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Der Schlafhaubenkramer

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Wer den Liebfrauendom, das Wahrzeichen unserer Stadt München, besucht, der möge nicht nur den Teufelstritt unter der Orgelempore besichtigen und die grimmigen Winde des Teufels um die Ecken pfeifen hören, sondern auch daran denken, dass hier vor Zeiten ein Friedhof bestand, der »Frauenfreithof«, so wie er in alten Büchern genannt wird.

Darüber nun gibt es eine der lebendigsten und schaurigsten Sagen, die unsere Stadt zu bieten hat. Das ist die Sage vom »Schlafhaubenkramer«.

»Vor hundert und etlichen Jahren…«, wie wundersam doch altehrwürdige Überlieferungen sich auszudrücken vermögen! Also, sagen wir: Es war einmal, damals, als der alte Frauenfreithof noch bestand.

Dieser Ort galt damals als ganz und gar nicht geheuer, und jedermann mied die Stätte des Grauens. Die Stelle war so sehr verschrien, dass die schauerlichsten Spukgeschichten darüber in der Stadt herumerzählt wurden.

Eine davon ist die, dass ein Geist mit einer weißen Schlafhaube (so etwas trug man damals, wenn man zu Bette ging) den Friedhof beherrscht und unsicher gemacht haben soll:

Man muss wissen, in der Weinstraße, gegenüber dem alten Polizeigebäude, gab es damals einen Kramladen. Der Krämer, dem dieses Geschäft gehörte, der war in etwa das, was man heute einen »Gschaftlhuber« nennen würde. Immer und überall, wenn es g’schaftig etwas auszutragen galt, dann musste dieser Mensch mit der eingebauten inneren Unruhe mit dabei sein.

Der Krämer war, sobald er in seinem Geschäft stand, ein tüchtiger, geflissentlicher Kaufmann, nicht weniger tüchtig und pünktlich aber eilte er nach Ladenschluss zu seinen Trinkspezln, mit denen zusammen er beim Wirt tüchtig dem Biere zusprach. Und was dabei herauskommt, das weiß man ja.


Als der Kramer dann endlich das Gespenst auf dem gottverlassenen Friedhof erblickte, da rannte er um sein Leben.

Bald wurde die Runde immer lustiger und ausgelassener, man darf ruhig sagen: blöder im Denken, und bald, wenn der Geist vernebelt ist, sieht man Gespenster und redet von ebensolchen.

»Ich sage euch: Das Gespenst mit der weißen Schlafhaube soll wieder auf dem Friedhof umtriebig geworden sein…!« so sprach einer.

Den anderen gruselte, ihnen gefror das Lachen am Bierglas, denn der »Freithof« war ja nicht weit weg, und Gespenster gab es zu der Zeit tatsächlich.

(Es gibt sie, übrigens, auch heute noch, nur wird nicht mehr so viel davon geredet, denn wir sind ja, ach, so gescheit geworden in unserer sogenannten »aufgeklärten Neuzeit«.)

Nun denn. Den Trinkkumpanen schauderte, der Kramer von der Weinstraße aber, der riss sein Maul noch weiter auf, als man es eh schon von ihm gewohnt sein durfte. Um diese Zeit halt! Die Zeiger der Uhr standen kurz vor Mitternacht.

»So ein Geist käme mir gerade recht«, höhnte er, »der soll nur hergehen. Ich werde es ihm schon zeigen.«

»Geh doch du zu ihm!« so ein anderer.

»Ich geh schon«, prahlte der Kramer. Und damit stand er im Wort.

Er nahm Hut, Stock und Laterne und eilte zum Friedhof, der in unheildrohender Dunkelheit lag. Nicht einmal der Mond schien, und das Friedhofstor knarzte gotterbärmlich.

Er schritt über den Kies, stolperte über Gräber, stieß sich an einem Stein und verfluchte seine Angeberei und die Lage, in die er sich gebracht hatte.

Da! Etwas Weißes!

Das Gespenst. Ein hagerer weißer Kerl, der ihn anstarrte. Der Kramer lief hin und schlug dem untoten Wesen mitten ins Gesicht. Die Schlafhaube kullerte zu Boden.

Das hätte er nicht tun sollen! Jetzt hieß es Reißaus nehmen. Er vorneweg, der Geist hinterher. Der Vordere rannte jetzt um sein Leben. Doch sein Verfolger blieb ihm auf den Fersen, durch Straßen und Gässchen und Tore, treppauf, treppab…, und noch bis vor das Haus, in dem der Kramer wohnte.

Im allerletzten Augenblick schlüpfte er durch die Tür und verriegelte von innen, rannte die Treppe hoch…

… doch er spürte, dass das Gespenst weiterhin dicht bei ihm blieb. Denn es kletterte außen die Fassade hoch. Zur Tür konnte es nicht herein, denn diese war mit drei Kreuzen bezeichnet. Der Kramer gelangte schweißgebadet in sein Zimmer. Und etwas Weißes schaut schon zum Fenster herein!

Da wirft er dem aufgebrachten Zwischenwesen, das tot ist und doch nicht ruhen kann, ein Bildnis der Muttergottes von Altötting entgegen.

Weg ist der Geist.

Das war zuviel der Aufregung. Der Kramer, halbtot, verfiel in einen tiefen Schlaf, der einige Tage gedauert haben mag (heute würden wir sagen: Heilschlaf), und als er wieder erwachte, da hing sogar das Madonnenbild ruhig an seinem Nagel an der Wand.

Sicherlich hat sich alles ganz genau so zugetragen, wie soeben berichtet. Zumindest in des »Schlafhaubenkramers« verwirrtem Geist war alles so.

Und einen Spitznamen hatte er auch weg für sein Lebtag.

Das Gespenst hat man nie mehr gesehen, vielleicht, wenn es wirklich eins war, ist es wohl durch die wuchtige Watsch’n des Altmünchner Originals von einem jahrhundertealten Fluch erlöst worden. Und muss nun nicht mehr umgehen.

Vielleicht.

Der Teufelstritt

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