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Rolf kurbelte das Fenster etwas herunter und ließ die kühle Abendluft in den Wagen strömen, als er die Straße nach El Granada entlangfuhr. Die Sonne glich jetzt einer dunklen Orange, die dicht über dem Meer sanft durch den Dunst leuchtete und die Küste in ein rötliches Licht tauchte. Es war, als ob sich der Tag mit letzter Kraft gegen das Herannahen der Nacht wehrte, indem er ein loderndes Feuer entfachte und es gegen die aufkommende Dunkelheit schleuderte.

Rolf steckte sich eine Zigarette an. Das goldene, waffelförmige Feuerzeug hatte ihm Monika geschenkt.

Er musste an den Augenblick denken, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte seinen Auftrag gerade beendet und aß mit seinem Klienten im Pierre zu Abend. Der alte Grey war von dem neuen Bungalow so begeistert, dass er eine Flasche Krug nach der anderen bestellte. Beide waren leicht beschwipst.

Eigentlich hatte Grey Monika zuerst entdeckt. Rolf erklärte ihm gerade den Vorteil von Spannbeton, wobei er aufgrund seines Pegelstandes immer von Sparbeton sprach, als der Alte geistesabwesend an Rolf vorbeischaute. Dann murmelte er etwas vom Fluch des Altwerdens.

Als sich Rolf dann unauffällig umdrehte, sah er sie. Monika saß mit einem älteren Herrn an einem der Fenstertische. Sie glich einer Elfe. Ihr dichtes, blondes Haar lag wie eine Pelzboa über ihrer rechten Schulter. Sie blickte ihren Tischpartner mit ihren großen, blauen Augen aufmerksam an. Er hatte das Bild noch genau vor Augen und erinnerte sich an seinen ersten Gedanken. Was treibt dieses Mädchen mit dem alten Knacker? Es hatte sich dann später herausgestellt, dass es Monikas Vater war, der in San Francisco vorbeigeschaut hatte.

Er war die ersten Monate ihrer Beziehung so glücklich gewesen wie kaum jemals zuvor in seinem Leben. Als sie zu ihm zog, ließ Monika ihre Arbeit bei Wells Fargo sausen und nahm ihr Kunststudium wieder auf. Halbtags arbeitete sie in einer Galerie. Rolf hatte das Gefühl, nach einer sechsunddreißigjährigen, turbulenten Reise auf einem Seelenverkäufer endlich in einen ruhigen Hafen eingelaufen zu sein. Sein unstetes Leben und seine Streifzüge durch die Nachtclubs Friscos schienen der Vergangenheit anzugehören.

Als er endlich ankam und die beleuchtete Auffahrt zu seinem Haus hinauffuhr, sah er einen dunklen Chrysler vor seiner Garage stehen. Wenn er sich nicht irrte, war das der Wagen von Monikas Vater. Seltsam, er hatte sich doch gar nicht angekündigt?

„Schau, wer vorbeigekommen ist!“ Monika hatte die Tür geöffnet, bevor er noch den Hausschlüssel hervorgezogen hatte, und umhüllte ihn mit ihrer solaren Ausstrahlung. Neben ihr die große Gestalt ihres Vaters. Beide hatten die gleichen himmelblauen Augen, das gleiche einnehmende Lächeln.

Rolf hoffte, dass er im Alter wie Monikas Vater sein würde – genauso gutaussehend. Im Gegensatz zu vielen alleinstehenden, älteren Männern war Earl Lindblad äußert gepflegt. Er trug einen eleganten, dunkelblauen Zweireiher, der seine schlanke Gestalt hervorhob. Sein volles, weißes Haar war sorgfältig mit Brillantine nach hinten gekämmt. Lindblad musste in seinen jungen Jahren sicher Erfolg bei Frauen gehabt haben. Er vermittelte ein Gefühl von großer Gelassenheit – und es gibt im Leben nichts Stärkeres als Gelassenheit.

„Herr Lindblad, eine nette Überraschung. Laden Sie mich zu einem meiner Whiskys ein?“

Der Alte lächelte. „Darf ich Sie in Ihr Haus bitten?“

Rolf umarmte Monika kurz. Zu mehr konnte er sich in Gegenwart ihres Vaters nicht hinreißen lassen.

Die Männer traten in den spärlich möblierten Salon, und Rolf bereitet drei Whisky Soda zu.

„Sie sind jetzt häufig an der Westküste. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kommen, hätte ich einen Tisch im Pierre bestellt.“ Rolf wandte sich mit den Gläsern Lindblad zu.

„Dein Pierre kann gar nicht mit mir mithalten.“ Monika griff nach ihrem Drink und stieg die Stufen zur Küche hoch.

Earl Lindblad setzte sich unaufgefordert auf eines der grauen Ledersofas und sah Rolf freundlich an. „Wissen Sie, ich fühle mich noch zu jung, um mich vollkommen auf mein Altenteil zu setzen. Ich habe immer Physik unterrichtet und das wiedergekaut, was andere entdeckt haben …“

„Papa hat was ganz Neues erfunden und ist jetzt Unternehmer!“, schallte es aus der Küche.

„Ich habe mit meinem Teilhaber ein Miniaturhalbleiter-Bauelement entwickelt, das es ermöglichen würde, noch handlichere Transistorradios herzustellen – ein Radio, das Sie in ihre Brusttasche stecken könnten, ohne dass es weiter auffallen würde. Kurzum, zwei kalifornische Technologieunternehmen scheinen interessiert zu sein. Deshalb habe ich mich in einen Handelsreisenden verwandelt.“

„Du bist jetzt Geschäftsmann, Papa, nicht Handelsreisender!“ Monika kam mit einer großen Platte Roast Beef und Salat herunter. „Zu mehr hatte ich in der Mittagspause keine Zeit …“

„Warum hast du heute Nachmittag keine Nachricht in der Firma hinterlassen? Wenn ich gewusst hätte, dass dein Vater kommt, wäre ich früher nach Hause gekommen und hätte ein Barbecue vorbereiten können“, sagte Rolf.

„Ja, ein Barbecue! Das ist mein Rolf. Er kann kaum einen Salat anrichten, geschweige denn ein Ei kochen. Aber wenn es ums Grillen von Fleisch geht, müssen wir Frauen eine Meile Abstand halten – das kann nur er richtig. Der Höhlenmensch scheint sich wirklich noch in allen Männern zu verstecken … huhu.“ Monika zog ihre schlanken Arme wie ein kleines Äffchen hoch und grinste Rolf an.

Obwohl die Nacht bereits hereingebrochen war, hatte sie den Tisch unter der durch einen blauen Lampion beleuchteten Laube neben dem Schwimmbad gedeckt. Von hier hatte man einen grandiosen Ausblick auf den Pazifik, auf dem das kalte Licht des Mondes einen breiten, silbernen Kanal bis zum Horizont formte. Die leichte Brise, die vom Meer her wehte, war angenehm kühl und roch nach Zedernholz. Sie setzten sich und lauschten einige Sekunden dem Rauschen der Brandung.

„Es muss heute bei der Hitze sicherlich schwer gewesen sein, etwas Originelles auf dem Zeichentisch zu entwerfen“, unterbrach Lindblad das Schweigen.

Rolf lächelte. „Tja, heute war auch ich als Handelsreisender unterwegs. Ich habe eine Klientin besucht, die ihre Villa am See Tahoe renovieren lässt. Es ging also eher darum, etwas zu verkaufen, was ich während des letzten Monats ausgebrütet habe. Es lief nicht besonders gut. Die Klientin war der Meinung, dass mein Entwurf zu konventionell sei.“

„Am See Tahoe?“ Lindbad sah von seinem Teller auf.

„Ja, in Dollar Point. Kennen Sie die Gegend?“

Lindbad nippte an seinem Weinglas. Dann räusperte er sich. „Nein, ich war selbst noch nicht da. Aber die Gegend ist mir natürlich ein Begriff. Viele der Schönen und Reichen haben dort ihre Sommerhäuser.“

Monika nahm lachend die Hand ihres Vaters. „Dann wirst du auch bald dort wohnen, Papa. Ich bin ganz sicher, dass deine Erfindung wie eine Bombe einschlägt. Vergiss nicht, uns einzuladen, wenn es soweit ist.“

Lindblad achtetet nicht auf seine Tochter. Er schien mit seinen Gedanken woanders zu sein. „Wenn Sie dort eine Villa renovieren, müssen Sie wahrscheinlich noch öfters raus nach Dollar Point?“

Rolf nickte. „In zwei Wochen auf jeden Fall. Am liebsten würde ich dich hinschicken, Monika. Cleverly würde dir wahrscheinlich aus der Hand fressen …“

„Clerverly?“ Lindblad sah auf.

„Ja, meine Kundin – Diana Cleverly. Hat einen Charakter wie ein Feldwebel – sieht aber ganz nett aus.“

Monika kicherte. „Ich muss mir doch keine Sorgen machen, Rolf?“

Er kniff sie leicht in die Wange. „Nein Monika, du brauchst dir bestimmt keine Sorgen zu machen. Ich glaube, du wärst eher ihr Typ.“

Es war jetzt frisch geworden. Monika ging ins Haus, um sich eine Strickjacke zu holen. Dann kam sie mit einem silbernen Tablett, auf dem Kaffee und Cognac standen, zurück. „Wo ist eigentlich dein Gepäck, Papa?“

„Liegt noch im Wagen …“ brummte Lindblad.

„Rolf wird es holen, und ich bereite dir das Gästezimmer vor.“

Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich habe heute noch eine geschäftliche Verabredung und werde euch jungen Leute nach dem Abendessen in Frieden lassen.“

Monika sah ihn besorgt an. „Aber Papa, du hast den ganzen Tag hinter dem Steuer gesessen, und es ist schon beinahe Mitternacht!“

„Ich würde wirklich gerne bleiben, aber es ist … wichtig. Wir werden uns sehr bald wiedersehen und dann werde ich mehr Zeit mit dir verbringen.“ Er streichelte ihre Wange.

Es schien Rolf, als ob Lindblad wie ein Meteor durch Monikas Leben sauste. Er tauchte immer unangekündigt auf und verschwand dann genauso schnell wieder. Er hatte sich nie richtig um seine Tochter gekümmert. Trotzdem liebte Monika ihren Vater abgöttisch. Sie sprach sehr oft von ihm. Ihre Mutter, die vor einigen Jahren nach langer Krankheit gestorben war, erwähnte sie hingegen kaum.

Als er sich von seiner Tochter verabschiedet hatte und mit Rolf zu seinem Wagen schritt, drehte sich Lindblad plötzlich zu ihm und nahm seine Hand. „Ich bin wirklich so froh, dass Monika bei Ihnen wohnt, Herr Bennett. Es ist eine unsichere Welt, in der wir leben. Ich verstehe vieles nicht mehr – manchmal auch mich nicht. Ich habe mich immer zu Taten hinreißen lassen, die ich dann bereut habe … das war mein ganzes Leben so. Dabei habe ich die wirklich wichtigen Dinge aus den Augen verloren.“ Er blickte Rolf geistesabwesend an. Dann strich er seine Haare nach hinten und stieg in den Wagen.

Seltsam, dass Menschen, die ihr Leben lang nur an ihr Vergnügen und ihre Selbstverwirklichung gedacht haben, sich im Alter plötzlich um ihre Kinder sorgten. War es die Einsamkeit, die man in den späteren Jahren stärker spürte, oder das Ende des Lebens, das mehr und mehr die Gedanken der Menschen beherrschte, und ihnen ihre Versäumnisse deutlich vor Augen führte? Rolf stand noch eine Weile an der Auffahrt zu seinem Haus und starrte auf den dunklen, von Zedern umgebenen Weg, der zur Küste führte. Irgendetwas schien den Alten zu bedrücken. Welche geschäftliche Verabredung mochte er noch um diese Uhrzeit haben?

Bei Erwachen Mord

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