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Das Bild mit den gesenkten Händen

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So wie der Sage nach die »Winde des Teufels« um den Dom herum wehen, so ranken sich verschiedenartigste Sagengebilde - blühende Eisblumen einer regen und zumeist vom gesunden Volksglauben genährten Phantasie – um unseren Liebfrauendom. Eine davon ist die Sage vom »Bild mit den gesenkten Händen«. Das Motiv, dass nämlich die auf einem gemalten Bildnis dargestellte Person sich auf eben dem Bild verändert, zumeist, um auf eine seelische Transformation des Dargestellten hinzuweisen, dieses so anschauliche Motiv ist gewiss recht alt und wohl erst durch »Das Bildnis des Dorian Gray« von Oscar Wilde richtig bekannt geworden.

Wir brauchen nicht gar so weit zu schweifen, denn im Dom (so erzählt eine Sage) wird ein Bildnis bewahrt, darauf sind eine Menge Leute betend mit erhobenen Händen gemalt – eine einzige Frau ausgenommen.

Denn die hält ihre Hände gesenkt, und das soll folgende Bedeutung haben.

Da handelte es sich also um eine Erbschaftssache (heute würden wir sicherlich sagen in unserem von juristischem Denken beeinflussten Deutsch: um Erbschleicherei). In diesem abscheulichen Falle von Erbschleicherei hatte eine Frau ihre gesamte Verwandtschaft um einen guten Teil des vorgesehenen Erbes gebracht.

Nun wurde also die Andacht gehalten für den Toten, den die betreffende arglistige Weibsperson zu Lebzeiten bis hin zum Sterbebett mit Lug und Trug dazu gebracht hatte, ein stattliches Vermögen zu ihren Gunsten »umzuschreiben«.

Oh, wie hatte sie gelogen und damit die dahinscheidende Seele hinters Licht geführt! Wem würde denn nicht davor grauen, eine sich von der Welt verabschiedende Seele so unverschämt anzulügen?

Aber so war diese Frau. Nicht nur, dass sie solches tat oder vielmehr getan hatte, nein, sie fühlte sich auch noch gut, redlich und ehrlich dabei (wie so mancher fromme Christ!), und sie versäumte es auch nicht, dass sie zu der anberaumten Totenfeier pünktlich und besonders trotzig herausgeputzt erschien. Mit gespielter Demut, gut inszeniertem Abschiedsschmerz und in der ersten Reihe der Kirche sitzend, so »trauerte« sie. Verlogen durch und durch.

Da ihr jedoch niemand etwas beweisen konnte von ihrer Arglist dem Verblichenen gegenüber, so kam sie auch mit auf das Totenbild, das ein Maler von allen Angehörigen anzufertigen beauftragt gewesen war.

Dies Bildnis zeigte die gesamte Verwandtschaft des Verstorbenen, allesamt betend mit erhobenen Händen, dieselben artig gefaltet zur tunlichen Zwiesprache mit Gott.

Man darf nun aber doch nicht behaupten wollen, dass die soeben geschilderte Weibsperson ganz »ohne Gefühl« gewesen sei! Denn wie sie so in der ersten Bank kniete, wohl wissend um ihre Arglist, da spürte sie sehr wohl die hasserfüllten Blicke der Geprellten, erlitt die Blicke wie Nadelstiche in ihrem kurzen Nacken (raffgierige und lügnerische Kramgeister besitzen oft besonders kurze, aber auch besonders lange Hälse!).

Und plötzlich! Da schrie sie, indem sie sich in der Kirche nach hinten umwandte, den Trauernden ins Gesicht: »Ich weiß sehr wohl, was ihr von mir denkt, ihr Gesindel! Jedoch tut ihr mir mit euren Gedanken schweres Unrecht, so wahr mir der gerechte Gott die Hände auf dem Bild niedergeschlagen hätte, wenn das zuträfe, was ihr mir ansinnt!«

Die anderen im Kirchenschiff waren starr vor Schreck, Entsetzen und peinlichem Berührtsein; sie starrten aus lauter Verlegenheit auf das Trauerbild, das da vor allen im Gotteshause hing.

In dem Moment aber senkte das gemalte Bildnis der Lügnerin die Hände herab und blieb seitdem für immer so.

Der Teufelstritt

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