Читать книгу Mörderliebe - Elke Maria Pape - Страница 18

Kapitel 15

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Die aufgestellten, großen Standschweinwerfer der Polizei beleuchteten den Tatort auf eine bizarre Weise. Es war bitterkalt. Wenigstens gaben die dicht stehenden Bäume und Tannen einen gewissen Windschutz ab.

Ich möchte zu Hause sein, dachte Karla wehmütig. Zu Hause in meinem Bett. Sie dachte an Frank. Ihr alter Schulfreund, der ihr in den letzten Nächten ihre Feierabende versüßt hatte.

„Das Opfer heißt Desiree Hausmann, 25 Jahre alt und Arbeiterin in der hiesigen Knopffabrik.” Zacharias Stimme riss Karla brutal in die schreckliche Wirklichkeit zurück. Er stand jetzt neben ihr, eine Wollmütze tief ins Gesicht gezogen. In der Hand hielt er den Personalausweis und den Werksausweis der Toten.

„Was ist hier nur los? Was soll das alles?” Karla ging zu der Leiche, die in seltsam verzerrter Haltung auf dem mit Herbstblättern übersäten Gehweg lag. Unter dem Oberkörper der jungen Frau hatte sich eine riesige Blutlache gebildet.

Ihre Augen waren weit aufgerissen, starrten in dem grellen Scheinwerferlicht anklagend ins Nichts der dunklen Nacht.

Beamte der Spurensicherung waren gerade dabei, ein kleines weißes Zelt über der Leiche aufzubauen, damit sie in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen konnten, den Körper abzukleben, um Fasern zu sichern und andere eventuelle Fremdspuren. Bis zum Morgengrauen würden sie beschäftigt sein. Und so waren sie sicher vor Regen und vor neugierigen Blicken von Passanten und Presse.

Karla hockte neben der Toten, wie in einer stillen Einkehr und starrte auf die klaffende Halswunde. Sie brauchte diesen Moment. Er gab ihr die Gelegenheit, das Opfer näher in ihre Gedanken aufzunehmen. Fast so, als wollte sie es kennenlernen und sich vorstellen, wie denn dieser Mensch gewesen war, als er noch lebendig war. Das war das Dilemma eines jeden Mordermittlers. Sie waren, im Gegensatz zu denen, die sie nachher befragten, die einzigen, die die Person ausschließlich als Opfer gesehen hatten.

Obwohl der Tatort ansonsten großräumig abgesperrt war, befanden sie schon die ersten Vertreter der Presse vor Ort, nervten die zur Bewachung abgestellten Beamten mit ihren Fragen und versuchten um jeden Preis, wenigstens ein halbwegs scharfes Foto vom Tatort zu bekommen.

Dr. Gruß, der Gerichtsmediziner, der auch Carola Schmidt untersucht

hatte, war wieder vor Ort. Zacharias und Karla standen neben ihm und hörten ihm zu.

„Ein glatter Schnitt, von links nach rechts ausgeführt. Der Täter ist also Rechtshänder. Er muss ein sehr scharfes Messer gehabt haben, mit einer mittellangen Klinge, also vielleicht ein Springmesser oder ein Skalpell. Und er muss mit dem Blut seines Opfers besudelt sein. Bei einer aufgeschlitzten Kehle spritzt das Blut in alle Richtungen.” Karla erschauderte.

Zacharias schaute hinunter auf die Leiche. Die Sporttasche der Frau stand noch neben ihr, wie abgestellt.

„Schauen Sie sich die Tasche an.”, sagte er zu Karla. „Sie sieht nicht aus, als wäre sie hingefallen, sondern als wäre sie hingestellt worden.”

„Ja.”, antwortete Karla. „Das ist mir auch schon aufgefallen. Sie ist kurz stehen geblieben, haben ihre Freundinnen gesagt. Ihr Schuh war wohl offen. Für den Täter eine günstige Gelegenheit. Und Frau Hausmann wähnte sich wahrscheinlich in Sicherheit, trotz des dunklen Weges. Ihre Freundinnen waren ja noch in Sichtweite, nicht weit entfernt.”

„Kommen Sie Frau Albrecht, hier können wir jetzt nicht mehr viel machen. Wir werden die Freundinnen befragen.”

„Sind die noch hier?”

„Ja, sie stehen dort hinten hinter der Absperrung an einem Kranken-wagen.”

Beide gingen das Stück bis zum Sperrband. Kurz dahinter stand ein Notarztwagen mit offener Tür, in dem die zwei Freundinnen saßen. Trotz der Wolldecken, die sie umgehängt bekamen, zitterten sie am ganzen Körper.

Karla und Zacharias stellten sich vor und versuchten behutsam herauszufinden, was sich genau zugetragen hatte. Sabine Klinger, eine der beiden, schien unter Beruhigungsmittel zu stehen, der Notarzt hatte seine Hand auf ihre Schulter gelegt, das gab ihr eine gewisse Sicherheit, so dass sie in der Lage war zu sprechen. Die andere, Tanja Wiesmann, deutlich jünger, stand noch völlig unter Schock und schaute mit glasigen Augen durch die Kommissare hindurch. Es hätte keinen Zweck gehabt, sie in diesem Zustand zu befragen.

Aber Sabine Klinger wollte reden, wollte das schreckliche, das sie gesehen hatte loswerden. Sie sprach mit stockender Stimme, die Tränen rannen ihr unaufhaltsam übers Gesicht: „ Wir haben so viel Spaß gehabt heute Abend. Die Desiree, die war immer so gut drauf. Die hat uns oft motiviert, wenn wir mal keine Lust aufs Training hatten. Sie war so voller Energie, wissen Sie!”, flüsterte sie leise, so dass die beiden Kommissare Mühe hatten, sie zu verstehen.

Sie weinte jetzt hemmungslos, erinnerte sich an die schrecklichen Minuten dort hinten auf dem dunklen Weg, wie sie gerufen hatten, immer wieder: „Desiree, wo bleibst du denn? Das kann doch nicht so lange dauern!” Späße hatten sie gemacht und sich an lustige Begebenheiten aus dem Fitnessstudio erinnert. Tanja, immer ein bisschen ängstlich, war die erste gewesen, der die Sache komisch vorkam. „Lass uns nachschauen.”, hatte sie besorgt gemeint.

„Ach komm, die macht doch nur Späße mit uns!”

Aber dann war auch sie überzeugt gewesen, dass etwas nicht stimmte. Während sie den Weg zurückgegangen waren, ist ihnen die Sache immer unheimlicher geworden. Ein unbestimmtes Gefühl des Grauens hatte sie erfasst, das sie nicht genau deuten konnten, so als wenn man weiß, dass gleich etwas ganz Schreckliches auf einen zukommt.

Und es war das Schrecklichste gewesen, das sie je in ihrem Leben gesehen hatten. Zuerst war ihnen nur der schlaffe Körper von Desiree aufgefallen, den sie von weitem auf den Steinen liegen sahen. Dann waren sie gerannt, in der Hoffnung, Desiree wäre nur zusammengeklappt, Kreislaufversagen, zu viel trainiert oder ähnliches. Und gleich würde sie wieder aufstehen, würde, wenn sie erst mal zu sich gekommen wäre einen ihrer Witze reißen und alle würden erleichtert lachen.

Doch Desiree stand nicht mehr auf, stand nie wieder auf. Trotz der Dunkelheit hatten sie ihre aufgerissenen Augen gesehen.

„Desiree, Desiree, was ist mit dir?” Tanja hatte sich als erste neben sie gehockt und sie am Gesicht angefasst, ihre Hand hatte etwas Klebriges gefühlt.

Blut. Jede Menge Blut. Desirees Blut.

Fassungslos hatten sie auf den toten Körper gestarrt. Desiree, die immer so schlank und schön war, dachte Sabine. Desiree, die stets auf ihren Körper geachtet hatte wie keine zweite. Wenn sie sich selber sehen könnte, wie sie jetzt hier lag, auf dem nassen, glitschigen Boden mit verzerrten Gliedmaßen, voller Blut. Sabine hielt es nicht für angemessen für eine so schöne Frau so hässlich zu sterben.

Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wer von beiden mit dem Handy den Notruf gewählt hatte.

„Haben Sie irgendjemand gesehen? Vorher, bevor Sie in den Weg eingebogen sind?”, fragte Zacharias Weinfeld. „Oder haben Sie beobachtet, wie jemand weglief, irgendwelche Geräusche gehört?”

Sabine schüttelte den Kopf.

„Genug jetzt.” Der Arzt schritt ein. „Wir bringen die beide jetzt ins Krankenhaus zur Beobachtung. Mit einem schweren Schock ist nicht zu spaßen.”

Später wärmten sich Zacharias und Karla im Kommissariat an einem frischen Kaffee auf, beide fühlten sich völlig zerschlagen. Es war schon wieder passiert. Wieder ein Mord. Der dritte innerhalb der letzten drei Monate. Ein Mensch, mitten aus dem Leben gerissen, nicht durch Krankheit, nicht durch einen Unfall, sondern auf die furchtbarste Art, die man sich vorstellen konnte. Durch Mord.

„Atmen Sie noch mal durch heute Nacht!” Karla wärmte sich ihre Finger an der heißen Tasse Kaffee. „Morgen werden sich die von den Medien wie die Aasgeier darauf stürzen!”

Zacharias wusste, dass sie Recht hatte und dass sich sein Aufenthalt auf dem Lande noch etwas in die Länge ziehen würde.

Mörderliebe

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