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1.2 Bevölkerungswachstum und Urbanisierung

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Die Zunahme des Energieverbrauchs korreliert mit dem Bevölkerungswachstum. Wie der Verbrauch an Energie vergrößerte sich auch die Erdbevölkerung über die längste Zeit der Menschheitsgeschichte nur sehr langsam. Krankheiten und Nahrungsmangel verursachten hohe Sterberaten, die jedoch mit hohen Geburtenraten die Waage hielten. Um 8000 v. Chr., also etwa zu der Zeit, als die Landwirtschaft „erfunden“ wurde, dürften zwischen zwei und 20 Millionen Menschen auf der Erde gelebt haben (COHEN 1995: 77). Die agrarische Produktivität stieg durch Ackerbau und Viehzucht stark an; ebenso durch das Sesshaftwerden vormals nomadischer Jäger- und Sammlerkulturen. Immer mehr Personen konnten vom Ertrag einer Flächeneinheit überleben. Die Einführung der Landwirtschaft ermöglichte so den ersten signifikanten Bevölkerungsanstieg in der Geschichte der Menschheit. In der Folge nahm die Weltbevölkerung deutlich schneller zu als zuvor – mit jährlichen Zuwachsraten im Promillebereich war es gleichwohl ein vergleichsweise langsames Wachstum. Um die Zeitenwende, im Jahr 1 unserer Zeitrechnung, besiedelten etwa 200 Millionen Menschen die Erde. Bis 1750 stieg ihre Zahl allmählich auf ungefähr 800 Millionen Menschen an.

Der zweite signifikante Bevölkerungsanstieg in der Menschheitsgeschichte geht – wie der erste – auf gesteigerte Leistungsfähigkeit zurück. Er fällt mit der industriellen Revolution zusammen. Durch den Energieschub, den die Nutzung fossiler Energieträger mit sich brachte und durch zahlreiche technische Neuerungen in Industrie und Landwirtschaft nahm die Produktivität der – nunmehr – Industriegesellschaften sprunghaft zu. Parallel dazu begann die Bevölkerung exponentiell zu wachsen. Gegen 1800 wurde die erste Milliardengrenze erreicht. 150 Jahre später – um 1950 – lebten an die 2,5 Milliarden Menschen auf der Erde (s. Abb. 1.3). Die jährliche Wachstumsrate betrug über diesen Zeitraum hinweg 0,6 %. Das klingt nicht besonders hoch, bewirkte jedoch, dass sich in den 100 Jahren zwischen 1850 und 1950 die Weltbevölkerung verdoppelte (MÜNZ UND REITERER 2007: 81). Seit Beginn der Industrialisierung waren die Wachstumsraten also um ein Vielfaches größer als in allen historischen Perioden davor. Im Jahr 1990 betrug die Weltbevölkerung 5,3 Milliarden Menschen; um die Jahrtausendwende stieg die Zahl auf sechs Milliarden an (COHEN 1995: 79).

Inzwischen teilen sich an die sieben Milliarden Menschen den Platz auf unserem Planeten. Doch werden sich die kontinuierlich steigenden Zuwachsraten des 20. Jahrhunderts nicht mehr lange aufrecht halten lassen. Prognosen der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass sich die Weltbevölkerung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf dem Niveau von rund zehn Milliarden Menschen stabilisieren wird. Allerdings gab und gibt es weiterhin große Unterschiede zwischen industrialisierten Regionen und solchen mit anhaltender landwirtschaftlicher Subsistenzwirtschaft. Bis ins 19. Jahrhundert fand das Bevölkerungswachstum hauptsächlich in den Industrienationen statt. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist es jedoch infolge der wirksameren Bekämpfung von Krankheiten und einer besseren Nahrungsmittelversorgung fast ausschließlich in Entwicklungs- und Schwellenländern lokalisiert (MÜNZ & REITERER 2007: 81).

Fraglos wirkt sich ein rasantes Bevölkerungswachstum nachteilig auf die Umwelt und den Ressourcenverbrauch aus. Mehr Menschen benötigen nicht nur mehr Nahrungsmittel und Wasser – sie haben auch einen größeren Bedarf an Siedlungsraum und sonstigen Ressourcen für ihren Lebensunterhalt. Zugleich produzieren sie mehr Abfall und verursachen größere Mengen an schädlichen Emissionen. Hinzu kommt, dass rapides Bevölkerungswachstum den Prozess der Verstädterung vorantreibt und den Ressourcenkonsum dadurch zusätzlich erhöht. Städte sind die Wachstumsmotoren einer Volkswirtschaft. Und es ist gerade der Wunsch nach besseren Lebensbedingungen und mehr Wohlstand, der Menschen vom Land in die Städte ziehen lässt (ANGENENDT 2011: 188).

Um 1700 existierten weltweit ganze fünf Städte mit mehr als einer halben Million Einwohner – jede davon war die Hauptstadt eines Landes: Istanbul, Tokio, Peking, Paris und London. 100 Jahre später war nur eine Stadt hinzugekommen, nämlich Kanton in der chinesischen Provinz Guangdong (MCNEILL 2003: 298). Bis zum 18. Jahrhundert war die Größe der Städte hauptsächlich durch die Produktivitätsgrenzen der Landwirtschaft in ihrem Hinterland und die Gefahren des städtischen Lebens begrenzt. Endemische und epidemische Krankheiten ließen in den Städten weitaus mehr Menschen sterben, als Kinder zur Welt kamen. Um die Bevölkerungszahl konstant halten zu können, war etwa London gegen 1650 auf jährlich 6000 Hinzuziehende angewiesen. 1750 starben in der englischen Hauptstadt halb so viele Menschen, wie im ganzen Land geboren wurden (MACFARLANE 1997: 22).

Das Städtewachstum nahm im Gefolge der industriellen Revolution deutlich zu. Im 19. Jahrhundert verbesserten sich die Umstände für das Leben in der Stadt. Einerseits änderten sich die Lebensverhältnisse grundlegend. Die industrielle Produktionsweise verbesserte die Versorgung mit Nahrung und Kleidung; Abwassersysteme und Wasserwerke hoben das Niveau der öffentlichen Hygiene an und durch die aufkommende Bakteriologie entwickelte sich die medizinische Versorgung weiter. Dadurch stieg am Ende des 19. Jahrhunderts die durchschnittliche Lebenserwartung drastisch an – und nimmt noch heute zu. Andererseits verbesserten sich auch die Transportbedingungen durch neue Eisenbahnstrecken und den Ausbau von Straßen- und Untergrundbahnen, wodurch sich der Einflussbereich der Städte auf immer größere Räume ausdehnte. Alte Städte wie London oder Wien wuchsen so zu Metropolen heran. Und auch neu entstehende Industriestädte wie Sheffield oder Manchester breiteten sich immer weiter aus und verdichteten sich schließlich zu Ballungsräumen.

Zwischen 1800 und 1900 erhöhte sich weltweit die Zahl der Städte mit mehr als einer halben Million Einwohnern von sechs auf 43 – sie lagen vor allem in Westeuropa, Nordostamerika und an den Meeresküsten exportorientierter Nationen (MCNEILL 2003: 299). Rund 14 % der Weltbevölkerung lebten um 1900 in Städten. Das Verhältnis der Stadt-/Landbevölkerung begann sich zu verschieben. 1850 war das sich industrialisierende England das erste Land gewesen, dessen Bevölkerung zur Hälfte in Städten lebte. In den USA war dies um 1920 der Fall, in Japan gegen 1935. Etwa in der Mitte des 20. Jahrhunderts griff die Urbanisierung auf die Sowjetunion und Lateinamerika über; ab 1960 erfasste sie fast alle Regionen der Welt. Im Jahr 1998 lebte die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten.

In den Industrieländern hat die Stadtbevölkerung während der letzten 50 Jahre nahezu linear zugenommen. Dagegen wuchs sie in den Entwicklungs- und Schwellenländern exponentiell an (MEADOWS ET AL. 2009: 18). Dieser Trend, der vermutlich noch einige Jahrzehnte anhalten wird, hängt damit zusammen, dass sich vor allem in den weniger industrialisierten Regionen rasant wachsende Riesenstädte – so genannte Megacities – herausbildeten. Bei dem Prozess wirkten Landflucht und natürliches Bevölkerungswachstum zusammen. Noch 1950 existierten auf der Welt nur drei Ballungsräume mit zehn Millionen Bewohnern und mehr: London, New York und Tokio-Yokohama. Die Riesenstädte hatten sich als Folge der Industrialisierung in den klassischen Industriestaaten entwickelt. Am Ende des 20. Jahrhunderts überschritten hingegen bereits 20 Metropolregionen die Zehnmillionengrenze (MCNEILL 2003: 91).

Die neuen Stadtgiganten wuchsen vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern heran, in denen die Rechtsverhältnisse oft unsicher, politische Konstellationen schwankend und öffentliche Gelder meist knapp waren. Megastädte wie Hongkong, Mexiko-Stadt, Kalkutta oder Sao Paulo stellen eine weitestgehend künstliche und technikgeprägte Umwelt für den Menschen dar. Zu ihren Kennzeichen zählt eine aufwändige Infrastruktur mit U-Bahnen, Aufzügen, künstlicher Beleuchtung und Klimatisierung. Ihr Energie- und Ressourcenverbrauch ist gigantisch und logistisch immens herausfordernd. Ihre Versorgung mit Ressourcen und die Entsorgung des anfallenden Mülls waren von Anfang an ein großes Problem. Neben Wasser und Energie für mehrere Millionen Menschen benötigen sie riesige Mengen an Bauholz, Zement, Ziegel, Nahrung und Brennstoffe. So gesehen sind Megastädte riesige Konglomerate von Stoffen, Energie und Abfällen. Um ihre stofflichen und energetischen Bedürfnisse zu befriedigen, greifen die Stadtriesen nicht nur auf die Ressourcen des eigenen städtischen Hinterlands bzw. ihrer eigenen Nation zurück, sondern beanspruchen auch Rohstoffe anderer Kontinente. Dementsprechend reichen auch die Umweltfolgen der Riesenstädte weit über die eigenen Stadtgrenzen hinaus.

Wohl kaum ein Prozess hat die Umwelt so radikal verändert wie die Urbanisierung im 20. Jahrhundert. Besonders das Wachstum der Megacities wurde zum entscheidenden Faktor für die ökologische Problematik am Jahrhundertende. Die urbanen Stoffwechselprozesse griffen vorwiegend auf zwei Arten in die Umwelt ein: durch Luftverschmutzung und Flächenverbrauch. Laut einer Schätzung der WHO von 1988 atmeten von den damals 1,8 Milliarden Stadtbewohnern der Welt mehr als eine halbe Milliarde Luft ein, die mit gesundheitsschäd lichem Schwefeldioxid, Feinstaub oder Ruß verpestet war. Was das räumliche Wachstum betrifft, nahmen Städte um 1900 ungefähr 0,1 % der Landfläche der Erde ein; 1990 waren es bereits etwa 1 % (MCNEILL 2003: 98, 300 u. 306ff.). Absehbar ist, dass die Verstädterung weiter voranschreiten wird. Vorherrschende Stadtformen werden die immensen Agglomerate in den Schwellen- und Entwicklungsländern sein. Auf sie wird sich voraussichtlich der gesamte zu erwartende Bevölkerungszuwachs der nächsten Jahrzehnte konzentrieren (ANGENENDT 2011: 187).

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