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6 Genderarchäologie und Religion

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Der Fokus auf Religion ist ein relativ neuer Bereich für die Genderarchäologie, vielleicht weil man dazu tendierte, sie als Randdisziplin wahrzunehmen. Sarah Milledge Nelson weist darauf hin, dass man sich bei dieser Kombination in den 1990er Jahren »auf sehr dünnem Eis bewegte« und diese »fast tabu« war.32 Tatsächlich fehlte »Religion« im Index des Sammelbandes von Gero und Conkey, der für seine bahnbrechende Methodik anerkannt war.33

In ihrem informativen Literaturüberblick über die letzten vier Jahrzehnte hat Beth Alpert Nakhai kürzlich einen Einblick gegeben, wie Wissenschaftler*innen, die sich mit der religiösen Rolle der Frau im eisenzeitlichen Israel beschäftigen, erfolgreich Genderarchäologie und biblische Belege miteinander verbunden haben.34 Besonders ermutigend ist, dass sich seit der Jahrhundertwende immer mehr Männer einer Gruppe von ausnahmslos weiblichen Bibelwissenschaftlerinnen angeschlossen haben. Nakhai führt diesen bislang spürbaren Mangel an Aufmerksamkeit für Gender auf Archäologen zurück, die sich mit der Ausgrabung von urbanen Elitestätten beschäftigten sowie auf männliche Bibelwissenschaftler mit androzentrischen Ansichten und einer Hegemonie über die Hebräische Bibel.35

Ein entscheidendes Resultat dieses doppelten Engagements, das durch die Interpretation der Zeichnungen auf den in Kuntillet Adschrud ausgegrabenen, zerbrochenen Pithoi unterstützt wird, ist, dass die Verehrung der Ascherah nicht länger als marginal oder als exklusiver Bereich der Frauen angesehen wird.36 Stattdessen war sie ein normativer Teil des israelitischen Kultes, der »zwischen sozio-religiösen Gruppen in Israel und Juda praktiziert wurde, von ländlichen Haushalten bis hin zu elitären Stadtbewohner*innen«.37 Daraus ergibt sich ein Bild der geteilten religiösen Verantwortung von Frauen, Männern und Kindern, ähnlich wie es unten in Kapitel 9 in Bezug auf ihre Arbeitsplätze und ihre wirtschaftliche Produktion deutlich wird. In dieser Hinsicht füllt Kristine Henriksen Garroways jüngste Beschäftigung mit dem Thema der Kindheit im alten Israel eine auffällige Lücke auf diesem Gebiet.38 Ihr Schwerpunkt richtet sich auf eine Kombination von materieller Kultur und religiösem Text und steht in Einklang mit der weitaus früheren Entsprechung aus dem alten Ägypten.39

Genderarchäologie kann solide Beweise für die Materialität von Religion liefern, wenn sie in ihrem gängigsten Forschungsfeld, nämlich dem Totenkult, durchgeführt wird. Unten wird jedoch deutlich werden, dass ihr Erfolg von der sicheren Geschlechtszuordnung bei Bestattungen abhängt. Ausgrabungen in Gemeinschafts- und Haushaltsräumen in ländlichen Gegenden werden heute als potenziell erfolgversprechender angesehen. Die dabei gewonnenen architektonischen und artefaktischen Daten, die aus Arealen wie z. B. Schreinen stammen, können im Hinblick auf religiöse Rituale untersucht werden. Sie helfen, Licht auf das Wirken von Frauen bei Aktivitäten wie Opfern, Divinationen und Krankenheilungen zu werfen. Wie Nakhai in ihren Überlegungen zu der Frage, »was bei der Untersuchung von Figurinen schief gehen kann«,40 feststellt, gibt es jedoch nach wie vor erhebliche Schwierigkeiten.

Man könnte hier also festhalten, dass Genderarchäologie und Religion eine Affinität zueinander haben, die in ihrer Kombination ein bislang unerforschtes und untersuchungswürdiges Feld darstellt. Sie bietet das reiche Potenzial, einige der bisher ungelösten großen Fragen zu beantworten und damit frühere Annahmen zu entkräften. Zunächst steht die Frage von Geschlecht und Herrschaft in vergangenen Gesellschaften im Raum; wie unten in Kapitel 7 illustriert, könnten die Genderdisziplinen die Annahme infrage stellen, dass der Status von Frauen niedriger war als der von Männern. Offensichtlich war dies nie universell und hat zweifellos mehr über die Dominanz der männlichen Wissenschaft in beiden Forschungsfeldern, der Archäologie und der Religionsforschung, zu sagen. Zweitens besteht die Möglichkeit, die unkritische Vorstellung zu hinterfragen, wie sie von Conkey und Ruth Tringham angenommen wurde, dass alle antiken Göttinnen für den Bereich der Fruchtbarkeit zuständig waren.41 Zum Beispiel hat die neuere kritische Studie von Stephanie Buden, die sich auf spätzyprische Göttinnenfiguren bezieht, Sexualität ohne Fruchtbarkeit aufgedeckt.42

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