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Erste große Liebe

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Petra, meine erste große Liebe – ich war 18, sie 15 Jahre jung – besaß eine zarte, äußerst anmutige und sinnliche Ausstrahlung. Wir wohnten 70 Kilometer auseinander und konnten uns – wenn überhaupt – nur an den Wochenenden sehen. Dann aber schwelgten wir in zärtlichen, romantischen Sphären voller selbstvergessener himmlischer Verliebtheit. Mit unserer natürlichen, hochsensiblen Sinnlichkeit entdeckten wir wonnevoll unsere Körper und erlebten behutsam den drängenden und leidenschaftlichen Wunsch nach körperlicher Vereinigung. Nach etwa einem Jahr wäre dies für uns beide wünschenswert und natürlich geschehen, hätte nicht auch ihr religiöser Hintergrund diese Möglichkeit strikt zurückgewiesen. So verzichteten wir auf das, was sich unsere Körper ersehnten und quälten uns weitere zwei Jahre lang mit Zurückhaltung und Verzicht.

In dieser Zeit beobachtete ich zunehmend skeptisch das Verhalten der Menschen in unserem religiösen Umfeld. Sehr bald entdeckte ich die offensichtlichen Zusammenhänge von Aggression, Feindseligkeit und Doppelmoral, die oft mit der Reglementierung und Unterdrückung von Sexualität einhergeht. Und obwohl ich selber noch nicht wagte, das Tabu zu durchbrechen, begann ich die rigide Sexualmoral zu kritisieren und abzulehnen.

Dann, an einem Wochenende Anfang März, drei Jahre nach dem Beginn unserer Liebesverbindung, überraschte sie mich. Als Arzthelferin hatte sie Zugang zur „Pille“ und wollte einfach nicht länger warten. Wie aufgeregt wir beide waren! Endlich, endlich durfte sein, worüber wir schon hunderte Male fantasiert hatten.

Ehrlich gesagt war ich dann doch etwas enttäuscht, als wir es schließlich „getan“ hatten. Ich glaubte tatsächlich, dass ich es vorerst nicht wiederholen wollte. Doch gleich am folgenden Tag vereinigten sich unsere Herzen und Körper wieder aufs Neue. Ab diesem Zeitpunkt wurde es zunehmend schöner und lustvoller. Wir führten uns gegenseitig auf eine zärtlich-wonnevolle Weise in die körperliche Liebe ein und konnten kaum genug davon bekommen.

Die warme Jahreszeit kam und auf unseren gemeinsamen Streifzügen durch die bewaldete Natur fanden wir die schönsten Plätze für unseren Liebesaustausch. Es war pures Entzücken und jedes Mal ein Fest für unsere Sinne, Körper und Seelen. Es schien möglich, diesen Bereich unserer Liebe heimlich und jenseits moralischer Gebote und Vorschriften zu zelebrieren. Alles war so echt, so wirklich und natürlich, dass wir nie das Gefühl hatten, etwas Unrechtes oder gar Sündiges zu tun. Oder waren da doch unterschwellige, unbewusste Schuldgefühle, die nach einigen Monaten zu einem jähen Ende unserer unbeschwerten Zeit führten? Petra war wieder zu einem Wochenende bei mir und schrieb in ihr Tagebuch, sie habe einmal die Pille vergessen und befürchte nun eine ungewollte Schwangerschaft.

Sie wurde nicht schwanger, doch ließ sie das Tagebuch aufgeschlagen in meinem Zimmer am Boden liegen. Als meine Mutter die Blumen gießen wollte, stolperte sie über das Buch und die verräterischen Zeilen sprangen ihr entgegen. Entsetzt und todernst nahm sie mich beiseite und konfrontierte mich mit ihrer schockierenden Entdeckung. Ich suchte verzweifelt nach einer Ausrede, doch es gab kein Entrinnen. Wir mussten unsere „Todsünde“ bekennen. Sofort wurden auch Petras Eltern informiert. Das Entsetzen war auch dort sehr groß und wir wurden vor die Wahl gestellt, entweder umgehend zum Standesamt zu gehen und zu heiraten oder uns nicht mehr zu treffen. Unsere Wahl war klar, denn die Strafe einer gewaltsamen Trennung erschien uns unerträglich. So schlitterte ich überstürzt und unvorbereitet in eine moralisch erzwungene Ehe.

Anfangs glaubte ich noch, dieser „formale Akt“ würde nichts an unserer Liebe ändern. Doch schon sehr bald musste ich einsehen, dass ich mich darin gründlich geirrt hatte. Es war wie das Eintreten in ein neues, gesellschaftlich reglementiertes Energiefeld mit ehelichen Pflichten und Begrenzungen. Der Zauber unserer Liebe löste sich darin unaufhaltsam auf. Der natürliche Tanz unserer unbeschwerten Freude und Anziehung wurde unversehens ersetzt durch eine auferlegte Bindung und einen offenen Zwang.

Diese gefühlte Unfreiheit begann mehr und mehr auf mir zu lasten, und ich erinnere mich an herrliche, sonnige Frühlingstage, in denen ich verzweifelt in depressiven Zuständen zu versinken drohte. Der Ehering an meiner noch so jungen Hand wurde für mich zum Symbol einer Fessel und unterhöhlte zunehmend die Echtheit und Schönheit unserer Liebe. Hinzu kam, dass sich das Fundament meines übernommenen Glaubens unaufhaltsam aufzulösen begann, was mich in eine zusätzliche Sinnkrise stürzte. Zum ersten Mal dachte ich über die Möglichkeit von Freitod nach.

Wir übersiedelten ins damalige West-Berlin, wo für mich eine intensive Selbstfindung und spirituelle Neuorientierung begann. Doch hierbei konnte und wollte Petra mir nicht folgen. Wir lebten uns zusehends auseinander und unsere Ehe wurde geschieden. Nach sieben Jahren war unser beider erste große Liebesverbindung zu Ende. Bald darauf lernte sie einen anderen Mann kennen und wurde die Mutter gemeinsamer Kinder.

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