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Kapitel 8

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Nach den ersten Monaten meiner Ausbildung zur Krankenschwester wunderte ich mich, dass es mir nicht schon viel früher in den Sinn gekommen war, diesen Beruf zu erlernen. Das frühe Aufstehen, ich musste um sechs Uhr auf Station sein, fand ich wirklich ätzend. Aber es gab Blockunterricht und Spätschicht, was die Sache etwas auflockerte und erträglich werden ließ. Allerdings musste ich den fürchterlichsten Drachen des Krankenhauses zurzeit beinah jeden Tag ertragen. Schwester Veronika, die Stationsschwester der chirurgischen Frauenstation. Die Bedauernswerten, die ständig auf dieser Station arbeiten mussten. Als Schülerin durchlief man zum Glück alle Stationen und bald würde ich es hinter mir haben. Überhaupt war die Chirurgie nicht unbedingt mein Ding. Die Entbindungsstation mit den Babys und den Wöchnerinnen war da schon eher was für mich, und ich überlegte, ob ich nicht Säuglingsschwester oder Hebamme werden sollte.

Manchmal kam Paul auf Station vorbei, um mich zu besuchen. Dadurch war ich schlagartig in der Gunst der anderen Schwestern und Schülerinnen gestiegen. Paul, der ohnehin ein Charmeur war, machte dann seine für ihn typischen Späßchen und Bemerkungen. Weil ich das schwarze Haar unter meinem Häubchen zum Knoten gesteckt trug, nannte Paul mich immer ›Schwester Dolores‹.

»Was macht denn meine geliebte Schwester Dolores heute hier noch so außer Flamenco tanzen?«, fragte er. »Oh, ich sehe schon, ein Tänzchen mit dem Herrn Schieber, dem glücklichen Stinker!«

Oder er schnappte mich und zog mit mir im Tangoschritt über den Flur. Die anderen vom Krankenhauspersonal und die Patientinnen, die aufstehen durften und in ihren Bademänteln auf dem Flur entlangflanierten, amüsierten sich köstlich. Nur der Drache meckerte: »Vergessen Sie Ihre Arbeit nicht, Emilia!«

»Die wird mir eine schlechte Bewertung schreiben«, sagte ich.

»Nicht für diesen Tango«, frotzelte Paul.

Was so locker rüberkam, täuschte vielleicht etwas darüber hinweg, dass ich meist nicht abschalten konnte, wenn ich etwas Bedrückendes erlebt hatte. Das Schicksal der Patienten rührte mich sehr und ich nahm die Bilder mit nach Hause. Die älteren Schwestern versuchten mich zu beruhigen: Das wird besser, wenn man lange genug dabei ist, dann stumpft man irgendwie ab. Das war das Allerschlimmste, was ich mir vorstellen wollte, und es wäre ein Grund für mich gewesen, sofort mit der Ausbildung aufzuhören. »Abstumpfen«, wie sich das schon anhörte. Überhaupt wollte ich in keinem Bereich des Lebens mit den Jahren abstumpfen.

Endlich verdiente ich mal wieder eigenes Geld, wenn es auch sehr wenig war. Aber ich war wenigstens nicht mehr auf das Taschengeld von meinen Eltern angewiesen. Als Mutter Taschengeld zu bekommen, das passte in meinen Augen überhaupt nicht zusammen.

Der Schuh

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