. Was soll es also, so ein Gebilde wie LIFE-WORK-BALANCE zu konstruieren?

Die Beziehung zwischen Leben und Arbeit ist eine Einbahnstraße.

Ein Konstrukt enthält den Zweifel, ob Strukturen und Kombinationen, die das Modell halten, zutreffen. Es ist vage und noch variabel. Veränderbar. Nicht endgültig. Gedanken darüber machen sich Arbeitnehmer ebenso wie Chefs, Manager und Geschäftsführer, Eheleute, Eltern, Politiker, Juristen - kurz alle Menschen. Jeder auf seine Weise. Insofern ist es generell gut und wichtig, sich Gedanken über die drei Faktoren im Verhältnis zu einander zu machen. Zu bedenken ist, nach gültigem wissenschaftlichen Paradigma gilt eine Aussage solange, bis sie widerlegt ist. Nun ist LIFE-WORK-BALANCE ein Konstrukt, dass aus ökonomischen Gründen erfunden wurde und als WORK-LIFE-BALANCE weniger eines, dass aus wissenschaftlichen Gründen in seinen drei Säulen zusammengeführt wurde, um Menschen bewusst werden zu lassen, wo sie in ihrer Entwicklung stehen und wo es weiter gehen könnte für sie.

Gegenwärtige Dynamik politischer und ökonomischer Entscheidungen legen unausgesprochen offen, warum es notwendig ist, über Wirtschaft, Arbeit und Balance in der Welt in jeder Hinsicht verschärft nachzudenken. Motive, Taten, die jeder Ethik spotten und die Diskrepanz zwischen dem, was gesagt wird und dem, was letztendlich gemacht, gezahlt und an Gesetzen verabschiedet wird, ableiten und ablesen lassen, verschlagen so manches Mal den Atem.

Wirtschaftliche Praktikabilität von solider Korrektheit bis zur Kriminalisierung des täglich neu zu ökonomisierenden Geschäfts- und Produktionsvollzugs erzeugt ein Kulturverständnis und Menschenbild, dem wir lernen müssen, zu begegnen. Voraussetzung ist, genau hinzusehen. Weil, es kann unseren Untergang bedeuten, wenn wir es nicht tun. Inzwischen gibt es Morddrohungen gegen Politiker, so, wie gegen den André Stahl in Bernau (20.10.2015). Henriette Reker liegt nach dem Anschlag in Köln in der Klinik.

Wir sollten uns keine Illusionen machen: Es gibt skrupellose Menschen, die zu unendlich vielen Grausamkeiten in der Lage sind. Das sollten wir weltweit spätestens in den letzten 70 Jahren gelernt haben. Andererseits könnten wir auch Bedingungen für unseren Neuanfang übersehen, wenn wir nicht genau hinsehen, was in unserer Welt passiert und sich entwickelt.

Wir glauben nicht einmal wirklich an die in der Presse beschriebenen Grausamkeiten und Skandale. Weil wir sie nicht wollen. Wir wollen unsere Ruhe. Aber so bekommen wir nur Unruhe. Sorgen. Skandale. Übles. Und immer wieder Gift auf den Teller. Dieses Gift wollen wir weder auf dem Teller, noch anderswo.

Das jeweilige Menschenbild in einer Gemeinschaft muss wichtiger sein als die Profitrate. Ohne scheu abzulesen, wie wir sind und was wir machen, ist Ziel einer Tagesordnung, die auf Reflexion wert legt. Eine Ökonomie, die an Bedürfnissen von Menschen entwickelt wird. Und nicht umgekehrt: Der Mensch beugt sich den Vorgaben der Ökonomie.

Der Mensch ist selbst unablässig in Veränderungen durch Entdeckungen aus Medizin, Biologie, Psychologie, Physiologie, Anthropologie und vielen anderen Wissenschaftszweigen, die ihm nahebringen, wie er funktioniert, involviert.

Allein durch diese Information verändern Menschen sich: Durch hören, sehen, erzählt bekommen und durch Identifikation und selbst machen, was man gesehen hat. Sie kennen es, wenn Menschen plötzlich wie abgesprochen die gleichen Redewendungen verwenden, und zwar, mit einer bestimmten Betonung, die signalisiert: Ich kenne das. Ich weiß Bescheid. Ich bin en vogue! Ihnen fällt bestimmt auch die Redewendung ein: O.K. !!!

Sag‘ ich zu meiner Sekretärin: „In meiner Praxis gibt‘s kein O.K.!“

Sagt sie: „O.K.!“

Frag‘ ich: „Hallo?“

„O.K.“, sagt sie und merkt gerade, was sie sagt, „nein, ach‘ Sorry, O.K. gibt‘s ja nich‘!

„Gut“, sag‘ ich, „dann haben wir es ja jetzt klar!“

„O.K.!“, meint meine Sekretärin ganz ernst und zeigt einen harmlosen Gesichtsausdruck, als wüsste sie von nichts und als hätte ein Gespräch über O.K. nicht stattgefunden.

Menschen verändern sich durch Sprache, Technologien und durch Kochrezepte, muss man heutzutage schon dazu setzen. Computer und Handys revolutionierten die Welt und die Möglichkeiten zur Kommunikation. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie es war, auf der Schreibmaschine zu schreiben und ohne Handy zu leben. Sie sind unentbehrlich geworden.

Psychologische Psychotherapie hat an Boden gewonnen und marschiert in großen Schritten breitflächig ins Leben von Menschen hinein, bietet Unterstützung und Hilfen in Form von tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer Psychotherapie, Beratung, Coaching und Verhaltensformung an. Durchforstet analysierend das Leben, deckt Dynamiken und innere Zusammenhänge auf, zeigt auf Stolpersteine und wie Menschen aus welchen Gründen Dinge bewältigt haben, oder eben auch nicht. Erklärungen und Trainings sind obligatorisch.

Die DAK veröffentlichte im Oktober 2015 einen DAK-Psycho-Report des Berliner Iges Institutes, nach dem seit 1997 die Zahlen der psychischen Erkrankung bzw. Krankschreibungen wegen psychischer Probleme um 1/3 zugenommen hätte. (LANGE, A. 10/2015)

Meist wurde wegen Depressionen krankgeschrieben. Diskutiert wird, ob die Diagnostik verbessert wurde, die derartige Symptome besser identifiziere oder aber die psychischen Krankheiten zugenommen hätten. Man neigt zur Auffassung, die Diagnostik habe sich verbessert. Hinzugesetzt worden ist, dass Menschen, die eine Diagnose im psychischen Formenkreis bekommen, weniger körperliche Erkrankungen hätten. Dies wiederum ist aus meiner Sicht ein Argument, dass schon seit Jahren in unserem Fachbereich angeführt wurde, Kosten für Psychotherapie zu übernehmen, weil dadurch in allen anderen Bereichen Symptome abnähmen. Menschen schlicht gesünder würden. Auch dazu gibt es Studien.

Dass die Diagnose ,Depression‘ vermehrt in Krankschreibungen auftaucht, mag durch den Umstand begründet sein, dass HAUSÄRZTE mittels spezieller Diagnoseverfahren für Depressionen entsprechende Diagnosen ausstellen dürfen - sprich, es müssen nicht einmal Diagnosen von den Psychologischen Psychotherapeuten sein, die dort auf der Krankenbescheinigung stehen, weil wir gar keine Krankschreibungen vornehmen dürfen, obwohl wir umfassende Ausbildungen haben. Insofern entstehen Situationen, wo die Ärzte in unseren Praxen anrufen und fragen, was der Patient denn‘ hat? Die Ärzte sind überfordert mit dem, was sie alles wissen und können sollen - aber sie halten die Klappe, sagen nichts. Es gibt wohl kaum jemanden, der sagt, das kann ich nicht. Das weiß‘ ich nicht. Das mach‘ ich nicht. Ebenso wie ihre Kollegen, besser Kolleginnen, die Psychologischen Psychotherapeutinnen, die nicht sagen, dass so eine überzogen eng gefasste und beschnittene Berufsausübung nicht akzeptable ist.

„Was soll ich denn auf die Notwendigkeitsbescheinigung oder auf die Krankschreibung für eine Diagnose schreiben, Frau Kollegin?“

Was fachlich von unserem Berufsstand der Psychologischen Psychotherapeuten politisch gehalten wird, drückt sich in dem eklatant schmalen Heftchen der Berufsrechte und der uns zugedachten Honorare aus. Sie werden nicht an dem schmalen Heftchen der Berufsrechte gemessen, sondern stellen reine Erfindungen eines Geistes da, der Geschlechtsmerkmale und deren Ableitungen als Basis für Übertragungen auf Berufsstände - in diesem Falle, unserem - ökonomisch berechnet als gerecht zu allen anderen Fachärzten darstellt. Mit dem feinen Unterschied, dass vor unserer Haustür der Golf oder das Fahrrad steht und bei den Ärzten der neueste Porsche Cayenne, oder der 911er und irgendein Transporter für die Frau und die Kinder: Man überlässt NICHT-FACHLEUTEN darüber zu entscheiden, welche psychischen Probleme ein Mensch hat und auch die Entscheidung darüber, wie diese Menschen behandelt werden. Ärzte machen das mit Links: Denn sie sind immer noch die Götter, die gut bezahlt werden. Wir schauen jedes mal in den ICD und blättern, wägen ab, aber nicht so die Ärzte: Die haben keinen, die blättern nicht - wann auch! Dafür haben sie gar keine Zeit! Denn Time is money! Bei uns natürlich nicht. Denn wir bekommen nur eine Leistung pro Zeiteinheit verrechnet. Ärzte, je nach Organisationstyp der Praxis für ein und dieselbe Zeit zig verschiedene Leistungen. Denn da dürfen ja mehr Menschen in der Praxis arbeiten ... Bei uns ja nicht! Gehen Menschen zum Hausarzt - und das Hausarzt-Modell legt dies nahe, weil Versicherungsnehmer sich dort Überweisungen holen müssen zu den Fachärzten - darf der HAUSARZT Menschen psychisch diagnostizieren und krankschreiben.

Meiner Erfahrung nach, um zu den Depressiven zurückzukehren, ist das Spektrum der Diagnosen deutlich breiter gefasst anzusiedeln und nicht allein auf ,Depressionen‘ beschränkt. Aber es mag sein, dass die Diagnose oft gewählt wird für Krankschreibungen, weil man diese Diagnose kennt.

1,9 Millionen Berufstätige, die von Ärzten als depressiv diagnostiziert krankgeschrieben werden, ist eine große Zahl.

Das veränderte Berufsleben - womit vor allen Dingen gemeint ist, viel mehr in einer Stunde an Leistung oder Fertigstellung von Produkten vorzuweisen - hat einen sehr deutlichen Einfluss auf die Psyche, wie ich aus über dreißigjähriger Berufstätigkeit in dem Bereich sagen kann und die Patientenzahlen haben deutlich zugenommen. Zusagen oder zu interpretieren, die Zahl der psychisch Erkrankten habe nicht zugenommen, die Menschen würden nur besser diagnostiziert, halte ich für eine sehr gewagte Hypothese, die sich im Gros nicht mit Erfahrungen praktizierender Psychotherapeuten decken dürfte. Letztlich handelte es sich dann lediglich um eine Verschiebung der Diagnose und nicht um Einschnitte lebensverändernder Ereignisse mit psychischer Repräsentanz, die sich aus Diagnosen ablesen lassen. Hier sollen mit derartigen Argumenten Arbeitsprozesse legitimiert werden, die sich auf Menschen gesundheitsgefährdend auswirken. Menschen sind nicht dafür gemacht, immer die gleichen Bewegungen oder Arbeiten auszuführen. In immer den gleichen Haltungen zu stehen, zu sitzen oder in immer den gleichen Bahnen zu denken. Sie leiden darunter. Sie leiden auch unter Veränderungen wie Rationalisierungen. Sie leiden unter der Unsicherheit, ob sie von Entlassungen betroffen sein könnten - solche Prozesse, bis Entscheidungen getroffen werden, können sich über Monate hinziehen. Große Ungewissheit, was die Zukunft bringen könnte, arbeitet sich Stunde für Stunde in Menschen durch ihre Körper, Zellen und ihr Denken. Sie reagieren mit körperlichen und psychischen Symptomen.

Weiter hieße dies, dass der Effekt von Psychotherapie und deren präventiver Wirkung für die Gesundheit lediglich eine Fehlinterpretation ist, weil man nun in der Lage sei, Menschen besser in psychische Diagnosen zu erfassen. Warum dann im gleichen Zeitraum direkt körperliche Symptome flach fallen sollten, erscheint erklärungsbedürftig. Weiter wäre zu bemerken, dass wenn Menschen einmal gelernt haben sich selbst als eine körperliche und psychische Ganzheit zu begreifen und weiter, psychosomatische Zusammenhänge zu durchschauen, ganz sicher nicht wieder in alte Muster ihrer Symptome zurückfallen, sondern, wenn Symptome auffällig werden, sich darum kümmern würden.

Die Rochade gibt es im Schach, aber nicht in der Symptomenwelt im Gesundheitswesen. Bei der Rochade, dem einzigen Doppelzug im Schach, wird der König in Sicherheit gebracht und der Turm im weiteren Spiel in der Funktion entwickelt. Tatsächlich ist es so, dass auch Menschen in ihrer Psyche Schachzüge und Sprünge und noch einiges mehr vollbringen. Zum Beispiel in der Psychosomatose, in der hysterischen Entwicklung, im Trauma und vielen anderen psychodynamischen Hinsichten mehr. Aber da nimmt diese Art von Bewegung (Verschiebung etc.) einen anderen Stellenwert und eine ganz andere Bedeutung an, die mit der obigen Diskussion der Verschiebung von Diagnosen überhaupt ganz und gar nichts zu tun hat. Aber diese Diskussionen könnten assoziativ dazu führen, genau dies zu glauben. Statt zu sagen: Wir haben enorme Lücken in der Theoriebildung, Schwierigkeiten bei der Interpretation der Zahlen und in den Untersuchungsmethoden. Artefakte, die zum Beispiel Erklärungsbedarf wachrufen würden, warum Ärzte vermehrt die Diagnose Depressionen wählen: Vermutlich deshalb, weil sie dieses Symptomenbild in drei verschiedenen Hinsichten differenzieren können, weil sie in einer entsprechenden hausärztlichen FORTBILDUNG das Modul erklärt bekamen (?), also ,kennen‘ und andere deshalb nicht ERKENNEN, weil sie die umfangreichen Diagnosegrundlagen unseres Fachbereichs nicht auch noch mal eben im Abendkurs oder am Wochenende lernen können? Ehrlich gesagt: Man wüsste auch nicht wirklich, warum sie das tun sollten. Schließlich gibt es die Fachärzte für Psychotherapie, die Psychologischen Psychotherapeuten, Medizinischen Psychotherapeuten, Psychiater und Neurologen, die sicherlich genauer hinsehen und Diagnosen differenzieren.

Bei diesen Zahlen und dem Anstieg der Krankschreibungen aufgrund psychischer Symptome handelt es sich nicht um einfache Verschiebungen von Symptomen in den psychischen Bereich hinein. Denn dass hieße - geht man von wissenschaftlich fundierten Grundlagen der Psychosomatik aus - dass aus nicht richtig behandelten somatischen Symptomen der medizinischen Behandlung Psychoprobleme entstünden. Ich glaube nicht, dass die Medizin an solchen Aussagen über ihr Berufsfeld weder interessiert, noch amused sein dürfte. Weiter ist es nun einmal umgekehrt so, dass aus nicht bearbeiteten psychischen Problemen somatische Probleme erwachsen können. In diesem Bereich existieren einige Diagnosen, die spannende psychische Dynamiken aufweisen. Weiter ist es so, dass man super gut körperliche Symptome mit Psychotherapie auflösen kann. Auch das will die Klassische Medizin nicht hören. Kann ich auch verstehen - aber nicht auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisbereitschaft und Neugierde.

Natürlich kann man nicht alles mit Psychotherapie behandeln - das versteht sich von selbst. Aber darum geht es jetzt nicht.

Es geht darum, dass die Feststellung, dass psychische Erkrankungen zunehmen und Krankschreibungen, denen hoffentlich richtige Diagnosen zugrunde liegen, nicht mit mystischen Verschiebungen von Krankheiten aus dem somatischen Bereich zu erklären sind.

Psychische Erkrankungen haben im großen Maßstab zugenommen. Und genau darum haben wir uns zu kümmern.

Diese Steigerungen liegen nicht daran, dass die Menschen plötzlich psychisch anfälliger oder labiler geworden sind, weil sie dafür individuelle Gründe haben, sondern die Lebens- und Arbeitsbedingungen sich in den letzten 15 bis 20 Jahren extrem verschlechtert haben: Für diejenigen, die nicht zur Oberschicht zählen. Denen geht‘s ja extrem gut. Da ist etwas zwischen diesen beiden Gruppen extrem im Ungleichgewicht - in der Demokratie. Das ist die Aussage, die richtig und stimmig sein dürfte.

Entspannungsverfahren kennt wohl inzwischen fast jeder in Deutschland. Sie sind selbst an Volkshochschulen fester Bestand des Angebots. Es ist selbstverständlich geworden, sich bei Depressionen, Burnout, Mobbing, Essstörungen, Süchten jeder Art, Beziehungs- und Arbeitsplatzproblemen einen Psychologischen Psychotherapeuten zu suchen, sich coachen zu lassen oder sich eine Beratung zu gönnen, um Konflikte leichter aufzulösen und Probleme zu durchdringen. Im Fernsehen werden psychologische und psychotherapeutische Sendungen gezeigt. Spielfilme zeigen Zusammenhänge zwischen Ereignissen, Menschen und Situationen auf. Viele Menschen erfahren auf diese Art und Weise etwas über das Leben und über ihre Empfindungen und wie sie mit ihnen umgehen können.

Es gab niemals zuvor gebildetere Menschen auf der Welt als jetzt. Sehr viele Menschen haben die Möglichkeit sich zu bilden - auch wenn es insgesamt noch viel zu wenige sind. Aber, die Möglichkeit dazu besteht.

Mensch und Tätigkeit, Mensch und Arbeit, gehören zusammen. Tätigkeiten öffnen allen möglichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Vorlieben Tür und Tor zur Verwirklichung. Arbeit nicht. In der Arbeit steckt eine Definition, die menschliche Fähigkeiten fordert und eine Zielvorgabe, was es herzustellen gibt und in wie viel Zeit und welcher Qualität dies zu geschehen hat. Diejenigen, die über die enge Definition der geforderten Leistung hinaus gehen, schaffen vermutlich wieder neue Standards, die feinere Fertigkeiten im Menschen hervorbringen. Zwischen Fähigkeiten, Tätigkeiten und den bearbeiteten Objekten, bestehen gegenseitige Beeinflussungen.

Ist ein Mensch nicht in der Lage, diese Leistung - und Leistung ist das Ergebnis des Einsatzes von Fähigkeiten - zu erbringen, muss er gehen. Ein anderer wird seine Arbeit machen. Der Mensch beeinflusst und verändert durch seine Fähigkeiten die Objektwelt. Er schafft neue Produkte und verändert sich durch den Einsatz seiner Fähigkeiten in die inhaltlich weiter gefassten Tätigkeiten und den enger umschriebenen Leistungs- und Zielvorgaben selbst.

Das Dritte, die Balance, als Ergebnis dieser Liaison von Arbeit und Fähigkeit und Tätigkeit und Fähigkeit zu betrachten. Balance ist Voraussetzung und Ergebnis zugleich. Werden Grenzen nicht eingehalten und hantiert jemand mit Giftstoffen, ist seine Balance und dann letztlich sein Leben verwirkt. Er stirbt.Eben.

So lapidar wird es oft rund um den Globus gesehen, wenn Grenzwerte überschritten werden, der eine dem anderen etwas klaut, oder ihn ausgetrickst bankrott auf dem Schlachtfeld zurücklässt, Milliarden vergeigt und mit Hilfe von Gesetzen Millionen in die eigene Tasche versenkt werden. In einem sind alle sich einig: Hoffentlich klappt es. Und von der Wirkung her gesehen: Hauptsache es trifft nicht mich!

Wir wissen: Es gibt Menschen, die arbeiten sich tot. Können sich dennoch kaum etwas leisten. Dann gibt es welche, die arbeiten unverschämt wenig, haben sowieso schon viel und tun weiterhin nichts. Das geht nicht, sagen die einen. Es passt nicht zum Menschsein, könnte man fast versucht sein, zu sagen, meinen die anderen. Es sei widernatürlich und ungesund, könnten noch andere sagen. Diskutiert wird, wer hier eigentlich die Lage schräg einschätzt! Wie bringt ein Leben in der Demokratie es zuwege, so ein Ungleichgewicht zu manifestieren, wo doch alle wählen gehen können: Und die Vielen immer den Kürzeren ziehen? Der, der viel hat und nichts tut, sich alles leisten kann, ab und an spendet, als Gutmensch erscheint und die Spenden abschreibt (alles ganz normal und legal) oder derjenige, der nichts hat, viel Arbeit und sich dennoch nichts leisten kann? Der möglicherweise daran glaubt, dass Geld nicht glücklich macht? Ich glaube, Menschen, die dieser Auffassung anhängen, scheuen die Auseinandersetzung mit einem Zustand, wo viel Geld vorhanden ist. Da sind doch soziale Verhältnisse und die sie konstituierenden Beziehungen in einem Land in eine Misslage geraten, so wie die Menschen, die daran hängen und darin leben.

Da muss man doch mal über LIFE-WORK-BALANCE nachdenken - oder nicht?

Über Diskrepanzen in unserer Kultur schweigen, ist das so ziemlich dümmste, was man machen kann. Also, besser anpacken, besprechen und beheben, wenn es geht.

Aber nicht, Gesetze verabschieden und Menschen irgendwohin schicken.

Es ist ein zeitgemäßer Versuch zu starten, die Beziehung zwischen Leben und Arbeit in ein neues Gewand zu kleiden, in dem noch Platz für ein Drittes ist, für Balance. Nun spreche ich hier nicht die Balance an, die gefordert ist, wenn Menschen überfordert werden und zwangsläufig ausbalancieren müssen. Sondern von Balance, der genügend Zeit und Überlegung gegeben werden kann. Der unangefochtene Meister der Balance ist der Mensch. Bedeutungen geben wir den Dingen. Mit unseren Fähigkeiten schaffen wir Tätigkeiten und gestalten wir Welt. Die Balance liegt in Händen der Jongleure, die mit den verschiedenen Bällen, die in der Luft zu halten sind, spielen. Die Bewegung ist das ausschlaggebende. Sie hält alles in Fluss. Und in der Ordnung.

Und da fängt das nächste Problem an.

LIFE-WORK-BALANCE, ob als mathematisch fundierte Psychoökonomie in Form von WORK-LIFE-BALANCE konzipiert, in der Motivation und Ethik berücksichtigt werden, aber ausschließlich als Aushängeschild benutzt werden und der Perfektion einer optimierten Profitrate dienen. Neuestes Beispiel für Kommunikationsformen profitabler Geschäftsziele, das nicht einmal durch eigene Mitarbeiter klar übersetzt oder erläutert werden konnte: Ober besser, sie wollten es dann doch lieber nicht so übersetzen, wie es gemeint ist?

Low cost to kill!

Irgendein Fernsehsender (3sat?) hatte recherchiert und nachgefragt: Niemand konnte auf dem Messestand sagen, was es heißt oder was gemeint sein könnte. Gemeint ist im Prinzip, was da auch klar formuliert wurde: Sehr niedrige Kosten, Feinde zu bekämpfen oder um zubringen. Fertig. Machen wir es kürzer: Niedrige Kosten, zu töten.

Man schämte sich wohl, auszusprechen, was man - so unterstelle ich mal - sofort verstanden hat. Derartige Slogan versteht man besser nur, wenn man unter sich bleibt? Einen Vergleich anklingen zu lassen „wie beim Erzählen von Männerwitzen“ verbietet sich wegen der ungleichen Inhalte aus ethischen Gründen - sarkastisch bleibt dennoch übrig, das Lachen am Ende dürfte aus dem gleichen Punkt und demselben körperlichen Ort stammen. Die Verbindung zwischen Macht und Sexualität ist nun hinreichend analysiert als das dies ein neuer Gedanke wäre. Die Phallus-Malus-Regeln zeigt sich bereits metaphorisch in einem betagten, alten Herrn mit langem Bart und aber immer noch mit Gewehr. Natürlich muss man da auch mal einen Blick auf die jungen Männer werfen, die anfangen, wie wild durch die Gegend zu ballern.

Low cost to kill - dieser Slogan wurde sogar als der wichtigste Faktor bei dem Waffen-Produkt ausgewiesen. Am nächsten Tag fehlte dieser wichtigste Faktor in Form dieses sprachlichen Gebildes im Internet. Und er fehlt jetzt immer noch bei der Rheinmetall AG. Ich glaube, er ist bei der Nachfrage durch den Fernsehsender gestorben. Aber, so schnell ist er nicht zu begaben. Er spiegelt den Zeitgeist des Kapitals und wird immer wieder als fest implantierte Chimäre das Licht der Welt an Seiner Heiligkeit schützen: Durch Abwehr, die tötet. Und die sollte möglichst wenig kosten.

Jedoch fehlt dieser Faktor nicht in den Konzeptionen, Kapital zu vermehren. Je billiger ein Produkt herzustellen ist - und dafür nimmt man weite Wege global in Kauf - und um so teurer man es hinterher verkaufen kann, und zwar viele, viele Male, um so besser für den Profit. Und um so eher ist der Konkurrent gekillt oder der Kunde tot, weil das Produkt einfach in der Qualität zu schlecht war. Aber das ist dann auch egal: Das Geld hat man im Sack. Dann werden eben Strafgelder gezahlt! Ja und? Made in Germany: Low cost to kill. Dieses Thema, sich mit Fragen der billigen Vernichtung von Menschen zu beschäftigen, haben wir nicht das erste Mal in Deutschland - das gab‘s schon einmal sehr ausführlich ... Und hier, im Zusammenhang mit Waffen auch nicht alleinig.

Im Prinzip schwemmt bei näherer Betrachtung der Spruch LOW COST TO KILL ein Geheimnis der Globalisierung ins Bewusstsein und in die Öffentlichkeit. Ob das die Bekleidungsindustrie ist, die billig in Ländern produzieren lässt, wo man als Tagelohn an Kinder 17 Cent umgerechnet auszahlt. Hier sterben Menschen an den wahnsinnig vielen Arbeitsstunden. Sie sterben zusätzlich früh, heißt, sie werden nicht alt und haben nichts vom Leben zu erwarten. Sie sorgen sich einzig um die Existenz und Familie. Andere erkranken an billigen Materialien, die Giftstoffe ausdünsten. Andere erkranken tödlich mit Lungenentzündungen und Erkrankungen der Bronchien an gesandtstrahlten Jeansstoffen. Die Menschen leben zum Teil eingepfercht wie Tiere in Ställen. Bekanntgeworden sind die Käfigmenschen in China. Ihr Hab und Gut haben sie in einem Käfig verstaut, der mit einem Vorhängeschloss versehen ist und in den sie sich abends selbst zum schlafen hineinlegen. Auch in der IT-Branche sind die sozialen Verhältnisse wohl sehr bedenklich - Menschen springen aus verschlossenen Firmen, weil sie es nicht mehr aushalten. Diese Vorkommnisse sind alle bestens journalistisch recherchiert und an die Öffentlichkeit weitergegeben worden. Aber hat sich etwas geändert?

Für viele Industriezweige sind Verlegungen von Standorten lukrativ. Ob Autoindustrie oder IT-Firmen, sie alle wollen niedrige Produktionskosten und kalkulieren mit hohen Gewinnen in der westlichen Welt. Das Geheimnis ist schnell aufgeklärt: Man muss nur einfach keine Rücksicht auf Menschen nehmen. Sie sind das Material, dass man billig einsetzt, missbraucht und verschleißt, bis sie nicht mehr können. Wie man weiß, gilt dies auch für Frauen und Kinder in der Szene der Prostitution und Menschenhandel, aber auch allen anderen Bereichen der Kleider- und Schuhindustrie. Gammelfleisch ist sehr lukrativ und schnell kalkuliert: Zum niedrigen Einkaufspreis irgendwo aufgekauft und zum normalen Preis auf den Markt bei uns angeboten, werden Menschen mit Vergiftungen und Krämpfen akut in Krankenhäuser getrieben. Manchmal sind die Folgen tödlich. Mit größter Gelassenheit sieht man Geldstrafen entgegen und hat scheinheilige Ausreden parat, die nicht weiter durchleuchtet zur schnellen Abwicklung derartiger Vorkommnisse gegen die Menschlichkeit führen.

Es war und ist der Industrie auch egal, dass in Deutschland wie in allen anderen Ländern auch, wo die Industrie in Billigarbeitsländer abwanderte, ein Heer von Arbeitslosen und verarmenden Menschen hinterlassen hat. 1-Euro-Jobs erfunden wurden. Menschen soweit nach unten manipuliert wurden, dass sie sich gar nichts besseres als Harzler als ,Gelderwerb‘ vorstellen können.

„Wo ist das Problem?“, wird gefragt. Ja, das frage ich mich allerdings auch. Man fühlt sich wie ein altertümliches, dümmliches Fossil neben diesen praktizierenden Geschäftsleuten, die nichts besseres zu tun haben, als Menschen vollständig zu entmenschlichen und zu kalkulierenden Zahlen schrumpfen zu lassen. Sie fragen, „Ethik? Was ist das denn? Ich bin doch Geschäftsmann!“ Nein, mit kalkulierter Frechheit und Feinsinnigkeit werden hier Tag für Tag schamlos Geschäfte abgewickelt, die nichts Menschliches mehr an sich haben.

„So ist das eben im Kapitalismus. Im globalen Zeitalter wohlgemerkt, weil imperialistisch klingt schon wieder so politisch und abgedroschen! Man könnte an die Warnungen von Karl MARX und der Verarmung denken und dem will man doch ganz bestimmt nicht bestätigen, dass die Analysen richtig waren, die er angestellt hat. Obwohl er tot ist“, könnte man hören, „aber das ist egal. Wir wissen, wie man Reibach, Profit oder Kapital macht. Und wir wissen, wie man ihn, den Mehrwert, berechnet. Und das ist wichtig.“

„Wie jetzt? Wenn ein Unternehmer so produziert, hat niemand ein Problem damit? Das finde ich erstaunlich. Ganz ehrlich“, würde ich sagen, „Sie nicht?“

Und was sagt die Industrie dazu?

„Waffenexporteur Gerhard Georg Mertins von der Merex AG in Bonn beschwört eine Gefahr für den zivilen Export als Folge der neuen Ausfuhrbeschränkungen für Rüstungsgüter: „Ein Land, das von uns keine Waffen kriegt, kauft auch andere Sachen woanders.“ (DER SPIEGEL, 3. JULI 1973)

Da versteht man sofort, warum Deutschland seine Waffenherstellung quasi weiterführen musste und dies auch politisch Zustimmung fand und immer noch findet. Das ist für die Balance in der Welt. Wie die Industrie sich freute, wieder weitermachen zu dürfen! Ironisch könnte man sagen: Es ist eine gute Tat! Ja, man hat das Geschäft mit dem Krieg begrifflich bis zu „Friedenstruppen“ rhetorisch hoch schreiben können, um Profite gleichfalls hoch zu schrauben in Deutschland. Waffen wurden in Massen verkauft und mit Genehmigung der Politik ausgeführt. Die Perversionen, gleichzeitig Waffen und Pflaster und Flugzeugbomber mit Nahrung in dasselbe Land fliegen zu lassen, und diese Maßnahmen politisch im Namen der armen, leidenden Menschen zu begründen, ist stark. Bomben und Waffen, um sie zusammen zu ballern, Krankenschwestern und Krankenstationen, um sie wieder zusammen zu flicken und Nahrung zum Aufpäppeln in Feldküchen. Müssten diese Vorgänge in meiner Berufsgruppe begutachtet werden, würde eine Begutachtung kompliziert und nachhaltig festhalten müssen, dass diese Menschen nicht in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen ... Nein, man will das Geheimnis wahren, dass die Menschen in diesen Ländern ihre Existenz und ihr Leben für Profit und Macht hinzuhalten haben. Man will in Deutschland und anderen reichen Ländern dieser Welt alles haben, aber vor allen Dingen, Geld. Und man tut so, als wolle man Menschen auch noch retten, obwohl man die Kugeln für sie mitliefert. Man möchte ja nur Gutes tun.

Ich will mich nicht dazu versteigen zu sagen, der Werbespruch von Rheinmetall fasst Globalisierung und die Interessen der Wirtschaft präzise zusammen. Ersetzt man ,to Kill‘ durch ,zu produzieren‘, kommt man der Sache näher und dennoch stellt sich oft hintenherum das ,to Kill‘ als Folge wieder ein. Weiter spricht man nicht selten davon - auch wenn man es nicht so meint - dass der Wettbewerb den Konkurrenten ,ausschaltet‘. Ja, dieses Interesse hat man im Kapitalismus. Da wird nämlich nicht gemeinsam gewirtschaftet, sondern allein. Das ökonomische Spiel läuft immer so: Extrem niedriger Einsatz und hoher Gewinn. Alles andere ist Unsinn. Basta. Aber die Faktoren müssen Tod, Krankheit und Unmenschlichkeit ausschalten und nicht als ,normales Risiko‘ voraussetzen.

Rund um die Welt leben 700 Millionen Menschen in absoluter Armut. Statistisch berechnet bedeutet dies, sie verfügen über 1,25 US-Dollar pro Tag, wie heute Morgen, am 7. November 2015 in der Ruhr Nachrichten zu lesen war. Da wird es eine hohe Dunkelziffer von Menschen geben, die gar kein Geld haben. Dann kommen noch sehr, sehr viel Menschen hinzu, die arm sind und diejenigen, die jeden Tag mit Verarmung kämpfen. Dann die Arbeitslosen, die ganz sicher als Gruppe weiter unterteilt werden können, wer davon noch einen Job zusätzlich erledigt und sich nicht entmutigen lässt, weil er seine Kinder doch weiterbringen will, im Gegensatz zu denen, die gleichgültig geworden, keinen Finger mehr rühren. Dann die Mittelständler, denen das Geld zwischen den Fingern Richtung Finanzamt, Banken und Kinder durchs Studium bringen etc. dahin schmilzt. Dann die Kranken, die letztlich alles verlieren, denn niemand wird in Deutschland im Mittel- oder Oberschicht aufgefangen im Sozialstaat, der nicht vorher alles, was er hatte, für die Eistenz eingesetzt hat. Und zwar ganz egal, was er an Steuern und Sozialabgaben in seinem Leben bezahlt hat. Sein Pech!

Arme Menschen sterben früher. Kranke Menschen sterben früher. Flüchtende Menschen sterben früher. Menschen, die mit Schadstoffen belastete Kleidung tragen, erkranken und sterben früher. Menschen, die sich nur schlecht ernähren können, weil sie kein Geld für gute Lebensmittel haben, sterben früher. Menschen sterben weltweit an belasteten und vergifteten Nahrungsmitteln - manchmal sehr schnell, oft schleichend. Also, die wichtigsten Faktoren, die eine Überbevölkerung bewirken könnten, scheinen nach und nach ausgeschaltet zu werden. Geburtenkontrolle ist in China gelockert - nun dürfen Chinesen zwei Kinder haben. Aber: Das Geld reicht nicht, zwei Kinder und zwei Erwachsene zu ernähren. Es sind inzwischen weltweit so viele Frauen aufs scheußlichste vergewaltigt und missbraucht worden, dass sie keine Kinder mehr bekommen können. Westliche Frauen kontrollieren die Köpfe ihres Nachwuchses.

So präzise wie Waffen feilgeboten und gut verkauft werden mit den passenden Werbesprüchen, wie dem gerade oben zitierten, so wird geschlampt in einem Bereich, in dem das nicht passieren dürfte und verboten gehört.

Es ist das Gesundheitswesen.

Auch hier dürfte in einem etwas anderen Sinne, der die Gemüter vielleicht zurückschrecken lässt, das Prinzip LOW COST TO KILL verwirklicht sein: Man spart Kosten und geht das Risiko ein, dass Menschen sterben. Und warum? Weil zu wenig Kapital eingesetzt wird, um Patienten gut zu versorgen. Der Arbeitsdruck auf das Personal ist zu groß. Sie müssen zu viele Patienten in kleinen Zeiteinheiten in Akkordzeiten versorgen.

Ärzte und Pflegepersonal machen da natürlich Fehler - auch wenn 15.000 Menschen jährlich in Deutschland an fehlender oder schlampiger Hygiene und ,fehlender‘ Zeit sterben, man ,vergesse‘ eben die 1/10 Sekunde zur Desinfektion zwischen zwei verschiedenen Arbeitsgängen, wo man die Hände in einen Spender hineinsteckt und nichts weiter tut, als sich die Hände vorschriftsmäßig einzureiben, damit das Desinfektionsmittel einzieht.

Was ,fehlende Zeit‘ sein soll, bleibt indes semantisch, erkenntnistheoretisch und logisch reflexionswürdig! Denn, was soll das denn bitte schön sein, fehlende Zeit? Das ist Quatsch! Es gibt keine fehlende Zeit. Kapitaler Geiz und Profitwille der Krankenkassen sollen in dieser blödsinnigen Redewendung im Sandkasten rhetorischer Unsinnigkeiten maskiert versinken. Ökonomisierung pflegerischer Tätigkeiten sollen ins profane Raster von Time is money gepresst, nicht mehr debattiert werden. Personeller Mangel wird gespenstisch verkleidet in Knappheit von Zeit und damit in ein harmlos klingendes Ding, ja, das sich wie eine Spielpuppe für Denktätigkeiten interessierter Hörer und Leser eignet und sich Aussagen individuell assimiliert verwandeln lassen durch hin- und her schieben in bekannten Gewässern, die auch Reiche von Astrophysik streifen und höhere Philosophie zwar anklingen lassen, sich aber letztlich als völlig fehlplatziert erweisen. Die semantische Konstruktion ,Fehlende Zeit‘ klingt tatsächlich so alltäglich, so profan und mit großer Akzeptanz sozial versehen, dass dieses Pärchen eine augenscheinliche Glaubhaftigkeit erlangt, die schlicht verboten gehört. Allen Ernstes wird so getan, als gäbe es ,fehlende Zeit‘. Weniger Globalisierung des ökonomisierten Krankenhauswesens in Richtung Profitmaschinerie der Krankenkassen und neue Konzepte angemessener heilerischer Tätigkeiten MIT GENÜGEND PERSONAL würde augenblicklich diese Redewendung als das erscheinen lassen, was sie ist: Eine Lüge.

Zeit kann nicht fehlen, aber nicht investiertes Geld, um Personal zu bezahlen, das kann fehlen. Zeit kann verplant sein mit anderen Dingen oder zu vielen Aufgaben - mehr nicht. Was wirklich fehlt ist Moral. Es fehlen Entscheidungen für Mensch und Menschlichkeit: Entweder muss mehr Personal und damit mehr Geld investiert werden - oder, weniger Patienten aufgenommen werden. Dann ist genügend Personal für Patientenbetreuung da. Der Profit wird geringer. So einfach ist. Und das, genau DAS will man nicht. Dafür gibt es dann Theateraufführungen und rhetorische Künste zu bestaunen, die verschleiern, was tatsächlich vor sich geht.

Ich sage Ihnen, diese offizielle Darstellung, die lapidar auf Fehler verweist, ist mal die schlechteste Erklärung, die es geben kann.

In einer Dortmunder Chirurgie Ambulanz eines großen und renommierten Krankenhauses habe ich persönlich im Oktober 2015 erlebt, dass man die Hände nicht desinfizierte, keine Handschuhe anzog, weder diese tausendfach vorhandenen dünnen Gummihandschuhe, noch sterile Handschuhe überstreifte, noch an einer offenen Wunde mit Mundschutz arbeitete. Und ich schwöre auf die Bibel, es gab keine Zeitnot! Nein, mein quatschte und stellte sich da, als sei man bei einer Abendvorstellung eines Theaters. Aber man schnitt bei einer KMT-Patientin (!!!) alte Wundpartikel mit der Schere ohne Betäubung heraus. Denn in der Chirurgie haben Ärzte und Wundpfleger ja keine Krankheiten und keine natürlichen Tröpfcheninfektionen, die man übertragen könnte. Viren natürlich auch nicht. Und die Patienten hatte schließlich wunderbare Leukozyten Werte, die mal sofort abwehren, was dem Körper fernbleiben soll. Eben: Die männliche Logik versagt da und zeigt kommunikativ nach Machoart, inwiefern sie nicht gebildet ist. Denn: die besagte Patientin hatte genau von so einer Spezies Mann im Helfenden Beruf eine Infektion mit diesen guten Leukos eine Woche vorher bei einer Massage verpasst bekommen, und der hatte sich ganz offenbar nicht die Hände gewaschen. Er trug auch keine Handschuhe. Nein, warum auch? Die Patientin musste sich zwei Tage später mit einer irrsinnig schnell gewachsenen Entzündung, die nun knallhart geworden in einem Entenei großen Atherom mündete und sie sich nicht mehr anlehnen, noch darauf schlafen konnte, zur Operation im Krankenhaus aufnehmen lassen. Alles hatte sich entzündet trotz wunderbar hoher Leukos! Was sagt man denn als pflegerischer Wund-Naseweis und asiatischer Elitearzt dazu? Verstehe. Man behauptet das Gegenteil! Man ist von Natur aus steril und täglich frisch geduscht sterilisiert und abgeschrubbt, noch bevor man die Station betritt! Nützt aber nichts: Jeder Handgriff ist zu unterscheiden und jedes Mal zu desinfizieren!

Genau diese Vorgänge mit den oben genannten Todesfällen behandelte gestern Abend, am 5. November 2015, Frau Illner. Vermutlich nahm sie dieses Thema deshalb, weil es so lapidar ist und man ja mal vergessen kann, die Hände zu desinfizieren, Handschuhe zu tragen, ach und der dämliche Mundschutz, das Zeugs ist doch so lästig. Lassen sie mich doch in Ruhe damit. Ist doch alles Quatsch ... Wir sind doch in Deutschland! Das ist doch alles an sich schon sauber, oder?

„15.000 Tote jährlich in Deutschland, weil man vergisst, sich zu desinfizieren?“, dürfen diese Ärzte, Pfleger, Krankenschwester und Masseure fragen, oder?

Glauben Sie, liebe Leser, dass die ihr Verhalten ändern?

Glauben Sie, dass mit all‘ den Beispielen, die Sie nun zuvor gelesen haben, wie rücksichtslos und auf Profit aus, Menschen in der Wirtschaft handeln, sie sich freiwillig ändern würden? Glauben Sie, dass, wenn die Wirtschaft in Kauf nähme, vielleicht ein bisschen weniger zu verdienen, die Welt aber dafür mehr in Balance käme und Menschen bessere Lebenschancen bekämen? Glauben Sie, liebe Leser und Leserinnen, dass es durch eine gemässigtere Wirtschaft, die nicht so exzessiv auf Profit und Konkurrenz bis aufs Blut, bis es den Kopf kostet wie zum Beispiel VW gegenwärtig, friedlicher in der Welt zuginge? Glauben Sie, dass das Leben dann freundlicher und sicherer würde? Arbeit sicherer und Menschen gesünder?

Das kriege ich auch noch hin

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