Читать книгу Nachrichten aus dem Exil - Hannes Hanses - Страница 11

Salome

Оглавление

Der Einfluss Herodias auf Antipas war immer größer geworden, nicht zuletzt bedingt durch Antipas´ Lust auf Salome.

Und der Hass Herodias auf Johannes war ins Unermessliche angewachsen. Johannes war für sie gefährlicher geworden denn je.

Salome war ihr Faustpfand um von Antipas nicht aufgrund der anhaltenden Kritik an ihrer Ehe, besonders eben von Johannes, verstoßen zu werden, denn sie spürte, dass Antipas dieser ständigen Angriffe müde wurde. Das Volk redete immer offener von der Schamlosigkeit und Anstößigkeit dieser Beziehung.

Und Herodes...

Er suchte trotz allem immer öfter das Gespräch mit Johannes und war danach immer unruhig, rastlos und voller Zweifel.

In Herodias´ Augen musste dringend etwas gegen den Täufer unternommen werden.

So infiltrierte sie Antipas und übertrieb erheblich im Bezug auf die Auswirkungen der Reden des Täufers innerhalb der Bevölkerung Galiläas.

Schließlich hatte Herodes sich überzeugen lassen und Johannes verhaftet. Dabei lag in dieser Verhaftung durchaus auch ein eigennütziges Ansinnen Antipas. Denn erstens war Johannes aus der Öffentlichkeit entfernt und das Volk würde sein Interesse an ihm verlieren. Damit aber würden auch die Vorwürfe wegen seiner Ehe mit Herodias im Laufe der Zeit, so hoffte er zumindest, verebben, und zweitens sah er in der Verhaftung des Täufers die Chance noch häufiger unter vier Augen mit ihm reden zu können um sich von ihm inspirieren zu lassen.

Antipas sollte sich jedoch täuschen.

In seiner Zeit im Gefängnis verweigerte Johannes ihm das Gespräch und hielt seine Lippen für Antipas versiegelt.

*

Während der Haftzeit des Täufers war es mir nur einmal gestattet mit Johannes zu sprechen. Antipas hatte es persönlich erlaubt weil er hoffte, dass Johannes dann vielleicht auch mit ihm sprechen würde.

Wir sprachen zwei Stunden miteinander in denen ich Johannes von meinen Erfahrungen in der Wüste berichtete. Er freute sich über meine Erkenntnisse und Einsichten die ich gesammelt hatte und er bestätigte mich erneut darin, dass ich meinen eigenen Weg gehen solle. Ich bat ihn mir nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis dabei zu helfen gemeinsam den Menschen vom neuen Gottesreich zu erzählen.

Johannes lächelte wissend, schwieg jedoch ansonsten und sagte mir abschließend noch einmal dass er sich sehr freue dass ich endlich wisse, was mein Weg sei.

Er hatte es mir ja versprochen, bevor ich in die Wüste ging, sich für mich zu freuen, egal mit welchen Erkenntnissen ich aus der Wüste zurückkehren würde. Dennoch war ich gerührt wegen seiner ehrlichen Freude über meine Entschlüsse. Johannes war ein Mensch der es gut und ehrlich mit seinem Gegenüber meinte. Dies wurde mir in diesem Moment noch einmal wieder sehr deutlich.

Mit Tränen in den Augen verabschiedeten wir uns voneinander und hielten uns dabei fest in den Armen. Seine Kraft und Energie aber auch seine Herzenswärme erfüllte mich mit Liebe. Ich hätte ihn am liebsten niemals los gelassen, doch die Wärter drängten. Bei meinem Abschied rief ich ihm zu: „Bis bald in Freiheit, Johannes!“

Johannes lächelte mir traurig und mit wissenden Augen zu. Er schien zu ahnen, was sich über seinem Kopf zusammenbraute.

Wir Jünger des Johannes waren ahnungslos oder blauäugig.

Wir wussten ja, wie sehr Antipas Johannes schätzte und wir wussten auch um die Angst, die Antipas vor Johannes hatte. Er würde es nicht wagen Johannes ein Haar zu krümmen. Antipas war abergläubisch und feige. Darauf verließen wir uns. Wir waren wie Kinder, die die Wahrheit nicht sehen wollten. Doch wir sollten aus unserer scheinbaren Gewissheit grausam geweckt werden.

*

Der Geburtstag Herodes Antipas rückte näher.

Wir hofften alle, dass Antipas an diesem Tag zum Zeichen seiner Großzügigkeit Johannes aus dem Gefängnis entlassen würde. Außerdem hatte Johannes sich während der gesamten Zeit seiner Gefangenschaft geweigert mit Antipas zu sprechen. Stattdessen richtete er seine Worte aus dem Verliesfenster hinaus nach draußen und erregte die Aufmerksamkeit der vorbeigehenden Passanten mit seinen Ansprachen. Im Laufe der Zeit pilgerten immer mehr Menschen zu Johannes´ Kerker um ihn sprechen zu hören, auch wenn sie ihn dabei nicht sehen konnten.

Johannes Energie und sein Mut waren ungebrochen. Sein Weg war gerade geblieben. Johannes ließ sich nicht beugen. Schon einige Male war es zu Tumulten gekommen und die Palastwachen waren schon des Öfteren gegen die zuhörende Menge eingeschritten.

Herodias Absicht, Johannes aus der Öffentlichkeit zu eliminieren und ihn mit der Verhaftung mundtot zu machen, war gründlich gescheitert.

Johannes Ansprachen waren jetzt noch kraftvoller, mächtiger und ergreifender als je zuvor.

Seine Respektlosigkeit der Obrigkeit gegenüber war offensichtlich noch gewachsen.

Johannes ließ sich durch nichts und niemanden beugen oder mundtot machen. Er verkündete seine Vorstellungen vom nahen Gottesreich weiter und keine Gefängnismauer konnte ihn davon abhalten.

Ich bin die Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn, so wie es der Prophet Jesaja gesagt hat. Hört auf mich, der ich der Rufer in der Wüste bin!

*

Herodes richtete ein großes Fest anlässlich seines Geburtstages aus. Die Honoratioren der Stadt waren eingeladen. Hofbeamte, vornehme Bürger Galiläas, und auch Prostituierte und Musiker freuten sich auf den Tag und über die Einladung des Herodes. Die einen weil sie sich durch die Einladung geehrt fühlten, die anderen weil sie ein gutes Geschäft witterten. Auch römische Offiziere waren eingeladen. Auch sie waren voll Vorfreude auf die Gaumen- und Sinnenfreuden die das Fest versprach.

Das Festmahl begann um 1000 Uhr am Vormittag und es war geplant dass es vier Tage dauern sollte.

Die zahlreichen Prostituierten schmeichelten den Männern und boten ihre körperlichen Reize sehr freizügig zur Schau. Die Stimmung war heiter erregt. Die ersten Gänge des Festmahles versprachen köstliche Gaumenfreuden über den Tag verteilt. Während des Essens gab es verschiedene Tanzeinlagen und Herodias hatte während dieser Tänze beobachtet, wie lüstern Antipas ihre Tochter Salome, die in einem blütenweißem eng an ihrem Körper anliegenden Kleid neben ihr lag, anstarrte. Er wirkte wie entrückt in seinen begierigen Blicken, die ausschließlich Salome galten. Das Geschehen um ihn herum nahm er kaum war.

Herodias wandte sich an Antipas und fragte ihn zuckersüß:

„Herodes, mein geliebter Mann, soll deine Tochter Salome, für dich und deine Geburtstagsgäste tanzen?“

Herodes Anipas starrte seine Frau mit vor Geilheit geröteten Augen an. Er erschauerte über diese Verlockung und stöhnte dann:

„Ja, lass Salome bitte für mich und meine Gäste tanzen und sie möge sich für diesen Tanz wünschen was sie will, ich werde es ihr geben, egal was es ist, selbst wenn es die Hälfte meines Reiches sein sollte das sie sich wünscht!“

Diese Worte hatte er erregt und so laut hervorgestoßen, dass die gesamte Geburtstagsgesellschaft ihn gehört hatte. Einige Gäste klatschten zustimmend Beifall und auch sie forderten nun Salome auf doch bitte zu tanzen. Der Ruf, Salome möge tanzen“, wurde immer fordernder. Die römischen Offiziere skandierten: „Salome, Salome, Salome“.

Herodias forderte ihre Tochter mit einem eindringlichen Blick auf, dem Begehren Antipas und der Gäste nachzukommen. Sie wandte sich an die Musiker und sagte ihnen was sie spielen sollten. Es wurde still im Saal. Man hörte nur noch das Klingen der Instrumente, die eine verführerische Melodie angestimmt hatten.

Salome erhob sich grazil und geschmeidig wie eine Raubkatze von ihrem Platz.

Dann begann sie sich zu bewegen. Jeder Muskel ihres Körpers schien gespannt wie ein guter Bogen. Ihre Bewegungen waren voller Kraft und Eleganz. Sie war ganz und gar konzentriert und verschmolz mit der Musik zu einer Einheit.

Alle Zuschauer waren verzaubert. Besonders Antipas. Herodias Augen funkelten. Sie wusste bereits was Salome sich von Antipas wünschen würde. Schließlich war Salome ihr hörig.

Salome tanzte sich während dessen immer mehr in einen Rausch der alle Anwesenden mitriss. Sie war noch ahnungslos, während ihre Mutter ihre Pläne bereits verwirklicht sah.

Nach etwa einer halben Stunde war das Spektakel zu Ende. Salome verließ völlig erschöpft den Saal. Die Gäste und besonders Antipas waren verzückt. Eine solche Tanzvorstellung hatte bislang noch niemand gesehen und erlebt. Die Gäste klatschten und johlten vor Begeisterung. Die knisternde Spannung die der Tanz Salomes in allen, selbst in den anwesenden Frauen geweckt hatte, ebbte nur sehr langsam wieder ab.

In der allgemeinen Unruhe und Erregung hatte Herodias den Saal unbemerkt verlassen und war Salome gefolgt, die in eines der vielen Bäder des Palastes gegangen war um sich zu erfrischen.

*

Salome war verwirrt. Sie hatte gehört, was Antipas ihr vor den versammelten Gästen versprochen hatte. Sie fühlte sich bereits beschenkt durch das Gefühl, das die Gäste ihr durch ihre Bewunderung und ihre Begeisterung entgegen gebracht hatten. Sie war sich zum ersten Mal ihrer sinnlichen Ausstrahlung richtig bewusst geworden. Außerdem hatte sie beim Tanzen einen jungen römischen Offizier unter den Gästen erblickt der ihr sehr gefiel und dessen bewundernde und verzückte Blicke sie sehr wohl wahrgenommen hatte. Sie hatte sich spontan in ihn verliebt.

Plötzlich spürte sie einen Blick in ihrem Rücken. Sollte dies der römische Offizier sein?

Sie drehte sich langsam um. In der Tür des Bades stand ihre Mutter Herodias.

Mit gekünstelter Begeisterung lobte Herodias Salome:

„Tochter, du hast alle, besonders aber deinen Stiefvater Antipas mit deinem Tanz verzückt. Ich bin so stolz auf dich. Und hast du gehört, was er dir für ein Versprechen gegeben hat?“

Salome schlug die Augen nieder und antwortete:

Ja, Mutter, ich hab sein Versprechen gehört, doch weiß ich keinen Wunsch!“

„Doch, mein Kind, du weißt was ich mir wünsche, und bisher waren doch meine Wünsche auch immer deine Wünsche, nicht wahr!“

Salome nickte verlegen.

Und was wünschen wir uns, Mutter?“

„Wer erregt immer wieder meinen, ich meine unseren Ärger, Salome?

Wer stört unseren Frieden durch seine ständigen Provokationen und Verleumdungen?

Wer hackt auf deinem armen Stiefvater und deiner arme Mutter herum, nur weil sie einander aus liebe geheiratet haben?

Wer Salome, wer?“

Johannes der Täufer, dieser ungepflegte Asket, dem die gemeine Bevölkerung soviel Aufmerksamkeit und Interesse entgegen bringt.“

„Genau, meine kluge Tochter. Und womit kannst du nun deine Mutter und gleichzeitig auch deinen Stiefvater glücklich machen?“

Ich weiß es nicht Mutter, sag du es mir.“

„Johannes möge mundtot gemacht werden!“

Aber wie denn, Mutter, er sitzt doch bereits im Gefängnis und predigt dennoch weiter.“

„Indem du dir den Kopf des Täufers auf einem silbernen Tablett noch während des Festes als Geschenk für deinen wirklich wunderbaren Tanz wünschst. Das wäre ein gottgefälliger Wunsch. Und gleichzeitig bringst du damit deine Bescheidenheit vor allen Gästen zum Ausdruck, denn schließlich hat dir Antipas die Hälfte seines Reiches angeboten. Stimmt´ s?“

Ja Mutter, wenn es dich glücklich macht verlange ich von Antipas den verlausten Kopf dieses Täufers.“

„Lass uns zurückgehen“ antwortete Herodias. „Aber warte noch einen Moment bevor du mir folgst. Ich möchte an meinem Platz liegen, wenn du dein Geschenk einforderst, um das Entzücken in Antipas Gesicht besser sehen zu können, wenn er deinen bescheidenen Wunsch hört!“

Herodias wandte sich ab und kehrte unbemerkt in den Saal zurück.

Ihres Triumphes sicher glühte ihr Gesicht vor erwartungsvoller Erregung ob der Reaktion ihres schwachen Gatten.

Salome folgte ihr nachdem sie ihr Aussehen noch einmal im Spiegel kontrolliert hatte.

Ihre Wangen waren immer noch etwas gerötet von ihrem Tanz und diese Röte ließ sie noch verführerischer aussehen. Dann wandte sie sich um und bewegte sich auf das Haupttor des Saales zu. Schon von weitem hörte sie das Gelächter und die Ausgelassenheit der Gäste. Mit beiden Händen riss sie die doppelflügelige Tür zum Festsaal auf.

Alle im Saal befindlichen Personen blickten auf, sahen zur Tür und verstummten.

Und als sie Salome erkannten brach erneut ein Sturm der Begeisterung aus. Klatschend, johlend und pfeifend begrüßten alle Salome. Sie verbeugte sich dankend nach allen Seiten und schritt dabei auf Antipas zu. Im Augenwinkel suchte sie den jungen römischen Offizier. Er hing mit seinen Augen an ihrem Körper und verfolgte jede ihrer Bewegungen in angespannter Erwartung.

Das Raunen und Klatschen im Saal verstummte immer mehr, je näher Salome Antipas kam. Als sie schließlich nur noch wenige Schritte von Antipas entfernt stehen blieb, war es ganz still im Saal.

Antipas richtete sich auf. Es fiel ihm schwer seine Gefühle und seine Erregung zu verbergen.

„Salome, meine Tochter, du hast mir das schönste Geschenk zu meinem Geburtstag bereitet und nun will ich mein Versprechen einlösen und dir, wie ich es gesagt habe, jeden Wunsch erfüllen. Also, was wünschst du dir mein Kind?“

Den Kopf des Täufers auf einem silbernen Tablett, Antipas mein Vater!“

In einem Moment war es totenstill im Saal.

Man hätte eine Münze fallen hören können.

Alle schienen die Luft anzuhalten.

Antipas wurde bleich. Sein Gesicht verzerrte sich. Seine Gedanken schlugen Kapriolen.

Was sollte er tun? Er fürchtete Johannes und seinen Zorn. Auch vor einem toten Johannes würde er fürchterliche Angst haben. Außerdem wie würde das gemeine Volk reagieren? Johannes war so beliebt im Volk! Viele hielten ihn sogar für Elija!

„Salome, du kannst alles haben, mein halbes Reich, alle Juwelen, alles Geschmeide das du dir nur vorstellen kannst! Bedenke deinen Wunsch!“

Salome sah ihre Mutter an, die sie mit funkelnden Augen anstarrte.

Antipas, mein Vater, den Kopf des Täufers wünsche ich mir!“

„Aber warum?“ entfuhr es Antipas, „er ist ein Nichts, ein Niemand!“

Antipas wand sich wie eine Schlange. Salome aber sah ihn nur auffordernd an. Sie spürte Antipas Angst und es bereitete ihr ein bis dahin unbekanntes Gefühl der Macht. Dieses Gefühl gefiel ihr, es berauschte sie.

Den Kopf mein Vater!“

Antipas hatte hier vor seinen Gästen ein vollmundiges Versprechen abgegeben und Salome hatte mit ihrem Tanz alle verzückt. Sein Mund blieb offen stehen. Seine Schläfenadern quollen hervor. Schweiß brach ihm aus. Was sollte er nur tun. Gab es einen Ausweg. Konnte er seinen Kopf aus dieser Schlinge noch herausziehen.

Antipas, mein geliebter Mann“ flötete Herodias, „hast du den bescheidenen Wunsch deiner Tochter vernommen?“

Entgeistert starrte Antipas Herodias an.

„Ja, meine Liebe“ stammelte er.

Er war wie benommen.

Alle Blicke waren auf ihn gerichtet.

Er glaubte eine gewisse Unruhe unter den Gästen zu vernehmen. Er durfte hier vor seinen Gästen und besonders vor den römischen Offizieren sein Gesicht nicht verlieren, durfte keine Schwäche zeigen.

„Holt mir den Scharfrichter“ rief er zu einem Diener. Dieser verbeugte sich und verließ eilig den Saal. Die Gäste begannen untereinander zu flüstern.

Fast jeder im Saal hatte zumindest von Johannes dem Täufer schon einmal gehört. Viele hatten auch schon seinen Predigten gelauscht. Für viele war Johannes vielleicht ein sonderbarer und ungewöhnlicher, aber doch ein besonderer Mensch.

Der Scharfrichter betrat den Saal.

Herodes Antipas, mein Herr, was wünscht ihr?“

„Meine verehrten Gäste! Ihr habt es alle gehört! Meine Tochter wünscht sich den Kopf des Täufers.

Diesen Wunsch will ich ihr erfüllen, denn sie hat es sich verdient. Bring mir den Kopf des Täufers auf einem silbernen Tablett!“

Der Scharfrichter sah Antipas kurz an. Er war es gewohnt der Vollstrecker der grausamen Spiele und Gelüste seines Herrn zu sein. Er verbeugte sich tief und zog sich rückwärts gehend aus dem Saal zurück.

Um die Anspannung zu beenden klatschte Herodias in die Hände und rief: „Musik, bringt neue Speisen und Getränke, wir feiern hier den Geburtstag meines geliebten Mannes!“

Antipas ließ sich in seine Kissen zurückfallen und verbarg sein Gesicht hinter einem großen Becher Wein.

War das nun ein böses Ohmen für seine persönlichen Geschicke?

Wie groß war die Macht des Täufers?

Antipas wusste dass Johannes keine Angst vor dem Tod hatte. Aber würden ihn die Verwünschungen des Täufers auch über dessen Tod hinaus noch erreichen und ihm Schaden?

Antipas hatte Angst.

Angst war immer ein bestimmendes Gefühl in seinem Leben gewesen. Die Angst vor der Grausamkeit seines Vaters Herodes des Großen, die Angst vor seinem Bruder Philippus, der immer stärker und besser gewesen war als er, der sich jede zur Frau nehmen konnte und den er hinterlistig hatte umbringen lassen weil Herodias Philippus Frau es so wollte. Ja, er hatte auch Angst vor Herodias. Er hatte Angst vor dem Volk und er hatte Angst die Gunst der Römer zu verlieren. Er war ihre Marionette und sich dieses Umstandes sehr wohl bewusst.

Aber am größten war doch die Angst vor der Macht des Täufers. Johannes war ganz sicher ein Prophet, ein Abgesandter Gottes.

Würde er Gottes Zorn auf sich ziehen durch diese Tat? Würde Gott ihn für dieses Verbrechen an seinem Werkzeug strafen? Aber an welchen Gott glaubte er selber eigentlich? An den Gott des Volkes, den alten bitteren und zornigen Gott Israels, oder an die Götter der Griechen, diese sinnenfrohen und so menschlichen Götter, die sich keinen Spaß versagten und sich gern einmal als Mensch unter das Volk mischten um sich ein schönes Menschenkind zur Liebe zu nehmen.

Baute er nicht diesen griechischen Göttern in seinem Machtbereich Tempel und Anbetungsstätten? Würden sie ihn schützen?

Doch all diese Gedanken änderten nichts, er hatte seinen Befehl erteilt.

Es war zu spät.

Er würde warten müssen, wessen Zorn er auf sich gezogen hatte.

Nun würde sich zeigen welche Macht Johannes wirklich hatte, ob er wirklich ein Gesandter „J.H.W.H.“´s war.

Wie hätte es der große Gaius Julius Cäsar gesagt: „Alia jakta est”21.

Die Tür des Saales öffnete sich. Der Scharfrichter stand in der Tür. In seiner Hand hielt er ein silbernes Tablett und auf diesem Tablett lag der abgetrennte Kopf des Täufers. Einige Frauen blickten schauernd weg.

Würdevollen Schrittes betrat der Scharfrichter den Saal. Er ging auf Antipas zu verbeugte sich tief vor ihm und hielt ihm das silberne Tablett hin.

Antipas erhob sich von seinem Lager und nahm dem Scharfrichter das Tablett ab. Dieser zog sich daraufhin zurück und verließ den Saal.

Mit dem Tablett in der Hand stand Antipas da, mitten im Saal.

Die langen ungekämmten Haare des Täufers bedeckten das gesamte Tablett und hingen in Strähnen über den Rand des Tabletts. Vor Anspannung fühlte sich Antipas völlig steif. Er glaubte sich nicht bewegen zu können, doch er schaffte es nach außen selbstsicher zu wirken. Erhobenen Hauptes und sicheren Schrittes ging er mit dem Tablett in der Hand auf Salome zu. Sie hatte sich ebenfalls erhoben und erwartete Antipas. Ihre Mutter stand neben ihr und nun war sie es die vor Erregung glühte.

„Dein Wunsch war mir Befehl, liebe Tochter. Hier ist dein Geschenk, der Kopf des Täufers!“

Mit diesen Worten überreichte er Salome das Tablett. Sie verbeugte sich vor ihm und nahm das Tablett in Empfang. In einer Geste der Begeisterung hob sie das Tablett hoch über ihren Kopf.

Die Anspannung im Saal entlud sich in einem tosenden Applaus.

Alle klatschten jetzt und huldigten Salome, der wunderbaren Tänzerin.

Ein kleiner Blutstropfen tropfte vom Tablett und befleckte das blütenweiße Kleid Salomes. Es war, als wäre es ein Zeichen. Doch nur die ganz nahe stehenden hatten es bemerkt.

*

Als wir von der Hinrichtung Johannes erfuhren waren wir entsetzt und traurig.

Wir konnten und wollten es anfangs nicht glauben. Unser Bewusstsein verweigerte sich der grausamen Realität.

Was sollten wir ohne Johannes tun. Er war unser Führer gewesen. Er war unser Mut und unsere Kraft. Nun war er tot und wir fühlten uns allein und verlassen.

Wir waren wie versteinert.

Apathisch saßen wir herum. Einige weinten still vor sich hin, andere verfluchten Antipas für dieses Verbrechen an unserem geistigen Führer, unserem Helden der uns immer so unverwundbar vorgekommen war.

Es konnte doch gar nicht sein das Johannes tot war.

Vielleicht war es ja nur ein Trick dieser durchtriebenen Herodias, uns, die Jünger des Täufers, mundtot zu machen, uns einzuschüchtern und uns zu entmutigen. Einige von uns fasten neuen Mut und traten wieder in den Strassen rund um das Gefängnis auf, um von Johannes zu erzählen und um Herodes und Herodias anzuklagen.

Daraufhin ließ Antipas diejenigen von uns verhaften, die am lautesten protestierten. Aus dem Gefängnis heraus aber ließen sich auch weiterhin ihre Verwünschungen und Vorwürfe gegen Herodes hören.

Und so ließ Herodes auch sie mundtot machen. Aber er hatte offensichtlich begriffen, dass allein der Tod des Täufers ihm noch keine Ruhe brachte.

Nach einiger Zeit überließ uns Antipas auf unser Drängen hin den Körper des toten Johannes. Wahrscheinlich hatte Antipas auch Angst und hoffte auf diese Weise den Zorn Gottes und des Volkes ein wenig zu besänftigen, indem er uns den Täufer zur Beerdigung aushändigte.

Andererseits hatte er durch die Ermordung der verhafteten Jünger des Täufers gezeigt, dass sein Selbstbewusstsein gewachsen war.

Ich weiß nicht, was ihn letztlich dazu bewogen hat uns den toten Johannes zu übergeben. Aber er tat es, und so hatten wir die Möglichkeit um unseren toten Anführer zu trauern.

Nun war es uns möglich das Grausame und Schmerzliche an diesem Verlust zu begreifen und zu erfassen.

Aber selbst in seinem Tod strahlte der Körper des Johannes eine Willensstärke und Kraft aus, die uns einerseits faszinierte, andererseits aber noch tiefer erschütterte, denn dadurch wurde uns noch schmerzlicher klar, was der Verlust dieses großen Mannes für uns bedeutete.

Wir weinten in dieser Zeit sehr viel und unsere Gebete richteten sich alle an Johannes. Wir waren jetzt wie eine Herde Schafe die ihren Hirten verloren hatte. Und obwohl wir gemeinsam trauerten war doch jeder in seinem Schmerz mit sich allein und zog sich still in sich selbst zurück.

Es war eine schwere Bürde, Johannes beerdigen zu müssen. Wie ertrinkende klammerten wir uns an seinem toten Körper. Aber wir wussten es musste sein. Wir mussten uns endgültig von ihm verabschieden. So bereiteten wir ein Begräbnis vor, dass diesem charismatischen Führer gerecht werden sollte. Irgendwie funktionierten wir in dieser Zeit ohne selbst wahrzunehmen, was wir da eigentlich taten. Und obwohl es nur zwei Tage waren, die der Torso von Johannes noch in unseren Reihen weilte, kam uns allen diese Zeit endlos vor. Jede Minute dieser Zeit war intensiver und tiefer erlebt als alles, was vorher gewesen war. Jede Berührung, jeder Anblick des toten Körpers gab uns Kraft und war uns unendlich kostbar.

Was sollte nur ohne Johannes werden?

Nach dem Begräbnis, an dem viele Menschen teilnahmen zerstreuten sich die Anhänger Johannes in alle Himmelsrichtungen. Uns war der Bezugspunkt genommen worden, was sollten wir jetzt noch hier an diesem Ort.

Johannes war ein besonderer Mensch gewesen, ein charismatischer Führer und ein glühender Verfechter einer religiösen Erneuerung Israels.

Nun waren wir wieder allein und auf uns selbst gestellt.

Nachrichten aus dem Exil

Подняться наверх