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Möllemann und der Einkaufschip

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Tragisch im Sinne des Wortes endete Jürgen Möllemann, der vier Monate vor Krause zurücktreten musste, obwohl er so gern FDP-Bundesvorsitzender geworden wäre: 1993 stolperte er mit 47 Jahren über einen kleinen Einkaufchip.

In vielen vertrauensvollen Gesprächen mit ihm entstand über Jahre fast so etwas wie Freundschaft. Deshalb rief ich ihn warnend an: „Jetzt wird es eng. Das ist wie mit einer Lawine, die schon so lange bedrohlich am Berg hängt, dass nur noch jemand in die Hände klatschen muss, und schon geht alles krachend zu Tal.“ Seine Antwort war ehrlich wie immer: „Ich bin schon längst jenseits der Schmerzgrenze.“ Doch der Schmerz kam, obwohl es gemessen an seinen früheren Eskapaden eher einen kleineren Anlass gab. Also doch vergleichbar mit der Lawine. Ursache war diesmal ein Werbebrief auf offiziellem Ministerbogen zu Gunsten seines angeheirateten Vetters. Dieser produzierte kleine Plastikchips, die man statt der Geldmünze in das Schloss von Einkaufswagen schieben kann, was im Ministerbrief als „pfiffige Geschäftsidee“ gepriesen wurde und später im Volksmund „Möllemännchen“ hieß.

Massive Kritik kam aus der eigenen Partei mit Sätzen wie: „Ich habe große Zweifel, dass ein solcher Minister noch der deutschen Wirtschaft und seiner Partei erfolgreich dienen kann.“ Selbst der damalige FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff machte „ein Fragezeichen hinter dem Namen von Bundeswirtschaftsminister Möllemann“.

Diese Kritik galt einem Mann, der selbst nie einen Zweifel daran gelassen hatte, wohin er will: ganz nach oben. 1969 trat Möllemann aus der CDU aus und in die FDP ein, weil bei den Liberalen schneller Karriere zu machen war: vom Grundschullehrer (Deutsch, Geschichte, Sport) 1972 in den Bundestag, 1982 Staatssekretär, 1987 Bildungsminister, 1991 Wirtschaftsminister, dann sogar Vizekanzler. Den Kollegen in Bonn war der Senkrechtstarter unheimlich. Es hagelte Spitznamen: „Magic Molli“, „Speedi“, „Mümmelmann“, „Minenhund“. Als PR-Fachmann (Mitinhaber einer Werbeagentur) störte ihn das wenig. Sein Motto: „Besser, die Leute reden schlecht über mich als gar nicht.“ Dabei war er im Amt auch stets fleißig, schuftete – bis ihn die Lust auf Schlagzeilen neu packte. Er versprach sogar, zehn Milliarden Mark Subventionen einzusparen und zurückzutreten, wenn ihm dies nicht gelänge. Es gelang nicht. Am 21. Januar wurde Günter Rexrodt (FDP) Möllemanns Nachfolger im Ministerium. Möllemann verstrickte sich danach bekanntlich in Spendenaffären und zunehmende Eigenentscheidungen, die nicht mit der FDP-Spitze abgestimmt waren. Das alles aufzuzeigen, ergibt Stoff genug für ganze Bücher.

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