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Crowleys Vorstellung von Yoga

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Crowleys naturalistische Interpretation übernatürlicher Phänomene war nicht auf den Spiritualismus oder die parapsychologische Forschung beschränkt. Wie ich bereits ausgeführt habe, übertrug er psychologische und naturalistische Auslegungen auch auf seine eigenen spirituellen Praktiken. Um diesen Aspekt von Crowleys Gedanken auswerten zu können, werde ich mich auf den folgenden Seiten auf seine Annäherung an Yoga einerseits sowie an die Magie andererseits konzentrieren.

Crowley „entdeckte“ Yoga „an Ort und Stelle“, nämlich in Indien, oder genauer gesagt, in Ceylon (dem heutigen Sri Lanka) um 1901. Zu jener Zeit war das für einen Europäer noch sehr unüblich.28 All sein späteres Wirken war von diesen Erlebnissen beeinflusst, und Yoga wurde zu einem wichtigen Teil seiner Praxislehren.29

Als Crowley zum ersten Mal nach Indien ging, war er gerade mal sechsundzwanzig Jahre alt. Anfang August 1901 befand er sich in Ceylon.30 Bis dahin war er einige Monate gereist. Im Frühling 1900 war der berühmte Konflikt im Golden Dawn ausgebrochen, in welchem MacGregor Mathers von einer Gruppe prominenter Ordensmitglieder als Leiter des Ordens angefochten wurde. Crowley stand in diesem Konflikt an Mathers’ Seite und wurde damit zu einem derjenigen, die Chaos und Uneinigkeit in diesen Okkultistenverband brachten.31 Im Anschluss daran beschloss er, enttäuscht und desorientiert, England für längere Zeit zu verlassen, und machte sich auf die Reise, die länger als ein Jahr dauern würde.

Sein erstes Anlaufziel war Mexiko, das er im Juli 1900 erreichte. Er blieb dort für mehrere Monate, und während seines Aufenthalts stieß sein Freund Oscar Eckenstein (1859 - 1921) dazu. Eckenstein war ein Eisenbahningenieur mit einer Leidenschaft für das Bergsteigen.32 Er hatte mit Crowley zusammen schon einige Gipfel der Alpen erklommen, und in Mexiko erkletterten sie einige der höchsten Berge des Landes. Diese Bergtouren sollten auch ein vorbereitendes Training für die Expedition zum Himalaya sein, die die beiden Männer planten. Crowleys Autobiographie ist zu entnehmen, dass er Eckenstein sehr bewunderte und als seinen Lehrmeister im ernsthaften Bergsteigen bezeichnete. Interessant ist jedoch, dass die Bergsteigerei nicht der einzige Bereich war, in dem Crowley von Eckenstein lernen konnte. In seiner Autobiographie schreibt Crowley, dass sein Freund ihm während ihres Aufenthaltes in Mexiko eine Grundübung der Konzentrationstechnik beigebracht habe, die darin bestand, ein Objekt zu visualisieren und dieses Bild so lange wie möglich im Gedächtnis zu behalten.33 Das Ziel war natürlich, eine gewisse Kontrolle über die Gedankenprozesse zu erlangen. Leider teilt Crowley nichts darüber mit, wo Eckenstein seine Techniken erlernt hatte, macht aber deutlich, dass dieser mit Magie nichts zu tun habe und sich sogar über seinen jüngeren Freund und dessen okkulte Interessen lustig machte.34 Doch ist auch interessant, dass – nach einer von Crowley unabhängigen Quelle – Eckenstein besonders an Telepathie interessiert gewesen ist.35 Crowley begann, so zu trainieren, wie es ihm sein älterer Freund geraten hat.36 Offensichtlich bereiteten diese frühen Experimente ihn auf seine Begegnung mit Yoga vor, die ein paar Monate später stattfinden sollte.

Nachdem er sich von Eckenstein getrennt und Mexiko verlassen hatte, überquerte Crowley den Pazifik, um zu einem anderen Freund zu gelangen: Allan Bennett (1872 - 1923), der ebenfalls Mitglied des Golden Dawn gewesen war und mit dem Crowley sich in London zeitweise eine Wohnung geteilt hatte.37 Auch Bennett hatte die Rolle eines Mentors für Crowley innegehabt, doch ging es in seinem Fall speziell um magische Angelegenheiten, und er war auch derjenige gewesen, mit dem Crowley seine Drogenexperimente im Rahmen magischer Zeremonien begonnen hatte. Bennett hatte England ein Jahr zuvor aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit verlassen und sich nach Ceylon zurückgezogen, wo er zum Buddhismus konvertiert war und von einem einheimischen Meister in Yoga unterrichtet wurde. Nach seinem Umzug nach Ceylon hatte Bennett jegliches Interesse am Praktizieren westlicher Ritualmagie, wie er sie im Golden Dawn gelernt hatte, verloren. Crowleys Enttäuschung über die jüngsten dramatischen Ereignisse innerhalb des Ordens hatte auch ihm die Begeisterung für Magie genommen und ihn offen für neue spirituelle Abenteuer gemacht.

Bennetts Yogalehrer war der Shivait Sri Parananda Ramanathan (1851 - 1930), der auf der Insel hoch angesehen war und unter der britischen Herrschaft zum zweiten Kronanwalt von Ceylon ernannt wurde.38 Nach seiner Ankunft nahm Crowley schnell an den Yogaübungen und Experimenten Bennetts teil. Beide Männer waren entschlossen, um es mit Crowleys Worten auszudrücken, sich „die östlichen Systeme unter östlichem Himmel und allein mit östlichen Methoden“ zu erarbeiten.39 Crowley überzeugte Bennett, einen Bungalow in Kandy zu mieten, das im Inneren der Insel lag, wo sie ihre Übungen allein fortsetzten. Die Techniken, die Crowley zu dieser Zeit anwendete, entstammten größtenteils dem „klassischen“ Yoga, wie es in Patañjalis Leitsätzen festgeschrieben steht. Seine täglichen Übungen beinhalteten Âsana (eine besondere Körperhaltung einzunehmen und darin in vollkommener Unbeweglichkeit zu verharren), Prânâyâma (Techniken zur Atemkontrolle), und Dhâranâ (Techniken zur Gedankenkontrolle, die in die Lage versetzen sollen, den Fluss der Gedanken willentlich aufzuhalten). Crowley behauptete, dass er Anfang Oktober – nach zwei vollen Monaten kontinuierlichen Trainings – Dhyâna, eine der höchsten Stufen yogischer Erkenntnis, erreicht habe. Nach Patañjali ist nur die Stufe Samâdhi, die als ultimatives Ziel des Yoga betrachtet werden kann und zur Befreiung von den menschlichen Konditionen führt, noch höher als Dhyâna. Was Crowley als Erfahrung von Dhyâna wahrnahm, war von äußerster Wichtigkeit für ihn. Laut Israel Regardie war es „das wichtigste spirituelle Ergebnis, das er bis dahin erreicht hatte.“40 Dennoch brach Crowley nach diesem schnellen Erfolg seine Übungen ab, und gegen Ende November verließ er Ceylon. Er wollte in den Norden Indiens aufbrechen, wo er mit Eckenstein verabredet war, mit dem er eine neue Expedition zum K2 plante.

Interessant ist die Tatsache, dass Crowley während seiner Yogaausbildung ein Tagebuch führte, in dem er seine direkten Erfahrungen systematisch aufzeichnete. Während der Monate in Ceylon notierte er sorgfältig alle seine Übungen einschließlich seiner physischen und mentalen Verfassung bei ihrer Durchführung sowie die erzielten Ergebnisse. Dieses Verfahren, das er während seiner Mitgliedschaft beim Golden Dawn gelernt hatte, wendete er auch in seinem weiteren Leben immer wieder an. Für ihn hatte seine magische und spirituelle Arbeit immer einen „experimentellen“ Aspekt, der von den Versuchen der Mitglieder der SPR gar nicht so weit entfernt war.

Anscheinend hat Crowley in den folgenden Jahren die systematische Yogapraxis nicht wieder aufgenommen, zumindest nicht mit der gleichen Intensität wie während seines „Rückzuges“ nach Ceylon, auch wenn offensichtlich ist, dass seine Erlebnisse in dieser Phase einen tief greifenden Einfluss auf ihn hatten. Später behauptete er, auch Samâdhi erreicht und damit den Pfad der Verwirklichung nach der klassischen Yogalehre vollkommen durchlaufen zu haben, wenngleich er diese Stufe augenscheinlich nicht durch Yogapraktiken, sondern eher durch die Anwendung zeremonieller Magie erreicht hatte.

Eines sollten wir stets im Gedächtnis behalten, wenn es um die Verbindung zwischen Yoga und Magie gemäß Crowley geht:41 er betrachtete seine Erfahrung von Dhyâna – und später Samâdhi – als demselben spirituellen Pfad zugehörig wie seine Initiation in den Golden Dawn und seine magischen Praktiken.42 Dies bedeutet, dass er damit fortfuhr, dieselbe initiatische Grundstruktur, die er im Golden Dawn vorfand, auf alle seine spirituellen Erlebnisse zu übertragen. Alles passte in dieses Paradigma und wurde aus diesem heraus interpretiert. Da es ihm durch seine eigene Distanzierung von Orden nicht mehr möglich war, durch formale Initiationsriten innerhalb dessen initiatischer Struktur aufzusteigen, kreierte er auf der Basis seiner Erfahrungen eigene nachfolgende Einweihungsgrade. Crowley glaubte daran, dass sein spiritueller Werdegang kontinuierlich und beständig sei; ohne Einbeziehung dieses Aspektes ist die Bedeutung und Wichtigkeit, die diese Erfahrungen aus seiner persönlichen Perspektive heraus hatten, kaum zu verstehen.

Andererseits hielt diese besondere Betrachtung seines spirituellen Werdegangs ihn nicht davon ab, seine Erfahrungen nicht allein auf der Grundlage traditioneller spiritueller Voraussetzungen, sondern auch von einer psychologischen Warte aus zu interpretieren. In seiner Autobiographie schreibt er, dass er Anfang 1904 mit seiner Ehefrau Rose, die er ein paar Monate zuvor geheiratet hatte, im Rahmen ihrer Hochzeitsreise auf einem Schiff unterwegs gewesen sei, das sie von Colombo nach Ägypten bringen sollte. Dies war kurz bevor im Frühling desselben Jahres in Kairo jene Ereignisse eintraten, die ihn zur Offenbarung des Book of the Law führten. Auf dem Schiff traf er den englischen Psychiater Henry Maudsley (1835 - 1918), der eine Reihe von Büchern über die Verbindung von Körper und Geist aus einer rein materialistischen Perspektive heraus veröffentlicht hatte.43 Interessanterweise hatte Maudsley sich auch mit mystischen Phänomenen auseinandergesetzt und einen Artikel über Swedenborg veröffentlicht, in welchem er schlussfolgerte, dass der schwedische Visionär an einer „messianischen Psychose“ gelitten habe, die Maudsley als „Monomanie“ ansah, die möglicherweise durch Epilepsie hervorgerufen worden sei.44 Laut John Johnson wurde dieser Artikel von den Swedenborgianern heftig kritisiert, was vielleicht der Grund war, warum Maudsley in seinen späteren Werken auf weitere Anspielungen auf Swedenborg verzichtete.45 Diese Episode ist interessant, da sie zeigt, dass die Auffassung, die Maudsley von mystischen und spirituellen Phänomenen im Allgemeinen hatte, offensichtlich auf einer Reduktion auf den psychopathologischen Blickwinkel basierte. Crowley verstörten Maudsleys Vorstellungen vom Mystizismus anscheinend wenig. Vielmehr nutzte er die sich durch diese zufällige Begegnung bietende Gelegenheit und ging auf Maudsley zu, um mit ihm über das Thema Yoga zu diskutieren. Crowleys Bericht dazu in The Confessions verdient es, in voller Länge zitiert zu werden:

Wir sprachen über Dhyana. Ich war ziemlich sicher, dass das Erreichen dieses Zustandes, und noch mehr von Samadhi, die Befreiung von den Hemmungen bedeutete, welche die Manifestationen des Genies unterdrückt, oder (praktisch dasselbe in anderen Worten ausgedrückt) die Fähigkeit, die Energie des Universums anzuzapfen. Nun, was auch immer, Samadhi ist zumindest ein Geisteszustand wie tiefes Nachdenken, Ärger, Schlaf, Vergiftung und Melancholie. Sehr gut. Jeder Geisteszustand ist begleitet von entsprechenden Zuständen des Körpers. Läsionen der Hirnsubstanz, Störungen der Blutversorgung usw. werden in scheinbar zwangsläufiger Verbindung zu diesen Geisteszuständen beobachtet. Außerdem wissen wir bereits, dass bestimmte mentale oder spirituelle Zustände durch physische oder chemisch-physische Bedingungen ausgelöst werden. Zum Beispiel können wir einen Mann in Ausgelassenheit oder in Wut oder ähnliches versetzen, indem wir ihm Whisky geben. Wir können Schlaf durch Verabreichung von Drogen wie Veronal herbeiführen. Wir können ihm sogar (wenn wir wollen, dass es auf die Spitze getrieben wird) durch eine Betäubung mittels Kokain, Äther usw. Mut suggerieren. Wir können phantastische Träume mit Haschisch hervorrufen und farbige Halluzinationen mit Anhalonium Lewinii; wir können sogar mittels eines Sandsacks dafür sorgen, dass er „Sterne sieht“. Warum sollten wir dann nicht in der Lage sein, eine pharmazeutische, elektrische oder chirurgische Methode zu entwickeln, um Samadhi herbeizuführen, Genialität genauso einfach zu erschaffen, wie andere Arten besonderer Erregung? Morphium macht Männer auf eine negative Weise heilig und glücklich; warum sollte es da nicht eine Droge geben, die das positive Äquivalent dazu hervorruft? Der Mystiker schnappt vor Entsetzen nach Luft, aber um ihn können wir uns wirklich nicht kümmern. Er ist es, der die Natur verlästert, weil er Unterbrechungen in ihren Abläufen voraussetzt. Nimm an, dass Samadhi einzigartig ist, und der ganze verworfene Humbug vom Übernatürlichen kehrt zurück.46

Dies ist vielleicht einer der faszinierendsten Abschnitte von Crowleys Autobiographie, weil er uns darin, durch seine Zurschaustellung psychologischer Begriffe („Hemmungen, die unterdrücken“), direkt in die Komplexität seiner Haltung spirituellen Praktiken gegenüber einführt. Wir können klar die Art des Diskurses erkennen, den er zu entwickeln versucht, um diese Praktiken für den wissenschaftsgläubigen modernen Menschen – selbst in seiner radikalsten reduktionistischen Ausprägung, die zum Beispiel von Maudsley repräsentiert wird – annehmbar zu machen. Crowley behauptet, dass der berühmte Psychiater auf die Argumente seines Mitreisenden positiv reagierte: „Maudsley stimmte – sehr zu meiner Überraschung – mit all diesen Thesen überein, aber er konnte auf keine plausible Forschungslinie verweisen.“47 Es ist schade, dass wir Maudsleys Version dieser Episode nicht kennen und nie erfahren werden, wie er wirklich über diese zufällige Konversation gedacht hat. Wenn wir jedoch seine ziemlich ablehnende Haltung gegenüber dem Mystizismus im Allgemeinen betrachten, überrascht es nicht, dass er am Ende keine Empfehlung für eine „plausible Forschungslinie“ geben wollte.

Ebenso interessant ist, dass man in den oben zitierten Zeilen möglicherweise den Einfluss von William James und seiner Behandlung „religiöser Genien“ am Anfang seiner Varieties of Religious Experience verfolgen kann.48 Dies erinnert uns an die Tatsache, dass Crowley, auch wenn er sich in der obigen Passage sehr bemüht zeigt, einem eingefleischten Materialisten wie Maudsley die Vertretbarkeit seiner Ideen vor Augen zu führen, zu James eher eine Affinität verspürt haben dürfte. Genau genommen, ist es wichtig zu erwähnen, dass James, gemeinsam mit den führenden Persönlichkeiten, die in die parapsychologische Forschung in England und den Vereinigten Staaten involviert waren, im Hinblick auf den höchsten spirituellen Wert religiöser Erfahrungen eine weit weniger radikale Position vertrat als Maudsley.49 Das Konzept von Inspiration in Verbindung mit den Stiftern von Religionen ist ein Thema, das sich in Crowleys Werken oft wiederfindet. In einem anderen Abschnitt in The Confessions erwähnt Crowley James explizit, und zwar genau in Bezug auf das Problem des religiösen Genies:

Die grundsätzliche Vorstellung der östlichen Religionen … ist die Befreiung von der Illusion der Existenz. Die Wirkung von Samadhi ist erstens die Glückseligkeit, die von der Befreiung vom Schmerz herrührt. Später verschwindet die Glückseligkeit und macht einem vollkommenen Gleichmut Platz. Doch wir müssen nicht so weit in ihre Philosophie vordringen oder sie annehmen. Teilweise dank William James’ Varieties of Religious Experience hatte ich die Idee, Methoden des Yoga einzusetzen, um willentlich Inspiration hervorzubringen. James führt aus, dass die verschiedenen religiösen Lehrer ihre Macht und ihren Einfluss auf die Menschheit im Wesentlichen auf dieselbe Weise erlangten: indem sie Samadhi erreichten. Die Trance gibt höchste spirituelle Energie und absolutes Selbstvertrauen; sie entfernt die gewöhnlichen Hemmungen, die das Handeln verhindern. Ich schlage vor, dass jedermann diese Kraft nutzen sollte, seine Fähigkeiten zu entwickeln und seine Ambitionen zu erwecken, indem er die Wirkungen der Trance in seinem Leben kanalisiert. Diese Idee verbindet gleichzeitig Mystik und Magick, denn eine der wichtigsten Handlungen der Magick ist, den Gott anzurufen, der mit dem, was du möchtest, korrespondiert, dich mit Ihm zu identifizieren und dein Wirken mit seinem reinen Antrieb zu durchdringen. Dies bedeutet, genau genommen, Samadhi mit diesem Gott zu erlangen.50

Crowley denkt hier sicher an den Abschnitt über Yoga in James’ Varieties of Religious Experience.51 In Wahrheit äußert sich James in diesem Abschnitt alles anders als eindeutig zur Rolle von Samâdhi – oder gleichartiger mystischer Erfahrungen – im Leben religiöser Führer, doch ist dieses tatsächlich ein Thema, das in anderen Teilen des Buches mehrfach wiederkehrt, wenn auch nicht notwendigerweise so, wie Crowley es wiedergibt. Crowley hatte das Thema bereits ausführlich am Anfang von Book Four behandelt, in dem Teil, der dem Yoga gewidmet war und der erstmals 1912 veröffentlicht wurde.52 Es ist wichtig, zu verstehen, dass Crowley auf jenen Seiten nicht nur seine eigene besondere magische Lehre entwickelt, sondern seine Interpretation der mystischen Erfahrung auch als Grundlage für ein vergleichendes Verständnis religiöser Phänomene anbietet. Indem er das tut, baut er klar auf seiner Lektüre von James auf.

Laut Crowley verbringen alle Stifter von Religionen eine Zeit ihres Lebens in der Zurückgezogenheit oder in einem Versteck. Wenn sie wieder auftauchen, sind sie im Besitz der Energie, die nötig ist, um eine neue Religion zu begründen. Was geschieht während der Zurückgezogenheit? Nach Crowley war das, was Moses, Jesus, Mohammed, Buddha und allen anderen Religionsstiftern widerfahren ist, eine mystische Erfahrung, die dem gleichkommt, was in der Yogatradition Samâdhi genannt wird. In anderen Traditionen, wie der christlichen Mystik, spricht man davon als einer „Einheit mit Gott.“53 Wenn diese religiösen Führer ihre Erfahrungen auf unterschiedliche Weise geschildert haben, so liegt das an ihren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen; das Phänomen selbst war jedoch immer und überall dasselbe. Darum sprach zum Beispiel Mohammed mit dem Erzengel Gabriel, gelangte Buddha zur Erleuchtung, und traf Moses Gott auf dem Berge Sinai.

Die Konsequenzen von Crowleys Überlegungen sind nicht schwer zu erkennen: Wenn die religiösen Führer alle dieselben Phänomene erlebt haben und diese mit Samâdhi gleichgesetzt werden können, dann bietet Yoga (oder eine ähnliche Methode wie beispielsweise die Zeremonialmagie) potentiell eine durch Erprobung bestätigte Technik, „willentlich“ Inspiration und – in letzter Konsequenz – die Fähigkeit zu erlangen, eine neue Religion zu begründen. Zwar zieht Crowley diesen Schluss nicht explizit, doch ich denke, es ist offensichtlich genug. Crowley hat selbst – nach eigener Aussage – Samâdhi erreicht, und das hat ihn legitimiert, eine neue Religion zu gründen. Dies ist genau das, was Crowley behauptete, getan zu haben, nachdem er den Text von The Book of the Law von einer Wesenheit empfangen hatte, die er als übermenschlich bezeichnete – nur wenige Monate nach seiner Begegnung mit Maudsley auf seiner Reise nach Ägypten. In Book Four scheint Crowley auch die Notwendigkeit einer übernatürlichen Erklärung für dieses Erlebnis und alles, was daraus folgt, zu bestreiten:

Zusammenfassend bestätigen wir eine geheime Energiequelle, die das Phänomen des Genius erklärt. Wir glauben nicht an übernatürliche Erklärungen, doch wir bestehen darauf, dass diese Quelle im Folgenden ohne eindeutige Regeln erreicht werden kann; der Grad des Erfolges hängt von der Fähigkeit des Suchenden ab und nicht von den Vorlieben irgendeines göttlichen Wesens. Wir behaupten, dass das entscheidende Phänomen, das den Erfolg bestimmt, ein Ereignis im Gehirn ist, das im Wesentlichen durch die Vereinigung von Subjekt und Objekt geprägt ist.54

Aleister Crowley & die westliche Esoterik

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