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Vorwort

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Während der DGSF1-Jahrestagung vom 12. bis 14. Oktober 2017 in München, die unter dem Motto »Von der Neutralität zur Parteilichkeit – Systemiker*innen mischen sich ein« stand, haben uns die Eröffnungsvorträge von Valeska Riedel, Stephan Marks und Jochen Schweitzer sehr angesprochen. Noch während dieser Tagung entstand die Idee, WO und WIE wir uns einmischen können: Wir wollten »die friedliche Revolution«, »30 Jahre Mauerfall«, das historische Ereignis aus dem Jahr 1989 mit dem DAVOR und DANACH genauer in den Blick nehmen.

Das Tagungsprogramm sollte möglichst so Gestalt annehmen können, dass die unterschiedlichen Perspektiven einen Raum finden und miteinander geteilt werden können. Systemiker*innen mischen sich nicht nur ein, sondern sind auch in verschiedenen Berufs- und Fachverbänden organisiert. Welchen dieser Verbände könnten wir für diese Idee und als Veranstalter gewinnen, und ist dies überhaupt möglich? Wir meinten, dass sich die unterschiedlichen systemischen Methoden (systemisch-konstruktivistisch, systemisch-phänomenologisch und hypnosystemisch) in ihrer Unterschiedlichkeit ergänzen (können). Somit war eine weitere Idee hinzugekommen. Wie wäre es wohl, wenn systemische Verbände sich dieses Themas gemeinsam annehmen und uns drei Organisatorinnen (Beate Jaquet, Christine Ziepert, Madlen Tamm) darin unterstützen würden? Die Deutsche Gesellschaft für Systemaufstellungen (DGfS) hatte die Idee wohlwollend aufgenommen. Der Vorstand war bereit, als Veranstalter zur Verfügung zu stehen. Die DGfS vertritt vorrangig den systemisch-phänomenologischen Ansatz, die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e. V. (DGSF) und die Deutsche Gesellschaft für systemische Pädagogik e. V. (DGsP) eher den systemisch-konstruktivistischen und zum Teil den hypnosystemischen Ansatz. Außerdem wurde die Tagung durch die Carl-Auer Akademie, die sysTelios-Klinik und die Deutsche Gesellschaft für Supervision und Coaching e. V. (DGSv) unterstützt. Das waren die inspirierenden Anfänge.

In diesem Buch sind Beiträge aus unterschiedlichen Perspektiven zusammengeführt. Stephan Marks hat seinen DGfS-Eröffnungsvortrag Scham – die tabuisierte Emotion … zur Verfügung gestellt. Er beschreibt nicht nur die Entwicklung von Scham, sondern auch ihre Auswirkungen. Die Leser*innen fühlen sich durch viele Praxisbeispiele in den Vortrag einbezogen.

Valeska Riedel als systemische Therapeutin berichtet persönlich: Es vergisst sich nicht mehr. Sie beschreibt ihre zutiefst deutsch-deutsche Familiengeschichte. Die Wurzeln reichen bis in den Burgenlandkreis, den Veranstaltungsort der Tagung.

Irene Misselwitz beeindruckt mit ihrem psychoanalytischen Blick auf die Zeit der DDR, der »alten« BRD und danach mit dem Thema: Vom Träumen und Aufwachen. Der Titel ihres Vortrags gab uns den Impuls, eine Brücke zwischen der Tagung und dem vorliegenden Buch zu bauen.

Albrecht Mahr schreibt über Populismus und Mauerfall – Anmerkungen zur Auflösung einer unheilsamen Verbindung. Dabei macht er auch auf den verstärkten Antisemitismus aufmerksam und spannt den Bogen weit über die Tagung hinaus bis in das so besondere Frühjahr 2020.

Anett Renner hat ihr eigenes Konzept der systemischen Achtsamkeit (SACHT®) entwickelt. Dabei dient ihr die liegende Acht als Brille dafür, komplexe Zusammenhänge im Innen und/oder Außen genau zu betrachten und zu erkennen.

Ihr Bericht ist sehr persönlich; ebenso persönlich schreiben Annegret Chucholowski und Volker Fleing. Chucholowski beschreibt ihre inneren Bewegungen und Gedanken vor, während und nach der Tagung, erinnert sich an Rituale aus ihrer Kindheit und die Hoffnung ihrer Eltern auf die Wiedervereinigung Deutschlands. Fleing denkt über das Eigene, das Trennende und das Verbindende nach und lässt sich und die Leser*innen davon berühren.

Manfred Ziepert gibt Einblicke in die Arbeit mit dem Wertequadrat (nach Friedemann Schulz von Thun). Er zeigt mit dem Modell des Wertequadrats Polaritäten auf, die helfen, zwischen Werten und Extremen zu unterscheiden. Am Modell wird das Thema Zwischen Opportunismus und Widerstand in Ost und West bearbeitet.

Rica zu Salm-Rechberg geht auf Spurensuche und beschäftigt sich mit dem Thema Vom Erinnern zum Vergessen und der Hinwendung zur Zukunft. Diese von ihr angeleitete politische Aufstellungsarbeit hilft, sich zu erinnern, anzuerkennen und sich dem Leben im Hier und Jetzt zuzuwenden.

Das Herzstück der Tagung war ein Gesprächsforum in sechs Kapiteln. Es wurde von Anna Hoff und Ansgar Röhrbein moderiert. Die Gesprächspartner*innen kamen mit ihren unterschiedlichen Biografien und Positionen aus der gesamten Bundesrepublik Deutschland (Annegret Chucholowski, Christian Dietrich, Ulrike Galander, Thomas Geßner, Thomas Kretzschmer, Valeska Riedel).

Anna Hoff und Ansgar Röhrbein verbinden in ihrem eigenen Beitrag die systemische Biografiearbeit und die politische Bildung, um Menschen in ihrem Workshop ins gesellschaftspolitische Handeln zu bringen. Ergänzt und abgerundet wird dieser Beitrag durch das Interview mit Cornelia Stieler, einer Workshopteilnehmerin während der Tagung »30 Jahre Mauerfall …«. Diese Verbindung wird durch die Zusammenarbeit mit ihr im Anschluss an die Tagung noch intensiviert und findet im Beitrag Der Unterschied, der einen Unterschied macht ihren Niederschlag.

Barbara Inneken gibt einen Einblick in die systemisch-phänomenologisch-konstruktivistische Arbeit. Sie nutzt das Neuro-Imaginative Gestalten (NIG®) als ressourcenorientierte Methode und lässt die Leser*innen in den Prozess des Workshops eintauchen.

Einen eindrücklichen Beitrag zur Demokratiebildung geben die Referenten Uwe Langbein und Christopher Bodirsky. Von einem sehr persönlichen Einblick ausgehend, bietet Uwe Langbein einen Diskurs über den Umgang mit Grenzen, Entgrenzungen und Hoffnung auf eine bessere Zukunft an. Christopher Bodirsky eröffnet einen Denkraum, der auch durch den Workshop von Mechthild Reinhard angeregt wurde. Er beschreibt seine eigene Betroffenheit vom und seine Auseinandersetzung mit dem Einigungsprozess.

Christa Renoldner hat ein Interview mit der Referentin Ruth Sander zu deren Thema Politik im Raum geführt. Sie haben nicht nur Verlauf und Resonanz miteinander ausgetauscht, sondern auch politische Positionen. Beide stammen aus Österreich und fühlen sich dem (Wende-)Prozess der Geschichte beider Länder sehr verbunden.

Mechthild Reinhard ist im Gespräch mit ihrem Mann Albrecht Reinhard und mit Hanna Wredenhagen als Tagungsteilnehmende sowie dem katholischen Priester Peter Pristas. Sie gehören verschiedenen Generationen an, sind alle im »Osten« geboren und leben jetzt im »Westen«. Sie tauschen sich über Innerdeutsche Geschichte(n) zur Ein- und Verführung in die Unverfügbarkeit der Welt aus.

Die nächste Generation, Caroline Winning, Andy Reinhard, Katja Wrobel, beeindruckt mit Themen ganz anderer Art: durch Gewaltfreie Kommunikation, den Blick über den Tellerrand mit einer Reise ohne Geld und die Frage, ob Verbindung auf Augenhöhe möglich ist.

Den Prozess der Tagung haben Gianna Hennig und Heike Beck mit Playing Arts als kreativschöpferischem Gestaltungselement methodisch aufbereitet. In ihrem Beitrag nehmen sie die Leser*innen mit auf eine kurze Reise durch die Tagung.

Jürgen Reifarth weist auf die Bedeutung von Sprache vor und nach der Wende hin. Er nimmt uns im »Schlenderschritt durch [m]eine Sprachbiografie« … Durch das Gestrüpp der Richtigkeiten mit.

Heiko Kleve spannt einen Bogen von den Demonstrationen im Herbst 1989 in der DDR bis hin zur Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 mit dem Thema: Der Einbruch der Freiheit: 1989 und 2020 – Eine Momentaufnahme.

Corona lässt uns innehalten. Wir machen eine gemeinsame existenzielle Erfahrung, nicht nur im Osten und Westen Deutschlands, sondern in der gesamten Welt. Es geht um globale Themen und Probleme, die wir nur gemeinsam angehen und lösen können. Wir erleben eine hochkomplexe Zeit mit einer Flut von Informationen. Der Systemtheoretiker Niklas Luhmann formuliert, dass Vertrauen Komplexität reduziert. Wir brauchen einen kritischen Diskurs mit konträren Positionen, um die demokratische Vitalität zu erhalten und Anpassungsleistung zu ermöglichen. Das erfordert die Verantwortung eines und einer jeden Einzelnen. Dieses Buch soll für die Herausforderungen unserer Zeit einen Impuls und einen Raum geben.

Jena und Naumburg, im Frühjahr 2021

Beate Jaquet und Christine Ziepert

1Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e. V.

Vom Träumen und Aufwachen

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