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John Baudassin brach in schallendes Gelächter aus. Die beiden Partner schlürften auf dem Balkon, der vor Rolfs Büro lag, ihren Whisky. Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu, und Dunst legte sich langsam über den Pazifik. Rolf hatte den Ventilator aus seinem Büro vor die beiden Korbsessel gestellt, und das Summen des Geräts wirkte beruhigend auf seine Nerven.

„Die hat dich ja heute ganz schön zusammengefaltet. Ein Glück, dass du diesen Auftrag an Land gezogen hast, sonst würdest du mir jetzt Vorwürfe machen. Na ja, irgendwo liegt sie nicht falsch – du scheinst nicht mehr ganz bei der Sache zu sein. Ich fand deine Pläne nicht schlecht, aber sie haben mich auch nicht vom Hocker gerissen … Der Bungalow, den du damals Olrik in San Clemente hingesetzt hast, das war was. Aber vielleicht sind wir wie Schriftsteller. Nach dem Bestseller kommt dann erst einmal eine lange Flaute.“

Rolf schaute in Johns aufgedunsenes, verschwitztes Gesicht. Ein leichter Ekel überkam ihn. Er hatte seinen Partner eigentlich nie richtig gemocht. Es war eher ein Zufall gewesen, der die beiden geschäftlich zusammengeführt hatte. John war ein geschickter Organisator und verfügte über ein weites Netzwerk. Rolf war dagegen ein Einzelgänger und hatte am Anfang seiner Karriere Schwierigkeiten gehabt, seine wirklich originellen Ideen an den Mann zu bringen. Er war nie ein guter Verkäufer gewesen. Die beiden hatten sich auf einem Seminar über die Architektur der dreißiger Jahre kennengelernt und hatten sehr schnell das Potential des jeweils anderen erkannt.

Rolf fühlte, dass sein Partner nicht unbedingt die Person war, vor der er gerne sein Seelenleben ausbreitete. Andererseits kannte er auch niemanden sonst, dem er sich anvertrauen konnte. Monika würde er sicher nicht mit seinen Psychosen belasten.

Er holte aus seinem Arbeitszimmer eine Schachtel Cohibas und bot John eine an. Dann nahm er einen tiefen Schluck. Der Whisky rann warm und ölig seine Speiseröhre hinunter. „Ich schlafe seit mehreren Wochen sehr schlecht …“ Rolf suchte nach den passenden Worten.

„Wenn meine Frau so aussähe wie Monika, würde ich auch nicht schlafen“, grinste sein Partner.

Rolf verzog ärgerlich sein Gesicht. „Das meine ich nicht, John … Ich leide unter … Albträumen … seit etwa zwei Monaten.“

Baudassin zuckte mit den Schultern. „Das passiert uns doch allen. Was meinst du, wie es mir ergeht, wenn ich dem Finanzamt unseren Jahresabschluss verkaufen muss?“

„Diese Albträume wiederholen sich … mit Variationen. Sie sind sehr … beklemmend.“

John sah seinen Geschäftspartner fragend an.

Rolf fuhr fort. „Ich hatte immer ein sehr normales Verhältnis zu Frauen, ich meine …“

John verzog spöttisch sein Gesicht „Normal? Sagen wir, du bist nicht unbedingt monogam. Du hast es nie sehr lange mit einer ausgehalten, und parallel lief auch immer etwas. Vielleicht nennt man das heutzutage normal …“

„Ich wollte sagen, dass ich Frauen mag und ihre Gesellschaft immer gesucht habe …“

„Ja, dass du ihre Gesellschaft gesucht hast, kann ich voll und ganz bestätigen – sogar während unserer Bürozeiten!“, unterbrach ihn John ironisch.

Rolf fuhr mit der Hand durch seine Haare. Wie sollte er seinem spießigen Partner bloß erklären, was ihn bedrückte? „Im Klartext, ich habe mir nie etwas aus sadistischen Spielchen gemacht. Mein Sexualleben ist … normal. Ich kann noch nicht mal sagen, dass ich einen besonderen Fetischismus entwickelt hätte ...“

John kaute auf seiner Zigarre und sah etwas verlegen auf den Kachelboden der Terrasse.

Rolf stand auf. „Vielleicht sollten wir es dabei belassen … Du wirst mich eh nicht verstehen …“

„Setz dich hin und spuck es aus!“

Rolf ließ sich wieder in den Korbsessel fallen und fasste sich an die Stirn. Obwohl es kühler geworden war und der Ventilator einen angenehmen Luftzug erzeugte, rann ihm der Schweiß am Rücken herab. Der Himmel über dem Pazifik hatte jetzt eine lehmartige Färbung angenommen. Die Konturen der Klippen, die steil ins Meer fielen, verschwammen in dem bräunlich-gelben Licht, so als ob man sie durch ein volles Whiskyglas betrachten würde.

„Ich habe zwei Frauen erwürgt – in diesen verdammten Träumen … Und das Schlimme ist, dass ich es genossen habe … ich meine, ich genieße es im Traum. Ich habe das Gefühl einer großen Genugtuung, als ob ich eine lang ausstehende Rechnung begleichen würde – ein Gefühl der Rache. Natürlich ist mir beim Erwachen übel – keine Spur mehr von dieser Genugtuung.“

John wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus der Stirn und sah Rolf belustigt an. „Alter Junge, muss ich mir Sorgen machen? Vielleicht sollte ich Monika vor dir warnen? Tja, manchmal könnte ich meine Frau auch erwürgen, und das nicht nur im Traum – besonders, wenn sie fünfhundert Dollar beim Bridge verliert. Wer waren denn die Mädchen, mit denen du diese Gewaltorgien ausgelebt hast? Ich hoffe, sie waren wenigstens hübsch?“

Rolf ging auf Johns ironischen Ton nicht ein. „Etwas anderes ist mir aufgefallen: Die Träume sind sehr real. Ich kann mich danach genau an Farben und Düfte erinnern, an die Frauen … an ihre weit aufgerissenen Augen. Wenn ich früher mal einen Traum hatte, wusste ich beim Aufwachen nur noch dunkel, worum es überhaupt gegangen war…wenn überhaupt. Jetzt ist alles sehr deutlich, als ob ich einfach von einem Raum in den anderen ginge, wenn ich wach werde. Und noch etwas Seltsames … die Mädchen in meinen Träumen haben unterschiedliche Kleidung, Frisuren, Körpergrößen – aber immer das gleiche Gesicht …“

„Das gleiche Gesicht?“ Johns Stimme hatte den ironischen Ton jetzt endlich verloren. „Wessen Gesicht?“

Rolf schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Es ist das Gesicht einer Frau, die ich nie zuvor gesehen habe – jedenfalls nicht bewusst. Aber der Traum ist so deutlich, dass ich dir jede Einzelheit ihrer Physiognomie beschreiben könnte.“

John beugte sich leicht vor und klopfte ihm auf die Schulter. „Nerven – nichts als Nerven, Rolf. Ich glaube einfach, du bist mit den Nerven runter. Vielleicht hat dich der letzte Auftrag zu sehr beansprucht. Du solltest Urlaub machen. Du hast wirklich viel Energie in die Villa Olrik gesteckt und hättest den neuen Auftrag gar nicht übernehmen sollen. Vor allem nicht mit dieser Kratzbürste – keine Wunder, dass du in deinen Träumen Mordlust verspürst.“ John grinste wieder. „Vielleicht solltest du mit einem Seelenklempner reden. Ich habe dir ja gesagt, dass auch mein Schwager am Samstagnachmittag zu meiner Party kommen wird. Liam ist, wie du weißt, Psychiater. Ich persönlich glaube an das ganze Zeug nicht – alles Hokuspokus. Aber vielleicht tut es dir gut, mit ihm darüber zu reden. Er wird sicher eine vollkommen abgefahrene Erklärung finden – genauso abgefahren wie deine Geschichte ...“

Rolf leerte sein Glas und stand auf. „Mal sehen, John – ich werde es mir überlegen. Zumindest weißt du jetzt, was mich in letzter Zeit bedrückt und worunter meine Arbeit leidet. Ich mache mich jetzt vom Acker. Es war ein langer und heißer Tag, und ich muss für Monika noch ein Medikament unten bei Walgreens kaufen.

John erhob sich ebenfalls und trat mit Rolf ins Innere. Dann wandte er sich nochmals an seinen Partner. „Ich werde hier noch etwas arbeiten. Wenn du sowieso bei Walgreens vorbeifährst, könntest du mir vielleicht ein Päckchen Seconal holen? Hier ist das Rezept. Du kannst den Stoff einfach bei mir in den Briefkasten werfen. Vera wird noch nicht zu Hause sein. Sie spielt mit ein paar Freundinnen Bridge. Nun ja, du kommst doch sowieso an meinem Haus vorbei, wenn du zu dir zurückfährst …“

Rolf lächelte. Er schien also nicht der einzige zu sein, der unruhige Nächte mit kleinen, rosafarbenen Pillen zu überstehen versuchte.

Bei Erwachen Mord

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