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Kapitel 1: In Liebe leben

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»Liebe ist das Herz der Existenz, und wer die gesamte Existenz wirklich als Herz erleben will, darf in seinem Herzen nichts zurückhalten.«

A. H. Almaas

Mein ganzes Leben war und ist ein stetiger, intensiver Prozess des Liebenlernens und der Erforschung dessen, was Liebe wahrhaft ist. Die ununterbrochene Suche meiner Seele hat mich in zahlreiche Begegnungen und Verbindungen mit Frauen geführt. Ohne verlässliche Rollenvorbilder mussten wir den schmalen, oftmals auch herausfordernden Weg von Versuch und Irrtum gehen, angetrieben von dem innigen Wunsch nach Nähe, Verbundenheit, Entgrenzung und Einheit.

Soweit meine Erinnerungen zurückreichen, gab es schon immer in mir ein Verlangen nach beglückender und wirklich erfüllender Liebesvereinigung sowie den Wunsch nach Nähe, Vertrautheit, Geborgenheit und Stabilität. Gleichzeitig regte sich in mir auch ein großes Bedürfnis nach Freiheit, Ungebundensein, Abenteuer und grenzenloser Weite. Dies war eine brisante Mischung von sich teilweise widersprechenden Antrieben. Sie ließen mich Verpflichtungen, Bindungen und Kompromisse eingehen, aus denen ich mich nach einigen Jahren beglückender und bereichernder, dann aber auch enttäuschender, bedrückender und schmerzhafter Erfahrungen schließlich wieder losreißen musste.

Immer wieder aufs Neue begab ich mich auf die Suche nach der Einen Großen Liebe. Ich spürte tief innen ein Ahnen und tiefes Wissen um die wahre, vollkommene Liebeserfüllung. Keine halbherzige Alternative konnte mich zufriedenstellen. Es war mir unmöglich, dauerhaft Kompromisse einzugehen, denen ich Wesentliches opfern sollte. Mehr und mehr wurde mir bewusst, dass ich die grenzenlose, allumfassende und bedingungsfreie LIEBE mehr liebte als alles, was vorübergehend war. Und allmählich dämmerte es mir, dass die Liebeserfüllung, nach der ich so verzweifelt im Außen suchte, spirituelle Dimensionen hatte. Sie musste in mir selbst, in meiner essenziellen Einzigartigkeit und als Teil meiner inneren Göttlichkeit gefunden werden. Die Suche bei einer anziehenden Frau oder in verlockenden Liebesbegegnungen, in denen ich die Erlösung aus meiner Getrenntheit erhoffte, entpuppte sich immer wieder als vergeblich.

Diese Suche war für mich sehr verführerisch und hat lange gedauert, zumal ich oft von den wundervollsten Frauen umgeben war. Solange ich noch gravierende innere Defizite in mir trug, projizierte ich die Erlösung aus diesem Mangel nach außen. Mich trieb die zunächst unbewusste Erwartung an, dass die innere Unvollständigkeit durch die Liebe und Bewunderung schöner, kraftvoller Frauen aufgefüllt werden könnte. Das hat zu so mancher Irritation und mitunter auch zu schmerzhaften Verletzungen geführt. Dies gespiegelt zu bekommen, war jedes Mal schrecklich für mich. Auf meinen früheren Entwicklungsstufen versuchte ich die Wucht von Anklage und Zorn mit einem Schutzreflex aus Rationalisierungen und Stolz zurückzuweisen. Natürlich war ich stets von der Echtheit und Aufrichtigkeit meiner Motive überzeugt. Doch mit der Zeit wuchs in mir eine zunehmende und schließlich radikale Bereitschaft, mich intensiv und gründlich dem zu stellen, was mir gespiegelt wurde.

Mein Wunsch nach Wahrheit wurde schließlich größer als das Bedürfnis, mein unsicheres Selbstbild zu verteidigen. Dadurch konnte ich die bei anderen ausgelösten Verletzungen als Teile meiner eigenen Wunden und Unbewusstheiten erkennen und annehmen. Dies führte mich in eine stetige, immer essenzieller werdende Selbstbegegnung, deren Höhepunkte ich in Teil II Wie die Liebe mich einweihte beschreiben werde. Zunehmende Liebeserfüllung stellte sich nämlich erst dann ein, als ich begriff, dass jede Liebesbegegnung im Grunde eine Aufforderung und Chance war, mir selbst tiefer zu begegnen. Und jedes Mal, wenn die gemeinsame Suche nach Liebe und Einheit unsere Wunden und Verletzungen ans Licht brachte, tauchten weitere abgespaltene Schattenbereiche auf. Obwohl dies oftmals bedrohlich erschien, erkannte ich es immer klarer als eine Notwendigkeit, durch die alles Ungeheilte endlich in Liebe umarmt, geklärt, geheilt und vergeben werden konnte. Sobald ich für echte Selbstfindung bereit war, verwandelte sich das, was anfangs bedauerlich oder gar tragisch erschien, in gnadenvolle Geschenke, durch die alle Beteiligten gesegnet wurden.

Diese oftmals harte, mitunter auch tief erschütternde innere Arbeit war und ist etwas vom Wichtigsten und Lohnendsten in meinem Leben. Jeder Schmerz, jede Träne, jede Enttäuschung, jede aufrüttelnde, schockierende Erfahrung haben mich demütiger und liebevoller, aber auch klarer und kraftvoller werden lassen. Die Liebe selbst übernahm die Führung und hat mich machtvoll eingeladen, wirklich alles, was ihr nicht entsprach, der göttlichen Heilkraft zu übergeben.

Als Folge stellt sich nun in meinem Leben gnadenvoll ein, was ich über Jahrzehnte hinweg vergeblich im Außen suchte. Meine Dankbarkeit dafür ist grenzenlos. Es hat mich in eine tiefe Demut vor der Größe und Herrlichkeit der allumfassenden, bedingungsfreien Liebe geführt. Die innere Freiheit, die sich schrittweise einstellt, erwächst aus einem Frei-Werden von mir selbst. Sie entlarvt meine begrenzte Persönlichkeit mit ihrem Glauben an Mangel und Trennung immer wieder als reine Illusion. Die Ausrichtung auf die bedingungsfreie Liebe leitete einen Prozess tiefgreifender Verwandlung ein. Mit dieser klaren Entscheidung wurde ich in eine neue, verbindliche Weise meines In-Liebe-Seins geführt. Anstatt die Liebeserfüllung im Außen zu suchen, durfte ich entdecken wie es ist, einfach nur liebend präsent zu sein. Und das Leben antwortete überwältigend und gnadenvoll.

Menschliche Liebe und Sexualität kann ein großartiges Sprungbrett in die grenzenlose All-Liebe sein. Dazu braucht es den Mut und die Bereitschaft, sich immer wieder neu dem Ruf der inneren Führung zu öffnen und hellwach jede mögliche Erfahrung als Gradmesser für die eigene Klarheit und Liebesfähigkeit zu erforschen. Diese kompromisslose Ehrlichkeit mit sich selbst schützt davor, sich in Illusionen, Schuldzuweisungen, Manipulationen und anderen emotionalen Verstrickungen zu verlieren. Solange wir destruktive und unfreie Verhaltensmuster ungeprüft fortsetzen, vergeuden wir nur sinnlos unsere wertvolle Lebenszeit und -energie. Doch all dies kann uns auch vorbereiten auf den Quantensprung in unsere eigene wahre Freiheit.

Sich seiner Motive, Bedürfnisse, Absichten und Antriebe klar bewusst zu werden, bringt Achtsamkeit, Mitgefühl und Wertschätzung in unsere Begegnungen. Am Ende steht die tiefe Bereitschaft, all dies dem Göttlichen zu übergeben und sich von der Liebe selbst führen und einweihen zu lassen. Dann kann der mitunter herausfordernde Weg der menschlichen Liebe uns in eine vollständige Erfahrung der All-Liebe führen. In uns erblüht die Weisheit unserer Herzen, die alle Bereiche unseres Menschseins wertschätzend annimmt und bedingungsfrei umarmt.

Bei aller Ernsthaftigkeit dieses Themas möchte ich auch immer wieder eine unbeschwerte Leichtigkeit einladen. Sie öffnet in uns einen Raum, in dem wir die magnetische Anziehung der Liebespole spontan, unschuldig und achtsam als reinen Ausdruck unserer Lebensfreude und Lebensbejahung feiern und genießen dürfen. Dies ist umso beglückender und erfüllender, je mehr sich nach und nach die alten Wunden und Verletzungen in die Heilung hinein auflösen.

Wer liebt hat alles

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