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Einleitung

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Bei der Formulierung meines Themas, »Populismus und Mauerfall«, vor ein paar Monaten meinte ich, dass ich biografisch zu solchen Anmerkungen vielleicht etwas qualifiziert sei, weil meine Mutter in Chemnitz aufgewachsen ist und ich damit ein »halber Sachse« bin und weil ich seit vielen Jahren hier in Naumburg bei Beate Jaquet in Aufstellungsseminaren arbeite … Aber ich war bei der Vorbereitung dann alsbald perplex und betroffen davon, wie wenig ich von Mauerfall und Nachwendezeit de facto wusste!

Ich bin in Göttingen aufgewachsen, 30 km von der »Zonengrenze«, wo wir, meine Eltern und ich, glaube ich, nur einmal hinfuhren – wie an einen etwas exotischen und eigentlich unwichtigen Ort. 1989 lebten wir, meine Frau und unsere kleinen Kinder in Würzburg, wir hatten aus Überzeugung keinen Fernseher, und die Belange der DDR hatten für uns so gut wie keine Bedeutung. Ein Anruf meiner in Westberlin lebenden Schwester klärte mich dann auf, wir hörten von den bewegenden Momenten nach der Maueröffnung, jedoch auch in der Folgezeit entwickelte sich kein besonderes Interesse am wiedervereinigten Deutschland, das für uns halt ein Stück größer geworden war durch Übernahme der DDR in die BRD. Bei unserer Haushaltshilfe, die 1989 noch über Ungarn aus der DDR kam, waren wir ungläubig-überrascht, dass ihr erster Besuch in einem Westsupermarkt sie in eine Art von Schockstarre versetzt hatte, sodass sie nach wenigen Minuten völlig überwältigt aus dem Markt fliehen musste.

Meine Aufstellungsarbeit bei Beate Jaquet hier in Naumburg (später auch in Suhl, Dresden und Leipzig) habe ich immer sehr gerne gemacht, es wurden natürlich viele Fakten des Lebens in der DDR angesprochen und gut bearbeitet – aber merkwürdigerweise hat sie eine auch bei mir wirksame kollektive Ebene des Nicht-ganz-Beteiligtseins für lange Zeit unberührt gelassen.

Es gab für uns eine Art von eisernem Bewusstseinsvorhang, auf dessen östlicher Seite so etwas wie »Dunkeldeutschland« ein graues Dasein fristete. Grau schienen sogar die Ostlandschaften bei Zug oder Autoreisen nach Westberlin. Und »die da drüben« hatten mit der sowjetischen Besatzung, ihrem neuen totalitären Regime, der gegenseitigen Bespitzelung etc. eben Pech gegenüber dem ungleich besseren Los von Westdeutschland. Das war halt so und löste auch Schuldgefühle aus, die aber bei den allermeisten im Westen keine Handlungsimpulse weckten, was sich auch nach der Wende nicht wesentlich änderte.

In diesem westdeutschen Desinteresse sieht Irene Misselwitz in ihrem Tagungsbeitrag einen Grund für die besonderen Erfolge der AfD im Osten, die sich dort als »Kümmererpartei« anbiete und die Ostbelange scheinbar wirklich ernst nehme.

Die von vielen Westdeutschen geteilte Indifferenz hat sich bei mir in den letzten Monaten sehr verändert, was auch durch die Ausrichtung auf diese Tagung »30 Jahre Mauerfall« angestoßen wurde. Ich bin dabei, zu anderen Empfindungen zurückzukommen oder erstmals dorthin zu gelangen: eine einfache Verbindung vom Herzen aus, Anteilnahme und Zuneigung.

Vom Träumen und Aufwachen

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