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Sozialwohnungen für Abgeordnete

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Danach sorgten Ende Oktober Bonner Politiker gleich reihenweise für Schlagzeilen, weil sie in staatlich subventionierten Wohnungen zu Mini-Mieten lebten. Auslöser war mein Artikel, in dem ich aufzählte:

Genau 10.366 D-Mark bekommt ein Bundestagsabgeordneter im Monat an Diäten. Dazu gibt’s 5.978 D-Mark als steuerfreie Kostenpauschale – unter anderem, um eine Zweitwohnung in Bonn zu bezahlen. 134 Abgeordnete machen damit ein Riesengeschäft. Sie kassieren wie Großverdiener und wohnen billig wie Sozialmieter – und zwar auf Kosten der Staatskasse. Die Apartments in bester Stadtlage sind in den Fraktionen heißbegehrt, man muss schon einige Bonner Jahre auf dem Buckel haben, um einziehen zu dürfen. Zu den Billig-Mietern gehören Bundespostminister Wolfgang Bötsch (CSU), die SPD-Spitzenpolitiker Rudolf Dreßler und Herta Däubler-Gmelin sowie Ex-Unionsfraktionschef Alfred Dregger. Auch die Ex-Minister Heinz Riesenhuber (CDU), Jürgen Möllemann (FDP) und Hans Engelhard (FDP) haben schon als Regierungsmitglieder von dem Mietskandal profitiert und wohnen noch heute in ihrem Appartement. Nur 280 D-Mark bezahlen die Politiker für ihre 41-Quadratmeter-Unterkünfte mit Kochecke und Balkon ganz in der Nähe des Bundestages Das ist eine Kaltmiete von knapp 6,83 Mark pro Quadratmeter. Vermieter ist die bundeseigene Immobilienfirma Baugrund. Die Appartements wurden Anfang der sechziger Jahre mit Bundeszuschüssen gebaut.

Wegen dieser Zuschüsse, so fordert die Kölner Oberfinanzdirektion, müssen die Bundestags-Appartements juristisch behandelt werden wie normale Sozialwohnungen. Das heißt: Wer zu viel verdient und zu wenig zahlt, muss eine „Fehlbelegungsabgabe“ entrichten. 247 D-Mark pro Monat verlangt die Behörde von jedem Abgeordneten.

Doch der SPD-Abgeordnete Peter Conradi, Wohnungsbau-Experte seiner Partei, zerstörte selbst diesen Versuch, ein wenig Mietgerechtigkeit herzustellen. Conradi wälzte die einschlägigen Gesetze und stellte fest: Nach der Rechtslage in Nordrhein-Westfalen dürften für die Abgeordneten-Appartements in Bonn insgesamt lediglich 8,20 Mark pro Quadratmeter verlangt werden. Die Oberfinanzdirektion kuschte vor dem Widerspruch des Abgeordneten und reduzierte die Fehlbelegungsabgabe auf 56 D-Mark.

Conradi, der sofort seine Nachbarn – wie Minister Bötsch – über seinen Erfolg informierte, blieb uneinsichtig. Er sagte mir: „Wenn das Land die Gesetze ändert, zahle ich auch mehr, vorher nicht.“ Die 134 Abgeordneten zahlten künftig also – Miete plus Abgabe – nur 336 D-Mark für ihr Appartement statt der sonst üblichen 800 D-Mark im Monat.

Die damalige Bundeswohnungsbauministern Irmgard Schwaetzer (FDP) beendete dann doch die Vorzugsbehandlung mit dem Hinweis: „Die Fehlbelegungsabgabe ist auf Sozialwohnungen zugeschnitten und daher für diese Abgeordneten-Wohnungen nicht geeignet. Daher bleibt uns nur ein Ausweg, um diese offensichtliche Ungerechtigkeit zu beseitigen: Wir verpflichten die zuständige bundeseigene Wohnungsgesellschaft, die öffentlichen Kredite vorzeitig zurückzuzahlen. Damit fallen diese Wohnungen aus der Mietpreisbindung heraus und werden mietrechtlich praktisch wie frei finanzierte Mietwohnungen behandelt. Abgeordnete brauchen eine Bleibe in Bonn, aber keine Begünstigungen wie bedürftige Sozialmieter.“

Anfang 1994 hätte Carola von Braun (FDP) beinahe ihr politisches Köfferchen packen und ihren Job als Parteichefin und Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Berliner Abgeordnetenhaus an den Nagel hängen müssen. Sie hatte immerhin acht Friseur-Rechnungen (1.238 DM) über die Fraktionskasse abgerechnet. Fraktionsgelder sind zum großen Teil Zuschüsse aus dem Landeshaushalt – also Steuergelder. Die Politikerin (Jahresgehalt 165.000 DM) rechnete auch für 8.000 D-Mark Flüge ab, um bei den Bundesvorstandssitzungen ihrer Partei in Bonn dabei zu sein. Rechtsanwalt Ekkehard Plöger (auch FDP-Mitglied) bekam von der haarigen Angelegenheit Wind, stellte Strafantrag wegen Veruntreuung von Steuermitteln.

Kritik auch aus Bonn. FDP-Haushaltsexperte und Fraktionsvize Wolfgang Weng: „Das ist völlig unmöglich und spottet jeder Beschreibung.“ Felix-Erik Laue, Landesvorsitzender vom Berliner Bund der Steuerzahler, ging noch weiter: „Ein eklatantes Beispiel für Selbstbedienung, Frau von Braun sollte sich aus der Politik zurückziehen.“

Die FDP-Fraktion sah das nicht so eng und beließ nach einer Abstimmung Carola von Braun (Nichte des verstorbenen Raketenforschers Wernher von Braun) in ihrem Amt. Noch einmal gutgegangen.

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