Читать книгу Mörderliebe - Elke Maria Pape - Страница 16

Kapitel 13

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Karla schloss ihre Wohnungstür auf. Müde schaute sie auf die Wanduhr in ihrem Flur. Elf Uhr nachts! Früher kam sie in den letzten Wochen selten nach Hause. Heute hatte sie den Geburtstag ihrer besten Freundin Ellen verpasst. Gott sei Dank hatte sie gegen acht Uhr abends noch daran gedacht vom Kommissariat aus anzurufen um ihr zu gratulieren. Ausgerechnet Ellen, eine ihrer wenigen Freunde, die es verstanden, dass ihr Beruf bei der Kriminalpolizei ihr oft wenig Zeit ließ, irgendwelchen Partys oder Freizeitaktivitäten nachzugehen. „Kein Problem!”, hatte sie geantwortet, als Karla ihr wieder einmal sagen musste, dass sie nicht kommen konnte. Aber, obwohl Ellen versuchte, ihrer Stimme etwas Lässiges zu geben, hatte Karla doch gemerkt, dass sie traurig und enttäuscht war. Ich muss mich wieder verstärkt um sie kümmern, dachte Karla mit schlechtem Gewissen, wenn diese ganze Geschichte erst einmal vorüber ist.

Die letzten Wochen zerrten an ihren Nerven. Immer wieder war sie mit Zacharias Weinfeld die diversen Unterlagen über die Mordfälle Olischewski und Schmidt durchgegangen. Endlose Tage und Stunden befragten sie Nachbarn, Arbeitskollegen und Verwandte und waren doch zu keinem wirklich befriedigenden Ergebnis gelangt. Zugegeben waren die beiden Mordopfer wahrscheinlich nicht die sympathischsten Mitmenschen gewesen, aber ein Motiv konnte man aus dieser Tatsache ja wohl nicht ableiten. Zwei Morde in kürzester Zeit in einer Kleinstadt. Ohne erkennbare Vorzeichen.

Keines der Opfer hatte sich vorher bedroht gefühlt, keiner der Angehörigen berichtete über besondere Vorfälle oder gar konkrete Feindschaften der Opfer. Wer waren die Täter? Ein einziger Täter für beide Fälle kam kaum in Frage.

Fritz Olischewski wurde erschossen. Ein gezielter Schuss, eine geplante Tat. Dafür musste man ein guter Schütze sein, und an eine Waffe herankommen. Außerdem war eine gewisse Kaltblütigkeit nötig, um einem Menschen aufzulauern und ihn mit präziser Genauigkeit abzuknallen.

Carola Schmidt dagegen, ja, alles sah nach Wut aus, nach einer spontanen Tat. Wäre da nicht das viele Geld in der Wohnung gewesen, hätte man auch auf einen Raubmord schließen können. Ihr Türschloss war nicht großartig beschädigt worden. Ihr Mörder musste über Kenntnisse verfügen, eine Tür schnell und lautlos zu öffnen.

Wahrscheinlich hatte sie in ihrem geliebten grünen Sessel gehockt und Fernsehen geschaut. Das hatte sie angeblich jeden Abend gemacht.

Sie hatten sich bei ihrem Hausarzt erkundigt. Frau Schmidt war etwas schwerhörig gewesen, ansonsten aber kerngesund. Man kann annehmen, dass der Fernseher laut lief und sie nicht hörte, wie ihr Mörder sich in ihrem Wohnzimmer von hinten an sie heranschlich. Karla erschauderte.

In der eigenen Wohnung! Ein Ort, wo man sich doch eigentlich sicher und geborgen fühlte. Hatte der Eindringling von Anfang an geplant, die alte Dame umzubringen, oder war es ein spontaner Einfall? Eine plötzliche Wut, die den Täter aus irgendeinem Grund überfallen hat?

Dass der Mörder für seine Tat ein Tuch benutzt hat, das zufällig dort in der Wohnung lag, sprach dafür. Andererseits war die Wohnung nicht durchwühlt worden, nichts deutete darauf hin, dass sich der Mörder von Carola Schmidt länger in der Wohnung aufgehalten hatte.

Den Fernseher musste er ausgeschaltet haben, sonst wären Nachbarn vielleicht durch den Lärm eher aufmerksam geworden.

Karla stellte sich in Gedanken die arme, alte Frau vor. Eben noch hatte sie entspannt Fern gesehen, sich vielleicht an einer Volksmusiksendung erfreut oder über einen lustigen Film gelacht, und in der nächsten Sekunde hatte sie um ihr Leben gekämpft. Verzweifelt versucht, mit ihren Händen die Schlinge des Tuches um ihren Hals zu lockern, am ganzen Körper gezuckt in ihrem Todeskampf, bis sich nach endlosen Minuten, und es dauerte ungefähr fünf Minuten einen Menschen zu erwürgen, eine gnädige Ohnmacht einstellte.

Karla schaute in ihren Kühlschrank. Fast leer! Wieder nicht geschafft, einen Großeinkauf zu machen. Das einzige, was sie vorfand waren eine Milchtüte, ein bisschen Toast, ein Glas Gurken und etwas Salami. Aus den wenigen Zutaten bereitete sie sich ihr Nachtmahl. Danach aß sie noch eine ganze Tafel Vollmilchschokolade, die sie sich auf dem Nachhauseweg an einer Tankstelle geholt hatte, die einzige, die hier in der Gegend noch nicht geschlossen war.

Der Kollege Weinfeld hatte etwas eher Feierabend gemacht. Ich wette, dass er bestimmt noch in irgendeinem Gasthof schick zu Abend gegessen hat, dachte Karla. Zwei ungeklärte Mordfälle waren vielleicht in der Großstadt nicht so Aufsehen erregend wie hier auf dem Lande. Er schien jedenfalls nie seine Ruhe zu verlieren, arbeitete von früh bis spät an Berichten und Akten und sah abends noch genauso smart aus wie morgens. Nie waren seine feinen Hemden verschwitzt, nie seine Haare ungekämmt oder gar zerzaust. Was allerdings die Befragung der heimischen Bevölkerung betraf, war sie ihm voraus, stellte Karla nicht ohne eine Portion Stolz fest.

Oft hatte sich in den letzten Tagen seine städtische Steifheit als schwierig herausgestellt, sprach er etwas zu abgehoben mit den Leuten. Dann war Karla dazugekommen, hatte die Menschen mit ihrer lockeren und direkten Art angesprochen und oft war es so gewesen, dass sie die Befangenheit mit der Polizei etwas verloren und Rede und Antwort standen.

Zacharias Weinfeld beobachtete ihre Vorgehensweise genau, enthielt sich allerdings, auch später im Auto, jeglichen Kommentars.

Karla konnte nicht wirklich erkennen, ob er beleidigt war oder vielleicht sogar erleichtert, dass er eine Kollegin an seiner Seite hatte, die eine gute Kenntnis über das Landleben und die Bewohner der Region besaß. Eines überließ sie ihm allerdings mit großer Erleichterung. Den Umgang mit den Medien! Da war er zweifelsohne die bessere Wahl. Wie ein Politiker sprach er mit diplomatischem Geschick in die Kameras einiger Privatsender, die sich genüsslich auf das Thema „Zwei Morde in einer Kleinstadt” stürzten. Auch auf der Titelseite der ansässigen Tageszeitung wurde spekuliert und die Arbeit der Kripo genau beobachtet.

Genug für heute, Karla zog sich ihren warmen Schlafanzug an und warf noch einen Blick in die Fernsehzeitung. Gleich würden sie noch einen alten Hollywoodstreifen mit Clark Gable bringen. Den schau ich mir an, überlegte sie. Ein bisschen abschalten würde ihr gut tun. Morgen komme ich früher nach Hause, ganz bestimmt, sprach sie zu sich selbst, und dann werde ich Frank anrufen. Der wird sich bestimmt freuen, wieder von mir zu hören! Frank war der zweite Mann in ihrem Leben, oder der, der immer schon da war. Sie kannte ihn seit sie sechszehn war. Es war einfach mit ihm und in dieser Einfachheit lag der Reiz ihrer langjährigen freundschaftlichen Beziehung, ohne dass man sie oberflächig nennen konnte, im Gegenteil. Ab und zu schliefen sie miteinander. Schließlich musste sie auch mal an etwas anderes denken als an Arbeit! Und das ging mit Frank sehr, sehr gut. Zufrieden schaltete sie ihren Fernseher im Schlafzimmer an und kuschelte sich in ihrem Bett unter die schwere, warme Daunendecke. Sie war eingeschlafen, bevor Clark Gable auf dem Bildschirm erschien.

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