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Der Griff in die Staatskasse

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Andere Fälle von Amtsmissbrauch verliefen zwar nicht so langwierig, waren aber auch nicht ohne. So geriet Anfang August 1990 Berlins Regierender Bürgermeister Walter Momper (SPD) mit Gratisflügen in die Schlagzeilen. DDR-Verteidigungsminister Rainer Eppelmann (CDU) hatte ihm Honeckers Luxus-Hubschrauber gleich mehrmals kostenlos zur Verfügung gestellt, obwohl die Flugstunde normalerweise 4.611 D-Mark kostete. Mit an Bord Ehefrau und Freunde. Und da waren noch die Gratis-Flüge von Klaus Wowereit (SPD, *1953, Berlins Regierender Bürgermeister ab 2001), die meine findigen BZ-Kollegen 2012 beschrieben. Demnach hatte Wowereit nicht nur wie Christian Wulff Urlaub auf der spanischen Finca von Party-König Manfred Schmidt verbracht, sondern war auch im Privatjet von Unternehmer und Ex-Bahnchef Heinz Dürr nach London geflogen. Demnach kostete die Cessna 525 (Kennzeichnen S-IAME) auf der Strecke Berlin-London/Luton-Berlin am 13./14. Juli 2002 ganze 5.625 Euro. Senatssprecher Meng: „Da Herr Wowereit für die Kosten des Fluges mit Herrn Dürr nicht bezahlen musste, hat er privat den Preis eines Linienfluges nach London über 300 Euro einem guten Zweck gespendet, dem Beratungszentrum für Schwule ,Mann-o-Meter‘.“ Dann wuchs Gras darüber.

Weit höhere Wellen schlug ein Diätenskandal in der DDR-Volkskammer. Deren Präsidentin Sabine Bergmann-Pohl31 schickte Bundeskanzler Helmut Kohl ein Fax („Eilt sehr!“) mit Kopie an DDR-Chefunterhändler Günther Krause (nach der Wiedervereinigung CDU-Verkehrsminister) und den Bonner Unterhändler Wolfgang Schäuble. Als amtierendes Staatsoberhaupt der DDR warnte sie vor den Folgen, wenn nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober nur 144 Volkskammerabgeordnete in den gesamtdeutschen Bundestag einziehen, aber die restlichen 256 vorzeitig „ausscheiden und ihre Rechte als Abgeordnete verlieren“. Unverblümt drohte sie, dies könne zu Verärgerungen und „Unsicherheiten für die Schlussabstimmung über den Einigungsvertrag“ führen. Deshalb empfahl sie „dringend“ allen Volkskammerabgeordneten den gewohnten Status „bis zum 2. Dezember 1990“ zu sichern. Das würde ihnen die Einnahmen von 5.900 D-Mark (plus 2.300 DM Kostenpauschale und 3.600 DM Entschädigung) um zwei Monate verlängern. Kostenpunkt für den deutschen Steuerzahler:


Damit war der große Karriere-Traum zu Ende

3.020.800 D-Mark. Bundeskanzler Helmut Kohl und sein Innenminister Wolfgang Schäuble waren sich sofort einig, dass eine Verlängerung des Abgeordneten-Status’ für alle nicht infrage kommt. Ein Freund gab mir eine Kopie des Erpressungsschreibens, das wir am 16. September als Faksimile veröffentlichten. Alle Nachrichtensender griffen den Skandal auf, Bergmann-Pohl schlug eine Welle der Empörung entgegen. Der innenpolitische Sprecher der FDP, Burkhard Hirsch, sagte mir: „Wenn Bonn darauf eingehen würde, bekäme die Abstimmung DDR den Makel, gekauft zu sein. Das wäre unerträglich. Dieses Schreiben von Frau Bergmann-Pohl wird in die deutsche Parlamentsgeschichte als Negativbeispiel eingehen.“ Damit waren alle Hoffnungen für Frau Bergmann-Pohl begraben, als Nachfolgerin von Rita Süssmuth32 Bundestagspräsidentin zu werden.

Allerdings kam auch Rita Süssmuth schon bald nach ihrer Wiederwahl in Negativschlagzeilen. Anfang März 1991 fanden Kollegen des Magazins „Stern“ heraus, dass ihr Mann mehrmals am Steuer des präsidialen Dienst-Mercedes saß. Schnell wurde daraus ein Streit zwischen den politischen Parteien, zumal sie gerade für eine Gesetzesänderung stritt, damit Abtreibung nicht länger wie bisher unter Strafe gestellt bleibe.

Da die Vorwürfe vom Ehemann am Steuer des Dienstwagens in allen Details auf dem Markt waren, gab es für die nächste Sonntagsausgabe nichts mehr zu holen. Also entschied ich mich für die umgekehrte Variante nach dem Motto: Jetzt redet die Angeschuldigte exklusiv. Als Begleitmusik gaben wir eine Umfrage in Auftrag: Nach dem Ergebnis des Meinungsforschungsinstituts Forsa hielten es 68 Prozent für möglich, dass die Vorwürfe gegen Rita Süssmuth von politischen Gegnern hochgespielt wurden, um sie wegen ihrer abweichenden Ansichten in Misskredit zu bringen. Nur 24 Prozent der 1.014 Befragten hielten das nicht für möglich. Überraschend: Noch nicht einmal ein Fünftel der Wahlberechtigten (17 Prozent) hielten die Dienstwagenaffäre für so schwerwiegend, dass die Bundestagspräsidentin deshalb zurücktreten müsse. 77 Prozent sagten, für einen Rücktritt bestehe kein Anlass. 40 Prozent glaubten allerdings, dass durch die Affäre die Glaubwürdigkeit der deutschen Politik weiter Schaden leide. 53 Prozent fürchteten keinen weiteren Schaden.


Rita Süssmuth besucht die „BamS“-Parlamentsredaktion

Genau dazu wollte ich mein Interview führen. Rita Süssmuth kam wie meistens eine halbe Stunde zu spät. Dann lief das Bandgerät. Zumindest glaubte ich das. Doch am Ende war nichts drauf. Erstmals in meiner Laufbahn. Also rekonstruierte ich nach meinen kurzen Notizen ihren O-Ton: „Natürlich würde ich mich als Bürger empören, wenn ich so etwas lese. Aber das hat mit den Tatsachen nichts zu tun. In Wirklichkeit handelt es sich um eine durchsichtige Kampagne gegen mich – nicht mehr und nicht weniger.“ Nein, den Dienstwagen habe ihr Mann nie privat genutzt, sondern: „Mein Mann hat mich häufig gefahren. Er hat für mich mit dem Dienstwagen den Chauffeur gespielt – wenn ich zum Beispiel in meinem Wahlkreis zu Veranstaltungen musste; oder er ist gefahren, wenn er in meinem Auftrag an politischen Veranstaltungen teilgenommen hat. Dadurch haben wir oft den Fahrer gespart.“

Das kam an, der Sturm legte sich. Bis der nächste kam. Plötzlich wurden ihre Flüge mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr zu ihrer Tochter in die Schweiz bekannt. Ein Freund spendierte mir die Daten aus den Unterlagen der Flugbereitschaft. Demnach war die damalige Bundestagspräsidentin im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 8. Juni 1996 insgesamt 152,55 Stunden mit Bundeswehrmaschinen unterwegs. Dabei entstanden Betriebskosten in Höhe von 1,283 Millionen D-Mark. Der damalige Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, verlangte eine Prüfung der Süssmuth-Flüge durch die Finanzbehörden: „Das für Frau Süssmuth zuständige Finanzamt sollte prüfen, ob die Flüge von Frau Süssmuth zu privaten Treffen mit ihrer Tochter als geldwerter Vorteil zu zählen und damit zu versteuern sind. Schließlich gilt genau dieses Prinzip für jeden Steuerzahler, der seinen Dienstwagen auch privat nutzt. Mit dieser Frage sollte sich zumindest das Finanzamt auseinandersetzen, das die Steuererklärung von Frau Süssmuth prüft.“ Doch dann sprang ihr Bundestagsvizepräsident Hans-Ulrich Klose (SPD) zur Seite. In seinem Bericht für den Ältestenrat des Bundestags kam er zu dem Ergebnis, Frau Süssmuth habe „die Flugbereitschaft nur zu dienstlichen Anlässen in Anspruch genommen“. Denn in der Schweiz gab es nicht nur die Tochter, sondern auch Hinweise auf rein zufällig dort zeitgleich mit dem Tochterbesuch stattfindende Redaktionsbesuche und ähnliche Diensttermine. Wieder davongekommen.

Als Konsequenz schlug der Bundesrechnungshof dem Haushaltsausschuss eine Neuregelung vor: „Grundsätzlich sollen Dienstfahrzeuge nur noch für Dienstfahrten genutzt werden.“ Das sollte auch für Minister gelten. Doch daraus wurde nichts. Es blieb dabei, Minister sind immer im Dienst und dürfen immer mit dem Dienstwagen fahren.

Das nahm auch Ulla Schmidt33 in Anspruch. Die SPD-Gesundheitsministerin ließ sich sogar im Spanienurlaub gern vom Fahrer in ihrer Dienstlimousine chauffieren. Natürlich musste dieser dazu eigens auf Staatskosten anreisen (auch mit seinem Sohn an Bord) und in der Urlaubsregion schöne Tage verbringen.

Peinlich aufgeflogen ist das Ganze, als spanische Medien im Juli 2009 meldeten, dass die sozialdemokratische Ministerin aus Deutschland bei der spanischen Polizei den Diebstahl ihres Dienstwagens (Mercedes S-Klasse) gemeldet habe. Zwei Tage später erklärte ihr Ministerium dem verblüfften Berlin, sie habe den Wagen im Urlaub „privat und dienstlich genutzt“. Die Ministerin selbst meinte zur Begründung: „Ich habe in Spanien Deutschland repräsentiert.“ Dazu hatte sie das Auto samt Fahrer ganze 72 Kilometer dienstlich genutzt. Dann kamen immer neue Details ans Licht. Plötzlich gestand sie, dass im letzten Jahr ein Verwandter von ihr im offiziellen Dienstwagen zu ihrem Urlaubsort nach Südspanien gefahren ist. Ulla Schmidt versprach: „Ich persönlich würde die gleiche Entscheidung nicht noch einmal treffen, weil es trotz einer korrekten Anwendung der Richtlinien solche Debatten gibt.“ Und schon war sie aus dem Schneider.

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