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Diana Cleverly war eine dieser kleinen Filmstars, die nur in Nebenrollen auftreten. Rolfs Schätzung nach konnten ihre Auftritte ihr nicht mehr als ein paar hundert Dollar pro Woche einbringen. Dennoch schien sie plötzlich zu Geld gekommen zu sein. Sie hatte sich am See Tahoe in Dollar Point eine imposante Villa aus den vierziger Jahren gekauft und sein Architektenbüro mit der Umgestaltung des Gebäudes beauftragt. Diana Cleverly hatte einen teuren Geschmack, denn ihre Ideen für die Neugestaltung des Anwesens bezifferten sich auf etwa hunderttausend Dollar. Der Vorschuss war pünktlich auf dem Konto des Büros eingegangen.

Als Rolf mit einer Stunde Verspätung die von prächtigen Zedern umgebene Auffahrt zu ihrem Haus hochfuhr, sah er sie schon auf einem der Granitlöwen hocken, die die große Veranda einrahmten.

Sie war eine hübsche Rothaarige von etwa dreißig Jahren, die jetzt ihre vollen Lippen zu einem Schmollmund verzog. „Wenn Sie Ihre Aufträge genauso pünktlich erledigen, wie Sie Ihre Termine einhalten, dann hätte ich lieber nebenan ein Studio gekauft“, sagte sie mit ihrer dunklen, samtigen Stimme. Sie deutete mit ihrer von Sommersprossen übersäten Hand auf einen Gebäudekomplex, der in etwa einem Kilometer Entfernung unten am See zu sehen war – der bekannte Accor Seniorenclub.

Rolf trat näher. Das grelle Sonnenlicht ließ Cleverlys Haut noch weißer erscheinen. Auf ihrer Stirn und über ihrer Oberlippe hatten sich kleine Schweißperlen gebildet. Ein dunstiger Geruch umgab ihre weibliche Figur, die in scharfem Gegensatz zu ihrer Kleidung stand. Zu ihrem streng geschnittenen Kostüm trug sie ein blütenweißes Hemd und eine hellblaue Krawatte.

„Sie wissen ja, wie der Verkehr die beste Planung …“

Diana unterbrach ihn unwirsch. „Natürlich – der Staat Kalifornien hat gerade heute beschlossen, das gesamte Straßennetz zu erneuern – und Sie standen deswegen permanent in Verkehrstaus. Sparen Sie sich die Ausreden für Ihre Frau auf und kommen Sie aus der Sonne.“

Sie traten in die kühle, weite Eingangshalle des Hauses, die durch die schweren Seidenvorhänge in ein grünliches Licht getaucht war. Der spanische Bewurf an den Wänden und die Säulen, die die Halle von dem Salon trennten, waren typisch für den Stil der vierziger Jahre.

„Wollen Sie etwas essen? Der Catering-Service in Dollar Point hat mir eine kalte Platte hochgeschickt.“

Rolf schüttelte den Kopf. „Danke nein, aber ich würde einen Whisky nicht ausschlagen.“ Er bot ihr eine Zigarette an.

Sie reichte ihm ein Glas und wies ihm einen Sessel in der Eingangshalle zu. Dann nahm sie ihm die Mappe mit den Plänen aus der Hand und entfernte sich rauchend in den Salon.

„Ich würde Ihnen die Skizzen gerne erklären“, rief Rolf ihr nach.

Diana verzog spöttisch ihren hübschen Mund. „Nicht nötig, Baupläne sind wie Straßenkarten. Ich habe, wie Sie bemerkt haben, Augen im Kopf.“

Und die hatte sie tatsächlich – mandelförmig und grün. Rolf musste unwillkürlich an eine Katze denken.

Er saß wie ein Examenskandidat vor dem Raum, in dem eine Jury über seine Leistungen berät. Es war das erste Mal, dass ihn ein Kunde so abgefertigt hatte. Er wurde etwas nervös. Die Ideen, die er im letzten Monat auf dem Zeichentisch zu Papier gebracht hatte, überzeugten ihn selbst nicht so richtig. Er war weit entfernt von der Kreativität, die er in früheren Projekten an den Tag gelegt hatte. Wenn er sich nur von dem Druck freimachen könnte, der vor etwa zwei Monaten urplötzlich über ihn gekommen war und den er selbst nur schwer zu fassen bekam.

Rolf stand auf und zog einen der flaschengrünen Vorhänge zur Seite. Er starrte durch die hohen, rechteckigen Fenster der Eingangshalle auf den See hinunter. Er konnte von Weitem einige Kinder im glitzernden Wasser plantschen sehen – wäre er doch nur genauso frei und unbeschwert.

Cleverly kam nach zehn Minuten wieder aus dem Salon. Ohne Umschweife kam sie zur Sache. „Ihre Skizzen spiegeln meine Ideen ziemlich genau wider – aber mehr auch nicht.“

Rolf räusperte sich. „Mehr auch nicht? War das nicht, was Sie von unserem Büro erwartet haben?“

Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. „Meine Ideen sollten nur ein Anhaltspunkt sein. Wo ist Ihre Kreativität? Wofür ist Ihr Architektenbüro so bekannt? Um Salon und Speisesaal zusammenzulegen, brauche ich keinen Stararchitekten. Dazu hätte der Maurer aus Dollar Point gereicht. Ich möchte, dass Sie die Natur und das Panorama mit in den Salon integrieren. Sie müssen das Ganze hier zum See hin öffnen. Es ist alles zu beengt und muffig.“ Cleverly machte eine weit ausholende Armbewegung in Richtung der Fenster im Salon. Ihre Stimme nahm einen aggressiven Ton an, und rote Flecken erschienen auf ihren Wangen. Ihre Augen hatten sich zu zwei Schlitzen verengt.

Rolf hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet. Er fühlte sich wie der Teilnehmer einer Safari, der sich verlaufen hat und unversehens einer Löwin gegenübersteht. „Wenn wir die Räume auf der ersten Etage zusammenlegen, ergibt sich automatisch ein Panoramaeffekt, da wir durch eine große, einheitliche Fensterfront …“

Cleverly unterbrach ihn wieder. „Es ist zu heiß, als dass ich Lust hätte, mich weiter mit Ihnen über diese mittelmäßigen Pläne zu streiten. Hunderttausend Dollar sind viel Geld – zumindest zu viel, um es für etwas auszugeben, das mich nicht überzeugt – ich bin nicht so wohlhabend, wie es vielleicht den Anschein hat. Kommen Sie mit etwas Neuem!“

Rolf schaute auf ihren weißen Hals, der durch ihre Erregung leicht angeschwollen war. Es juckte ihn in den Händen, ihren Redeschwall durch einen schnellen Griff zu beenden. Aber er lächelte höflich. „Es tut mir leid, wenn diese Entwürfe Sie nicht überzeugt haben sollten. Ich werde Sie selbstverständlich überarbeiten.“

Das Telefon läutete im Hintergrund. Sie gab ihm die Pläne mit einer resoluten Bewegung zurück.

Bevor Rolf noch etwas sagen konnte, ließ ihn das Geräusch leichter Schritte herumfahren. Ein Mädchen war aus einem der angrenzenden Zimmer in die Eingangshalle herausgetreten. Sie schien sehr jung zu sein. Ihr dunkles Haar und ihre schwarzen Augen, die Cleverly fragend, fast ängstlich anschauten, kontrastierten mit ihrer weißen Haut. Sie trug nur ein leichtes, beiges Baumwollkleid und war barfuß, obwohl es im Innern des Hauses ziemlich kühl war.

„Ich wollte Sie nicht stören, Miss Cleverly, aber Herr … einer Ihrer Klienten hat gerade angerufen.“

Rolf bemerkte ein leichtes Stottern. Das Mädchen sprach mit einem starken spanischen Akzent.

Cleverlys Gesicht entspannte sich beim ihrem Anblick, und der Ausdruck der Härte verschwand aus ihren Augen. „Das ist Joanna, meine … Sekretärin. Lass uns bitte alleine, Joanna, ich bin hier gleich fertig – dann werde ich ihn zurückrufen.“

Das Mädchen blieb unschlüssig stehen und verschwand erst, als Diana ihr nochmals freundlich zunickte.

Dann wandte sie sich wieder Rolf zu. Ihr Blick wurde kalt. „Ich hoffe, dass Sie das nächste Mal etwas Originelleres mitbringen. Und beeilen Sie sich bitte. Ich möchte nicht noch Jahre in dieser Ruine zubringen. Können Sie in zwei Wochen etwas Neues vorlegen? Ich meine, etwas wirklich Neues …“

Rolf nickte. „Unser Büro wird natürlich alles daransetzten, einen neuen Entwurf zu erarbeiten, der Sie zufriedenstellt. In zwei Wochen – nun, wir werden uns bemühen.“

„Bemühen?“ Sie stampfte leicht mit dem Fuß auf. „Ich glaube, dass zwei Wochen eine wirklich großzügige Zeitplanung sind – wenn man bedenkt, dass Sie bereits einen Monat Zeit hatten, um das hier zu produzieren.“ Cleverly deutete auf die Pläne, die Rolf in seinen verschwitzten Händen hielt. Dann drehte sie sich grußlos um und ließ ihn in der Gesellschaft seiner zu Makulatur gewordenen Skizzen zurück.

In der Luft lag noch ein Hauch ihres schweren Duftes.

Als Rolf zu seinem Wagen lief, musste er über sich selbst lachen. War das wirklich er – der große Stararchitekt, dem die Eingebungen nur so zuflogen? Er musste sich eingestehen, dass Cleverly nicht ganz unrecht hatte. Man konnte seinen Entwurf im besten Fall konventionell nennen – dafür hätte er allenfalls im Grundstudium für Architektur eine passable Note eingeheimst.

Bei Erwachen Mord

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