Читать книгу Wer liebt hat alles - Gerd Bodhi Ziegler - Страница 17

Das Elternhaus

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Meine Eltern waren beide äußerst liebevolle Menschen, die bis zu ihrem Lebensende eine zarte, respektvolle Liebe voller Güte und Herzenswärme verband. Meine Mutter, eine temperamentvolle, starke und gefühlsbetonte Frau, erzählte mir später einmal, wie schön und erfüllend für sie der sexuelle Liebesaustausch mit meinem sanften, achtsamen und wertschätzenden Vater sei. Beide würden immer wieder neue Möglichkeiten lust- und liebevollen Austausches entdecken. Ich konnte meine Eltern diesbezüglich als Vorbilder akzeptieren und in meiner kindlichen Fantasie sah ich mich im späteren Leben ähnlich wie sie in einer lebenslangen monogamen Ehe. Doch mein Weg entfaltete sich zunächst völlig anders.

Damals lebte noch mein Großvater mit in unserer Familie. In seinen mittleren Jahren hatte er seine Frau durch einen tragischen Unfall verloren, als diese mit dem zehnten Kind schwanger war. Sie rutschte unglücklich aus, stürzte und verblutete innerlich. Ein schwerer Schicksalsschlag für den Vater von bereits neun Kindern, von denen das jüngste noch im Säuglingsalter war. Er näherte sich nie wieder in seinem Leben einer Frau und widmete sich in späteren Jahren einem beinahe fanatischen Bibelstudium.

An einem warmen Sommertag spielte ich mit meiner zwei Jahre jüngeren Schwester fröhlich und ausgelassen lachend auf unserer selbstgebauten Schaukel. Plötzlich näherte sich der Opa im Eilschritt und drosch unvermittelt mit seinem Gehstock auf uns ein. Schockiert und fassungslos rannten wir weinend davon. Wir fühlten die bebende Energie seines Zornes, doch konnten wir zunächst keine Erklärung dafür finden. Doch tief in mir ahnte ich, dass unsere fröhliche und unbeschwerte Lebendigkeit für ihn unerträglich war. Er musste sie vehement bestrafen mit der Absicht, ihren Ausdruck schon so früh wie möglich zu unterdrücken.

Erst viel später begriff ich, dass mein Großvater wahrscheinlich eine erotische Energie zwischen meiner Schwester und mir gespürt oder vielmehr auf die Situation projiziert haben musste. Die Wucht seiner eigenen gnadenlosen Sexualunterdrückung war wohl damals mit ihm durchgegangen. Sie entlud sich brachial, ausgelöst durch den Ausdruck unserer kindlichen Unschuld und Lebendigkeit. So furchtbar und unverständlich dies für mich als Kind war, so viel Mitgefühl empfinde ich heute für den Mann, dessen Liebespotenziale derartig verkrüppelt und von Schuld und Aggressionen überlagert waren.

Die religiöse Ausrichtung meines Elternhauses war ein einfältiger, bibeltreuer Glaube mit freikirchlichem Hintergrund. Er besaß durchaus auch lebendige und echte Seiten. Doch Liebeserotik und Sexualität wurden strikt auf den Rahmen einer Ehe begrenzt. Außerhalb dieser engen und für mich als Kind und Jugendlichen noch fernen Grenzen wurden diese Themen tabuisiert und ausgegrenzt. Sie wurden als sündig gebrandmarkt und waren selbstverständlich strikt verboten. In der Folge wurden alle entsprechenden Regungen und Impulse in den Untergrund gedrängt. Dies entsprach ganz und gar nicht meiner Natur, wie ich heute weiß.

Die glücklichsten Momente erlebte ich, wenn ich allein draußen in der Natur sein konnte, zu der ich im Laufe der Jahre eine tiefe liebende Verbindung entwickelte. Unser Haus stand einsam am Rand eines Waldes, umgeben von der rauen Schönheit einer noch unberührten Landschaft. Diese Welt war voller Mysterien, voller abenteuerlicher Geheimnisse, die es zu entdecken und zu verstehen galt. Stundenlang verweilte ich an meinen Lieblingsplätzen, untersuchte, beobachtete, lauschte und kommunizierte. In der Natur fand ich ein Stück Vollkommenheit wieder. Für mich war sie eine nährende und heilende Welt, zu der ich eine tiefe Freundschaft entwickelte. Das Leben folgte hier voller Reinheit und Unschuld seinen ureigenen Gesetzen, die meinem Sinn für Echtheit und Harmonie entsprachen.

Wer liebt hat alles

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